Herr Furchner, die Pinguins haben ein spektakuläres Saisonfinale erlebt mit der Vizemeisterschaft und dem Festumzug durch Bremerhaven. Kann man diese Emotionen mitnehmen in die neue Saison?
Sebastian Furchner: Ich glaube schon, dass wir diese Begeisterung in den ersten Saisonspielen wieder spüren werden. Die Vorverkaufszahlen für die Heimspiele der Champions League und der Dauerkarten-Rekord zeigen, dass die Euphorie ungebrochen ist. Im September scheint draußen noch die Sonne, da ist es üblicherweise schwer, dass Leute an Eishockey denken. Hier in der Seestadt ist das anders, alle sind heiß darauf, wieder schöne Momente zu erleben.
Die beste Saison der Vereinsgeschichte macht Lust auf mehr – aber ist es nach dem zweiten Platz realistisch, dass es noch besser geht?
Wir sind Sportler, unsere Spieler kommen hierher, um zu gewinnen. Keiner hier will nur ein bisschen mitspielen. Wir als Verein müssen natürlich darauf achten, wie wir mit der neuen Erwartungshaltung umgehen. Wobei ich betonen will: Dass die Leute jetzt mehr von uns erwarten, hat sich die Mannschaft durch ihre Leistung verdient, das ist eine Ehre und keine Bürde. Unser Saisonziel ist zunächst ein Platz in den Play-offs. Also mindestens Platz zehn. Wenn wir das erreicht haben, schauen wir weiter. Das Allerwichtigste ist für jede Mannschaft, nicht abzusteigen. Wir haben die Qualität, um wieder eine richtig gute Saison zu spielen. Die anderen Teams haben sich verstärkt, wir auch. Also muss wieder viel bei uns passen. Es ist das Schöne an unserem Sport, dass der Kleine den Großen schlagen kann. Im Eishockey gilt: Geld schießt keine Tore – das haben wir bewiesen.
Welcher Moment der vergangenen Saison war besonders schön?
Die Minuten nach dem letzten Finalspiel. Trotz unsere Niederlage haben die Fans gesungen: „Wir sind alle Eishockeyfans“. Ich habe eine lange Karriere im Eishockey hinter mir, aber das zu erleben, war einer der Top-3-Momente meines Sportlerlebens. Es ging um nichts mehr, das war einfach nur die Liebe zum Sport. Das hat mir noch einmal deutlich gezeigt: Genau dafür bin ich im Sport unterwegs. Da bekomme ich heute noch Gänsehaut, das war auch für unsere Mannschaft sehr ergreifend.
Der Großteil dieser Mannschaft ist geblieben. Wie schwierig war es, trotz der tollen Saison die Spieler zu halten?
Zum Glück wurde viele wichtige Verträge schon vorher gemacht. So war unsere Finalteilnahme letztlich das Resultat davon, dass wir an diese Jungs geglaubt haben. Viele unserer Spieler schätzen das Umfeld in Bremerhaven und das Miteinander. Wir müssen es unbedingt bewahren, dass wir gute Charaktere haben, die miteinander auskommen und die sich untereinander etwas gönnen. So etwas ist nicht überall normal. Als ich das in meinen ersten Wochen hier im Verein merkte, habe ich das den Spielern auch genau so gesagt: Jungs, was ihr hier habt, ist etwas ganz Besonderes! Die Jungs haben sich das geschaffen und müssen es nun auch pflegen. Denn dieser Teamgeist ist wertvoll.
War es durch den Erfolg einfacher, neue Spieler zu holen?
Es hat eine Rolle gespielt. Denn die Jungs haben gesehen: Bei den Fischtown Pinguins kannst du etwas gewinnen. Wir sind gerne der Verein, wo die Spieler merken: Da kann ich in einer guten Mannschaft etwas erreichen und muss dafür nicht nach Mannheim, München oder Berlin gehen. Unser gutes Abschneiden war ein Riesenvorteil, um neuen Spielern dieses Gefühl zu vermitteln, dass sie auch in Bremerhaven oben mitspielen können.
Auf welchen Neuzugang können sich die Fans besonders freuen und auf wen sind Sie gespannt?
Zunächst einmal habe ich an alle neuen Spieler eine gewisse Erwartung, wir haben uns ja etwas dabei gedacht, als wir die Jungs verpflichtet haben. Gespannt bin ich persönlich auf unseren neuen Stürmer Max Görtz, mit dem ich noch zusammen gespielt habe. Deshalb weiß ich, was er kann und was er im Tank hat – und dass er ein toller Mensch ist. Er passt gut in unsere Mannschaft. Er hatte zuletzt kein gutes Jahr, dadurch bot sich die Möglichkeit, ihn zu holen. Wir glauben an ihn und geben ihm alles, was er für sein Spiel braucht. Ich bin fest davon überzeugt, dass er zu seiner alten Stärke findet.
Vor dem Start der DEL-Saison am 20. September stehen vier Spiele in der Champions League an. Bei der ersten Teilnahme war die Champions League wie ein Märchen für Bremerhaven, welchen Stellenwert hat sie nun? Sind es kurz vor der Saison nur bessere Testspiele?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Einerseits sind wir total stolz, dabei sein zu dürfen. Und die Verkaufszahlen bei den Tickets zeigen, dass die ganze Stadt sich darauf freut. Deshalb sind es mehr als nur Testspiele. Andererseits: Wir hatten vorher nur drei Tests, mitten in der Champions League beginnt die Liga. Deshalb müssen wir uns natürlich auch einspielen. Wir sehen es positiv: Wir dürfen auf hohem Niveau Eishockey spielen. Darauf freuen wir uns.
Kapitän Jan Urbas hat uns im Interview gesagt, dass er nun von Jahr zu Jahr entscheidet, ob er die Karriere beendet. Er ist 35 Jahre alt – hat er noch mehr als eine Saison im Tank?
Davon gehe ich schwer aus. Jeder tickt etwas anders, wenn er als Profisportler in ein gewisses Alter kommt. Ich musste das auch irgendwann entscheiden. Du musst noch Lust am Spiel haben und bereit sein, dich zu quälen. Im höheren Alter musst du mehr auf die Ernährung achten und auf den Schlaf. Viele Sachen, über die sich ein jüngerer Spieler keine Gedanken zu machen braucht. Du musst auch anders trainieren und überzeugt sein: Das alles ist es mir wert. Wer Jan Urbas im Training sieht, der weiß, mit welchem Ehrgeiz er dabei ist, dass er immer gewinnen will und dass er bereit ist, viel für den Sport zu opfern. Es ist der richtige Weg, dass er sich jedes Jahr neu überprüft. Aber er kann sicher noch länger als eine Saison auf diesem Niveau spielen.
Nach der Ära Thomas Popiesch haben die Pinguins erstmals in der DEL einen neuen Chefcoach: der bisherige Co-Trainer Alex Sulzer. Wie schwer ist das Erbe, das er antritt – und wie geht er damit um?
Thomas Popiesch hat in Bremerhaven eindrucksvolle Arbeit geleistet. Er hatte einen großen Anteil daran, dass der Verein immer in den Play-offs war. Seine Arbeitet gipfelte in den Erfolgen der letzten Saison, als Hauptrunden-Sieger und Finalteilnehmer. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass es keine One-Man-Show war. Es ist nicht so, dass der Cheftrainer ansagt und der Co schiebt im Training die Scheiben von links nach rechts. Das war Teamwork, die Trainer haben sich die Arbeit aufgeteilt, anders geht da heute gar nicht mehr. Alex Sulzer hat viele Bereiche übernommen. Und in dieser Art wird er das weiterführen: Er wird seinem Co-Trainer Aufgaben übergeben, die der eigenverantwortlich meistern muss. Dann fügen wir das zusammen – im Optimalfall gelingt das so gut wie in der vergangenen Saison.