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Illegale Sportwetten Insider gibt Hinweis: SC Vahr-Blockdiek wirft Datenscout vom Platz

Ein Datenscout wird beim Spiel des SC Vahr-Blockdiek gegen den ESC Geestemünde vom Platz gewiesen. Der Verdacht: illegale Sportwetten. Der Hinweis kam von einem Insider mit Wettvergangenheit.
10.09.2024, 18:25 Uhr
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Von Paul Vogt

Freitagabend auf der BSA Blockdiek, Flutlichtspiel in der Bremen-Liga. Der SC Vahr-Blockdiek empfängt den ESC Geestemünde aus Bremerhaven. So weit, so normal in der Bremen Liga. Doch während des Spiels erhält Pierre Balczus, Betreuer der Bremer Mannschaft, einen Anruf. Bei zwei Wettanbietern könne man auf das Spiel wetten. Die Crux: Sportwetten auf Spiele unterhalb der 3. Liga sind in Deutschland illegal.

Datenscouts als Bindeglied der weltweiten Livewetten

Die Live-Wetten deuten darauf hin, dass ein Scout vor Ort live über das Spiel berichtet und die Wettanbieter mit Informationen versorgt. Balczus macht sich auf die Suche nach Personen, auf die die Beschreibungen des Tippgebers passen.

Thomas Melchior weiß, wie sich Datenscouts verhalten. Er ist der Tippgeber, der die Live-Wetten im Internet überwacht und den SC Vahr-Blockdiek angerufen hat. In Deutschland gebe es zwei Firmen, die über Datenscouts Informationen verkaufen, sagt er im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Im Süden sei vor allem die Firma Stats Perfom aktiv. Zu Ihren Kunden gehöre neben Sky Sports und Google auch der Wettanbieter bet365. Im Norden agiere Real Time Sportscast. „Diese beiden Firmen sind das Bindeglied zwischen dem heimischen Sportplatz und den weltweiten Livewetten“, so Melchior.

Beim SC Vahr-Blockdiek versucht Balczus, einen dieser Datenscouts zu identifizieren. Mitte der zweiten Halbzeit entdeckt er eine Person, auf die die Beschreibung passt. Laut Melchior geben die Datenscouts oft Informationen über ein Headset weiter oder tippen alles in ihr Handy. Ecke für Ecke, Schuss für Schuss. Auch auf der Anlage in der Vahr ist der vermeintliche Datenscout mit einem Headset unterwegs, gibt jede Spielsituation auf Englisch durch. Balczus geht auf Konfrontationskurs, fragt, was der Mann da mache, und bittet ihn darum, zu gehen. Dieser beharrt darauf, dass das, was er tue, legal sei.

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Das ist grundsätzlich richtig. Der Verkauf von Informationen allein ist nicht strafbar. Und während in Deutschland das Wetten auf Fußballspiele unterhalb der 3. Liga verboten ist, gilt dies nicht für Wettanbieter aus dem Ausland. Für Thomas Melchior ist aber klar: "Die Datenscouts machen es den Wettanbietern überhaupt erst möglich, Livewetten zu platzieren. Diese werden auch auf Deutsch angeboten, es ist also keineswegs unmöglich, als Zuschauer bei einem Amateurspiel zu sein und gleichzeitig auf das Spiel zu Geld zu setzen. Genau das wäre aber illegal. Zudem, so betont Melchior, öffne das Wetten auf Amateurspiele auch der Spielmanipulation Tür und Tor und verweist auf die aktuellen Berichte über mögliche Manipulationen von 17 Fußballspielen in Deutschland.

Vom Gefängnis in die Schulen

Dass sich Thomas Melchior am Wochenende Live-Wetten anschaut und regelmäßig versucht, Vereine auf Datenscouts aufmerksam zu machen, kommt nicht von ungefähr. 2005 kam er mit Sportwetten in Berührung. „Es hat sofort Klick gemacht. Ich habe viel Zeit in das Wetten investiert und gleich am nächsten Tag 600 Euro auf 40 Wetten gesetzt“, erzählt der gelernte Bankkaufmann. Es folgt der rasante Absturz, Melchior verwettet zeitweise fünfstellige Beträge.

Durch die Sucht verliert er den Kontakt zu seiner Familie und begeht Betrugsdelikte, bevor Anfang 2019 das böse Erwachen kommt. Er wird verhaftet, das Urteil: fünfeinhalb Jahre Haft. Dort schreibt er ein Buch über seine Sucht: „Mein Leben ist kein Spiel“. Er nennt es seinen „Türöffner“ für alles, was er heute tut. 2022 kommt er auf Bewährung frei und will sich fortan gegen Sportwetten engagieren.

Inzwischen ist Thomas Melchior Partner im Bündnis gegen Sportwetten-Werbung, geht mit seiner Lebensgeschichte in Schulen - im Mai war er im Rahmen einer Veranstaltung zur Suchtprävention auch an der Oberschule Roter Sand - oder hilft Amateurvereinen bei der Suche nach Datenscouts. „Ich setze meine Erfahrung ein, um es den Wettanbietern so schwer wie möglich zu machen.“

Hier nimmt Melchior auch die Fußballverbände in die Pflicht. Die Vereine bräuchten unter anderem eine klare und rechtssichere Lösung, um Datenscouts der Anlage verweisen zu können. „Dann wird sich jeder Datenscout zweimal überlegen, ob er das Sportgelände des SC Vahr-Blockdiek betritt.“

Auf dessen Anlage kann Pierre Balczus den Datenscout mit Verweis auf das Hausrecht doch des Platzes verweisen. Um 20:15 Uhr nimmt der letzte Wettanbieter das Spiel von seiner Seite. Ein Sieg für Thomas Melchior und den Amateurfußball. Doch auch an den kommenden Wochenenden werden die Datenscouts unterwegs sein, da ist sich Melchior sicher: "Die Wettanbieter werden weitermachen, dafür geht es einfach um viel zu viel Geld."

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