Es ist eine Geschichte, wie sie das Leben nur selten schreibt. Die Geschichte eines Jungen aus Syrien, der schon als Achtjähriger den Queue in die Hand nahm und sich in Syrien über die Billardtische beugte. Und der nun in der Liga der ganz Großen mitspielt.
Mohammad Soufi, der seit dem vergangenen Jahr den Billardfreunden Bremen angehört, ist im polnischen Kielce Zweiter bei den Pool-Billard-Weltmeisterschaften im 9-Ball geworden. Mit schnellen, genauen Spielzügen machte der bis dahin auf internationaler Ebene eher unbekannte Soufi auf sich aufmerksam. Auf dem Weg ins Finale besiegte er den mehrfachen Weltmeister Albin Ouschan, musste sich im Endspiel aber Francisco Sanchez Ruiz aus Spanien geschlagen geben.
"Ich hatte das Gefühl, diese Weltmeisterschaft ist meine letzte Chance, zu zeigen, was ich kann", sagt der mittlerweile 29-Jährige. Noch besitze er keinen deutschen Pass und könne daher nur begrenzt an internationalen Turnieren teilnehmen. Ein Visum für renommierte Turniere in den USA zu erhalten, sei so nicht möglich. Durch seinen zweiten Platz bei der Weltmeisterschaft sind nun weltweit Billardexperten und Turnierveranstalter auf den Bremer Spieler aufmerksam geworden. Außerdem gewann Soufi ein Preisgeld von 30.000 Dollar.
Nils Johanning von den Billardfreunden Bremen, der Soufi in die Hansestadt geholt hat, beschreibt das Wochenende als intensives Auf und Ab der Gefühle. "Wir hatten schon Spieler aus unserem Verein bei der Weltmeisterschaft. Aber dass es jemand bis ins Finale schafft, gab es noch nicht mal ansatzweise", erklärt Johanning, der selbst Spieler und Sportvermarkter ist. Mit den Billardfreunden Bremen spielte Soufi bisher in der Zweiten Bundesliga. "Wir steigen jetzt in die erste Liga auf, ich will für Bremen mein Bestes geben", sagt Soufi. Nach seiner Ankunft in Deutschland hätten ihm die Menschen hier viel geholfen. "Jetzt möchte ich auch etwas zurückgeben."
Johanning schwärmt währenddessen von den Fähigkeiten von Mohammad Soufi, sieht ihn als Ausnahmetalent. "Selbst alte Hasen aus unserem Verein sind erstaunt, wie er spielen kann", sagt Johanning. Soufi zeige in den Turnieren "großen Mut und großes Selbstvertrauen". Auch in schwierigen Situationen könne der junge Syrer noch Kugeln versenken und bleibe trotz Rummel und Fernsehübertragung konzentriert und gelassen. Dass jemand so flüssig und intuitiv stoße, sei ungewöhnlich. Soufi selbst sagt zu seinem Stil, wenn er viel überlege, verschieße er meist. Von daher bevorzuge er schnelle Entscheidungen.
Seine Kindheit verbringt der heutige Vizeweltmeister in der westsyrischen Hafenstadt Latakia am Mittelmeer. Sein Vater, Besitzer eines Billardcafés und Billardtrainer, fördert ihn früh, erzählt Soufi. "Als Kind habe ich manchmal zehn Stunden am Stück gespielt." Dass er mit dem Billard aufgewachsen sei, sehe man an seinen Techniken, sagt Vereinskollege Johanning. "Er hat den Arm immer ein wenig nach außen geklappt. Das findet man bei vielen Spielern, die jung angefangen haben." Eine Haltung, die es auch Kindern mit geringer Körpergröße erlaube, sich über den grünen Tisch zu strecken.
Soufis Erfolge lassen nicht lange auf sich warten. Zuerst habe er den ersten Platz bei Billardturnieren in seiner Heimatstadt belegt, berichtet der Spieler. Als er dann Syrienmeister wird, rät ihm sein Vater, andere Sportarten wie den Fußball zu vernachlässigen und sich ganz aufs Billardspielen zu konzentrieren. 2012 holt Soufi seinen bis dahin wichtigsten Titel als Asienmeister.
Kurz darauf verlässt der Billardspieler seine Heimat und kehrt Syrien aufgrund des Bürgerkrieges den Rücken. Über den Libanon flüchtet er nach Deutschland, zieht erst nach Rostock und dann nach Dortmund. Für eine Weile rückt der Sport in den Hintergrund. Schulabschluss, Deutsch lernen und ankommen ist vorerst wichtiger als Kugeln zu stoßen. Ganz ohne Billard geht es für Soufi aber nicht. Ab 2016 steigt er bei dem Bundesligisten PBC Schwerte 87 ein.
In den kommenden Wochen wird der Billardprofi nun endlich nach Bremen ziehen, Nils Johanning kümmert sich aktuell um eine Wohnung. Aber auch abgesehen vom Umzug hat der Vize-Weltmeister in den nächsten Monaten noch einiges vor. Im kommenden Monat steht das nächste große 9-Ball-Turnier an, sagt Johanning. "Im März treffen sich die 16 besten Spieler der Welt. Da wird sich Mohammad Soufi in London messen." Auch ein Turnier in Estland ist geplant. Und Soufis Zukunftsziele? Der Syrer ist fest entschlossen, es nicht bei einem Vizetitel in Sachen Weltmeisterschaft zu belassen. "Ich habe noch nicht alles gegeben, was ich kann", sagt der 29-Jährige. "Ich will den Meistertitel gewinnen."