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Volleyball-Chef Thiemann "Bremen hat mindestens das Potenzial für die 3. Liga"

Volleyball in Bremen: Verbandschef Lars Thiemann sieht großes Potenzial für die Region. Er spricht über Talente, Trainer und Zukunftsperspektiven. Und über Probleme, die es dem Sport nicht leicht machen...
16.09.2024, 13:09 Uhr
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Von Frank Büter

Herr Thiemann, Ende des Monats starten die Volleyballmannschaften in der Region in die Hallensaison. Mit welchen Gefühlen blicken Sie als Verbandschef der neuen Spielzeit entgegen?

Lars Thiemann: Ich freue mich, dass es wieder losgeht, denn nach Olympia ist es immer spannend zu beobachten, ob es an der Basis einen Zulauf in den einzelnen Sportarten zu verzeichnen gibt. Auch unsere Volleyball-Herren haben ja in Paris erfolgreich performt und für Begeisterung gesorgt.

Wie sehen Sie den Bremer Volleyballsport aufgestellt?

Der Volleyball in Bremen ist gewachsen in den letzten Jahren. Das belegen vor allem die Meldezahlen bei den Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren. Das ist ermutigend. Und diesen Trend wollen wir fortsetzen.

Was genau können oder sollten die Vereine tun, um für Jugendliche interessant zu bleiben beziehungsweise interessant zu werden?

Es sind aus meiner Sicht drei Faktoren, über die wir uns Gedanken machen müssen. Zum einen müssen wir das Konzept der Ganztagsschule ab 2026 berücksichtigen und schauen, ab wann uns die Jugendlichen im Tagesverlauf zeitlich überhaupt zur Verfügung stehen. Darauf müssen wir unsere Angebote ausrichten. Der zweite Faktor ist die Infrastruktur. Die neue Doppelsporthalle an der Ronzelenstraße ist ein Traum, aber wir haben viele Hallen in Bremen, die in einem nicht so guten Zustand sind. Das ist ein Dilemma.

Und was ist der dritte Punkt?

Das ist die Frage nach den Trainern. Und da müssen wir eine richtig gute Antwort finden, denn die Trainer sind die Schlüsselpositionen, wenn es darum geht, Jugendliche zum Volleyball zu holen und auch dort zu halten.

Was genau sollten die Trainer mitbringen?

Vor allem müssen sie verlässlich da sein und gut mit Kindern umgehen können. Sie sollten Spaß und auch das Spiel vermitteln können. Gerade beim Volleyball dauert es eine Zeit, bis du eine gewisse Spielfähigkeit hast. Das gilt es möglichst schnell zu erreichen, denn sonst sind die Jugendlichen auch schnell wieder weg. Es gibt einfach zu viele Alternativen, sich in der Freizeit zu beschäftigen oder abzulenken.

Sie sagen, der Trend stimmt und die Mitgliederentwicklung sei positiv. Im Leistungsbereich ist davon in Bremen aber aktuell nichts zu spüren. Die Frauen von Eiche Horn und die Herren von Bremen 1860 spielen als höchste Mannschaften jeweils nur in der Regionalliga. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Ehrlich gesagt: nein. Ich glaube schon, dass Bremen das Potenzial besitzt, im Frauen- und im Herrenbereich je eine Mannschaft mindestens in der 3. Liga, besser noch in der 2. Bundesliga zu haben. Wir haben eine gute Basis – hier wird eine hervorragende Jugendarbeit geleistet.

Die Früchte dieser Arbeit ernten aber häufig andere Klubs beziehungsweise die Leistungszentren. Julian Hoyer, Sunna Milz, Luisa Durisova – das sind exemplarisch nur drei Talente, die Bremen zuletzt verlassen haben und an einen Stützpunkt gewechselt sind. Was müsste passieren, um diesen Talenten in Bremen eine Perspektive zu bieten?

Darauf habe ich keine Antwort. Realistisch betrachtet, sehe ich hier absehbar kein Team höherklassig in der 2. oder gar 1. Bundesliga spielen. Der Weg dahin dauert. Und die eben genannten Talente wollen jetzt schon dahin, wo du mit deinem Verein vielleicht erst in ein paar Jahren bist. Grundsätzlich möchte ich aber auch festhalten: Wenn diese Top-Talente in unseren Vereinen die Grundlagen erhalten haben, an einen Stützpunkt zu wechseln und in der Bundesliga zu spielen, dann haben wir unseren Ausbildungsauftrag bestmöglich erfüllt.

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Trotzdem schmerzt es doch, Jahr für Jahr Talente zu verlieren. Wäre es nicht dringend nötig, in Bremen die Kräfte zu bündeln, um höherklassig vertreten zu sein und so als Volleyballstandort für mehr Attraktivität zu sorgen?

Natürlich wäre es schön, ein Zugpferd zu haben, das dem Nachwuchs eine Perspektive bietet und auch für Geldgeber interessant ist. Das wäre spannend, aber als Verband können wir da nur mit Netzwerk unterstützen. Hier sind die Vereine selbst gefragt. Eine Konzentration der Kräfte im Leistungsbereich könnte ein guter Weg sein, es ist aber unwahrscheinlich schwer, alle mitzunehmen. Man müsste offen darüber reden. Man müsste klären, wer dabei welche Rolle spielen soll und vielleicht auch die jungen Talente frühzeitig mit einbinden. Dann könnte es klappen.

Gäbe es noch weitere Möglichkeiten, um für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen?

Die Vereine müssten die Heimspieltage noch viel mehr als Event gestalten. Es muss schick sein, zu einem Heimspiel von Eiche Horn oder 1860 zu gehen. Dafür böte dann auch die neue Halle an der Ronzelenstraße wieder ganz andere Möglichkeiten.

Das klingt gut, doch warum wird da Ihrer Meinung nach zu wenig gemacht?

Die Trainer, die Abteilungsleiter – das sind in den Vereinen oft Alleinunterhalter. Du brauchst Visionen – und du brauchst Mitstreiter. Um so etwas umzusetzen, benötigst du eine gewisse Anzahl von Leuten. Und daran krankt es.

Bei vielen Trashformaten im Fernsehen bekommen die Teilnehmer mehr Geld als ein Olympiasieger. So etwas ist ein Unding.
Lars Thiemann

Wie sieht es allgemein mit der Wahrnehmung der Sportart in der Öffentlichkeit aus?

Volleyball besitzt grundsätzlich ein gutes Image. Unser Problem ist aber der fehlende Stellenwert des Sports insgesamt in Deutschland.

Was konkret bemängeln Sie?

Nun ja, bei vielen Trashformaten im Fernsehen bekommen die Teilnehmer mehr Geld als ein Olympiasieger. So etwas ist ein Unding. Außerdem ist der Sportunterricht das Schulfach in Deutschland, das immer als erstes ausfällt. Und wenn man sich mal den Sporthaushalt speziell in Bremen anschaut und die Aufwendungen für das Schwimmen abzieht, dann bleibt da doch fast nichts übrig. Der Sport hat eine wichtige soziale Funktion, ist gesundheitsfördernd und integrativ – nur kosten soll er nichts. Das geht so nicht.

Was wäre aus Ihrer Sicht nötig, um das zu ändern?

Eigentlich müssten wir uns viel stärker für unsere berechtigten Interessen einsetzen und vielleicht auch in der Öffentlichkeit vehementer auftreten – aber dafür sind wir Sportler leider in unserem Denken immer zu lösungsorientiert.

Das Gespräch führte Frank Büter.

Zur Person

Lars Thiemann (55)

ist seit Juni 2023 Präsident des Nordwestdeutschen Volleyball-Verbandes (NWVV) und als Regionsvorsitzender auch für den Volleyball in Bremen verantwortlich. Thiemann arbeitet als Bankkaufmann; er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Zur Sache

Diskussionen um den Spielball

Die Bälle sind im Volleyball bundesweit gerade ein großes Thema. Genauer gesagt geht es um die Marke der Bälle und die Kosten. Unter dem Dach der Ligavereinigung VBL, also in den 1. und 2. Bundesligen, spielen die Teams mit Bällen der Firma Mikasa. In den 3. Ligen und den Regionalligen, die unter der Verantwortung des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) stehen, wird ebenfalls noch mit Mikasa gepritscht, zu Beginn des neuen Jahres aber steht ein Wechsel zu Molten an. Der DVV hat mit dem Hersteller einen Fünfjahresvertrag bis Ende 2029 abgeschlossen. In den unteren Spielklassen der 17 Landesverbände wiederum gibt es verschiedene Verträge mit beiden Ballpartnern; das Verhältnis ist in etwa ausgeglichen.

Im Bereich des Nordwestdeutschen Volleyball-Verbandes (NWVV), dem auch Bremen als Region angehört, spielen die Mannschaften mit Mikasa; der Vertrag läuft noch bis zum Jahresende. Zurzeit wird auch hier intensiv diskutiert, wie es danach weitergehen soll. Dabei geht es wie so oft um die Kosten. Man müsse schon triftige Gründe haben, um eine gute Partnerschaft zu beenden, sagt NWVV-Präsident Lars Thiemann. Zudem seien bei vielen Klubs noch größere Mikasa-Ballbestände vorhanden, die man auch in den kommenden Jahren noch gut nutzen könnte. Vor dem Hintergrund würde es also Sinn machen, den Vertrag noch einmal langfristig zu verlängern, betont Thiemann. Andersherum werde es aber auch Vereine geben, die Mannschaften in NWVV- und DVV-Ligen am Start hätten und sich somit neben Mikasa auch Molten anschaffen müssten. „Das ist eine blöde Situation“, sagt Thiemann angesichts entstehender Mehrkosten. Eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen.

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