Lacrosse wird vor allen Dingen in Kanada und den USA gespielt und gilt dort neben Eishockey als Nationalsport. In Deutschland ist der Sport erst seit 1993 wirklich bekannt, weil einige Austauschschüler aus den USA zu dieser Zeit in Berlin und München Vereine gründeten. Mittlerweile gibt es drei Herrenligen, vier Damenligen und zwei Juniorenligen, die unter dem Dachverband, dem Deutschen Lacrosse Verband (DLaxV), organisiert sind. In Bremen bietet der ATS Buntentor Frauen, Männern und Jugendlichen ab zwölf Jahren die Möglichkeit, sich in dem Mannschaftssport zu betätigen. "Du stellst den Sport vor", hatte mir mein Redakteur mit auf den Weg gegeben – also tat ich, wie mir geheißen und absolvierte ein Probetraining bei den "Likkedeelern", dem Herrenteam des Vereins, das derzeit in der 2. Bundesliga um Tore und Punkte kämpft.
Angekommen auf dem Vereinsgelände am Kuhhirten, erwartet mich Julius Anthes, Spielertrainer der Mannschaft. "Schön, dass Du diesen geilen Sport kennenlernen möchtest", begrüßt mich der 29-jährige Studierende mit breitem Lächeln, "dann legen wir doch gleich mal los." Gemeinsam mit Mitspieler Simon Egge kleidet mich Julius ein, neben einem Helm werde ich mit Ellenbogenschützern, einem Brustschutz und Handschuhen ausgestattet. "Es kann schon einmal hart zur Sache gehen", erklärt mir der 18-jährige Simon, der seit mehr als sechs Jahren der Faszination Lacrosse erlegen ist. "Mein Bruder Felix hat mich dazu gebracht", ruft mir Simon beim Umziehen noch kurz zu – dann eilt er zu seinen Mitspielern und kleidet sich ebenfalls ein.

Gemeinsam mit Julius Anthes (links) und Simon Egge (rechts) lernt unser Autor Christian Markwort den Stick kennen.
Körperbetonter Sport
Wie bei allen anderen Sportarten, steht auch beim Lacrosse zuerst ein umfangreiches Aufwärmprogramm an. Nach einigen Runden um den Platz stelle ich ziemlich erschrocken fest, dass meine Kondition sehr zu wünschen übrig lässt. Schnaufend wie eine Dampflokomotive kämpfe ich darum, den Anschluss an die Jungs zu halten, die vor Motivation und Ehrgeiz nur so strotzen. Irgendwann ziehe ich ganz einsam meine Runden und bin wirklich froh, dass zunächst eine Trinkpause eingelegt wird, ehe es weiter geht. Bei knapp 30 Grad Celsius im Schatten komme allerdings nicht nur ich schnell an meine Grenzen, glücklicherweise haben es auch die anderen schwer bei diesen Temperaturen. Während wir noch mit dem Aufwärmen beschäftigt sind, kommt Silja Peters zur Gruppe hinzu und erklärt, "dass wir Frauen heute nur Werdersee-Training machen". Julius schnappt meinen fragenden Blick auf und erklärt mir umgehend, was es mit dieser Trainingsform auf sich hat: "Sie gehen schwimmen, weil es ihnen heute einfach zu heiß ist", sagt er grinsend und weckt bei mir große Sehnsucht nach einer kleinen Abkühlung im Wasser.
Aber daraus wird nichts, schließlich will ich den Sport ja aus nächster Nähe kennenlernen und bleibe deshalb eisern und diszipliniert im Kreise der Männer dabei. Nach dem Aufwärmen erklärt mir Julius die Handhabung des Spielgerätes, genannt "Stick". Das Fang-und Wurfgerät besteht aus Holz, laminiertem Holz oder leichtem Kunststoff und hat ein taschenartiges Netz (genannt "Pocket") an seinem Kopfende. Bei den Männern ist diese Tasche relativ tief, sodass der Ball komplett darin verschwindet (einer der Unterschiede zum Damen-Lacrosse). Damit es trotzdem möglich ist, dem Gegner den Ball abzunehmen, dürfen die Verteidiger den ballführenden Spieler mit dem eigenen Schläger oder auch dem eigenen Körper angreifen und versuchen, ihm den kleinen, knapp 150 Gramm schweren Gummiball abzunehmen. Nachdem ich das Handling des Sticks einigermaßen verinnerlicht habe, geht es an das Fangen. Während der Rest der Truppe Passübungen absolviert und erste Spielsituationen nachstellt, beschäftigen Julius und ich uns damit, den Ball ins Netz des anderen zu werfen. Wobei ich ehrlicherweise gestehen muss, dass ich mich dabei mehr als dilettantisch anstelle und den Ball, den Julius mir geduldig zu wirft, im Grunde genommen kein einziges Mal fangen kann. Ich bin nicht sicher, ob es an meiner begrenzten Koordinationsfähigkeit liegt oder an dem deutlich verkleinerten Blickfeld, weil ich den Helm aufhabe und die Gitterstäbe meine Sicht beeinträchtigen. Fakt ist, nach zahllosen Versuchen gebe ich auf und wende mich dem nächsten Trainingspunkt zu, dem Tore schießen.

Auch bei knapp 30 Grad Außentemperatur ein Muss: Die Lacrossse-Männer des ATS Buntentor beim schweißtreibenden Aufwärmtraining.
Hohes Tempo
Julius beweist während meiner ganz persönlich-individuellen Übungseinheit mit dem Stick eine Engelsgeduld und spornt mich trotz der vielen Misserfolge unaufhörlich an. "Nur nicht aufgeben", ruft er mir zu, "wir haben alle einmal klein angefangen und bei den ersten Versuchen hat auch bei uns nicht alles sofort geklappt." Allerdings ist das Fangen des Balles schon irgendwie die Grundvoraussetzung, um überhaupt an diesem unglaublich laufintensiven und überaus körperbetonten Sport so richtig mitwirken zu können. Das wird mir endgültig bewusst, als es auf die Jagd nach Toren geht. Fangen ist (noch) nicht meins, aber mit dem Tore schießen klappt es auf Anhieb super. Immer wieder jage ich die kleine Pille ins Netz, einigermaßen überrascht beobachtet Julius meine Versuche. "Mensch", meint er nach einer ganzen Weile, "wenn Du den Ball jetzt auch noch fangen könntest, wärst Du ein echt guter Stürmer und könntest eine ziemlich hohe Trefferquote erzielen."
Hinzugefügt sei jedoch gleichzeitig, dass die übrigen Spieler sich den Ball in höchstem Tempo gegenseitig zupassen und aus vollem Lauf auf das Tor schießen – während ich es noch nicht einmal im Stehen fertig bringe, den Ball überhaupt zu fangen, geschweige denn, mich von einem potenziellen Abwehrspieler zu lösen. Beim Tore schießen jedoch gelange ich nach und nach an den Punkt, auf den mich Julius ganz zu Beginn dieser schweißtreibenden Trainingseinheit bereits hingewiesen hatte: "Die Faszination dieser Sportart macht aus, dass man sehr schnell Erfolgserlebnisse hat, die einen extrem anspornen", hatte er gesagt – und er sollte Recht behalten. Vergessen ist das desaströse Fangexperiment, Tore schießen ist mein neues Faible. Immer und immer wieder jage ich einen Ball nach dem anderen ins Netz, zwar hütet kein "Goalie" (Torhüter) den Kasten, allerdings bedarf es auch bei leerem Tor einer gewissen Präzision, schließlich ist das Tor nur etwa 1,80 mal 1,80 Meter groß und die Entfernung beträgt knapp 15 Meter. Beim Spiel auf einem Spielfeld vom Format eines normalen Fußballplatzes stehen sich zehn Spieler pro Team gegenüber, das Tor befindet sich, ähnlich wie beim Eishockey, nicht am jeweiligen Spielfeldende, sondern exakt 14 Meter davor.
Gestartet wird das Spiel bei den Herren in der Regel mit einem "Face-off", bei den Frauen mit einem sogenannten Draw. Beim "Face-off" knien oder hocken sich die beiden Spieler der Mannschaften am Mittelpunkt gegenüber und versuchen nach dem Anpfiff, den Ball zu erobern oder einem ihrer Mitspieler zu zuspielen. Bei den Frauen wird der Ball zum Draw zwischen die beiden Schläger der durchführenden Spielerinnen geklemmt und beim Anpfiff in die Luft geworfen. Julius zeigt mir noch einige Zweikampfübungen und lobt mich für meine Präzision beim Passspiel (zwar kann ich den vermaledeiten Ball noch immer nicht richtig fangen, dafür aber immer wieder präzise in den Stick von Julius katapultieren), dann reiht er sich ein in die Riege der Spieler, die sich zu einem kleinen Trainingsmatch versammelt haben. Die Aufforderung, mit zuspielen, lehne ich dankend ab, schließlich möchte ich den Spielfluss der anderen nicht dauernd unterbrechen müssen, weil ich den Ball ständig aufheben und in meinen Schläger, Entschuldigung, Stick, legen muss, während der Rest ungeduldig auf die Fortsetzung wartet. Doch beim Zuschauen erkenne ich, was die Faszination dieser Sportart ausmacht: Es ist ein absoluter Powersport, bei dem Koordination, Kondition und Präzision zwar unbedingt dazu gehören, der aber auch Anfängern im frühen Stadium eine Menge Spaß bereitet. Ich empfinde allerhöchsten Respekt für die Spielerinnen und Spieler und werde in Zukunft ganz sicher öfter mal vorbeischauen.
Probetraining beim ATS Buntentor
Die Lacrosse-Abteilung des ATS Buntentor verfügt über eine Frauen-, Jugend- und Männermannschaft, die regelmäßig nach neuen Spielerinnen und Spielern suchen. Für Sonnabend, 25. August, ist von 14 bis 16 Uhr ein U-16-Probetraining für Jungen und Mädchen ab zwölf Jahren vorgesehen, eine Anmeldung per E-Mail an junioren@bremen-lacrosse.de reicht aus. Ältere Interessierte sind stets zum regulären Training eingeladen, das dienstags und donnerstags jeweils von 19.30 bis 21.30 Uhr auf der Sportanlage des ATS Buntentor nahe des Kuhirten absolviert wird. Auch hier reicht eine Anmeldung an henning@bremen-lacrosse.de (Herren) oder jane.holthausen@googlemail.com (Frauen). Anfangs wurde Lacrosse als Hochschulsport angeboten, im Januar 2002 wurde die Sparte Lacrosse beim BTV 1877 gegründet. Im August 2005 wechselten die Lacrosse-Damen (die „Snappenlikker“) zum ATS Buntentor, Sommer 2007 erfolgte der Wechsel der Herrenmannschaft (die „Likkedeeler“), sodass die beiden Teams nun wieder unter einem Dach zusammenfinden konnten. „Likkedeeler“ ist übrigens eine Anspielung auf die Mannschaft des legendären Piraten Klaus Störtebeker.