Immer wieder melden sich falsche Polizisten bei älteren Menschen am Telefon, um sie um Geld und Schmuck zu betrügen. Nach Erkenntnissen der echten Polizei kommen viele der Täter aus Bremen.
Mitte Juni steht in Aschaffenburg ein Trickbetrüger vor Gericht. Der Mann kommt aus Bremen. Sein Bruder rekrutierte von der Türkei aus mehrere sogenannte Abholer. Nach Erkenntnissen der Polizei kommen sie allesamt aus Bremen. Und mussten auch die ergaunerte Beute bei einem Hintermann in Bremen abliefern.
In München wurde unlängst ein weiterer Abholer festgenommen – er stammt aus Bremen. Und auch in Kiel wird dieser Tage gegen einen Mann ermittelt, der mit der Telefon-Betrugsmasche „Falscher Polizist“ unterwegs ist – ebenfalls ein Bremer. „Wo immer derzeit in Deutschland einer dieser Trickbetrüger festgenommen wird, führt eine Spur nach Bremen“, fasst ein Insider aus Reihen der Polizei zusammen.
Die Kommandoebene für diese Betrügereien sitzt laut Polizei fast immer im Ausland, gemeint ist damit die Türkei. Gleiches gilt für die Callcenter, von denen aus die betrügerischen Anrufe kommen. Die lokalisieren die Sicherheitsbehörden vor allem in der türkischen Stadt Izmir. Doch Bremen sei sozusagen eine Kernzelle für diese Art von Delikten, erklärt der Polizist gegenüber dem WESER-KURIER. Und so wie er das sagt, schwingt leise Kritik mit: „Mit diesem Wissen könnten die in Bremen sich schon ein bisschen besser aufstellen.“
Opfer unter Druck gesetzt
Die Masche der Betrüger hat sich im Laufe der Jahre entwickelt. Den Anfang machten die Gewinnspiel-Versprechen. Auch hierbei waren schon Callcenter im Einsatz. Den Opfern wurden ein hoher Bargeldgewinn, Traumreisen und Nobelkarossen versprochen. Doch dafür galt es, vorab eine Gebühr zu überweisen. Wer dies tat, bekam später nicht selten wieder Anrufe.
Diesmal von vermeintlichen Polizisten oder Staatsanwälten. Man habe doch seinerzeit Geld an Betrüger überwiesen, wurde den Opfern vorgehalten. Das sei bei islamistischen Terrorgruppen gelandet, weshalb ihnen als Überweiser des Geldes nun ein Strafverfahren drohe. Es sei denn, sie würden jetzt sofort eine Geldbuße überweisen.
Bei der aktuellen Masche melden sich falsche Polizisten am Telefon bei ihren in der Regel älteren Opfern und warnen sie vor einem bevorstehenden Raubüberfall, dem die Polizei auf die Schliche gekommen sei. Die Opfer werden dabei so sehr unter Druck gesetzt, dass sie „zur Sicherheit“ Bargeld und Schmuck an die falschen Polizisten übergeben – die besagten Abholer.
Von denen geht der Polizei immer mal wieder einer ins Netz. Erst im April wurden zwei von ihnen vom Landgericht Bremen verurteilt. Doch die Abholer sind nur das Ende der professionell betriebenen Betrugskette, oft Kleinkriminelle oder Menschen in schwierigen Lebenslagen. Sie werden von den Hintermännern angeworben und wissen meist nicht mehr, als dass sie eine Plastiktüte von A nach B transportieren sollen.
Gewinnträchtige Masche
Nach Erkenntnissen der Polizei werden die Abholer häufig im Freundes- und Familienkreis der Hintermänner rekrutiert. Immer wieder tauchten dabei dieselben Namen auf, so der Insider. Dabei soll es sich zumeist um Namen kurdisch-libanesischer Familienclans handeln. Was wiederum den Bezug nach Bremen erklären könnte.
Die Masche ist gewinnträchtig. Die Polizei kennt Fälle, bei denen ein einziger Anruf zur Übergabe von einer Million Euro geführt hat. Das wiederum ruft auch andere auf den Plan. Aus Nordrhein-Westfalen ist ein Fall bekannt, bei dem sich ein wegen Mordes gesuchtes Mitglied des Motorradclubs Hells Angels in die Türkei abgesetzt hat, wo es nun ein Callcenter betreibt.
Überhaupt tummeln sich in dieser Branche jede Menge Menschen, die in Deutschland mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, berichtet der Insider und erzählt von einem Mann, der bis vergangenen August in Deutschland in Haft saß, dann mittellos in die Türkei ausreiste und von dort seit Dezember Fotos am Pool oder mit dickem Auto auf Facebook postet.
Was zeitlich zu einem Ansteigen der Fallzahlen passte, das dann aber abrupt mit der Verhaftung des Bruders dieses Mannes wieder endete. „Als Abholer war auch in diesem Fall übrigens ein Mann aus Huchting unterwegs.“
Von „deutschlandweiter Kernzelle“ für diese Art Trickbetrugs zu sprechen, geht Bremens Kripo-Chef Daniel Heinke zu weit. Dass Bremen in dieser Hinsicht von „deutlich überregionaler Bedeutung“ sei, sieht aber auch er so. Die Befindlichkeiten anderer Polizeibehörden bezüglich der Aktivitäten Bremens gegen diese Betrüger kennt Heinke, hält aber dagegen. „Wir hatten in diesem Deliktfeld schon mehrere komplexe Verfahren und auch Verurteilungen. Und wir sind hier weiterhin aktiv.“
„Klassische BKA-Aufgabe“
Andererseits sei die länder- und sogar staatenübergreifende Tatbegehung mit immensem Ermittlungsaufwand verbunden. Wegen der internationalen Bezüge handelt es sich für Heinke „geradezu klassisch um eine Aufgabe, die das Bundeskriminalamt entweder alleine oder gemeinsam mit mehreren Ländern wahrnehmen müsste“.
Da scheinen die Betrüger besser aufgestellt. Fernab von Föderalismusstrukturen und Debatten um Personalkosten haben sie laut Polizei das millionenträchtige Geschäftsmodell mit Callcentern und falschen Polizisten weiter ausgebaut. In Polen würden derzeit Täter nach der exakt selben Masche vorgehen, heißt es. In diesem Fall sollen die Hintermänner allerdings osteuropäischen Hintergrund haben. Nach bisherigen Ermittlungen der Polizei weisen die Spuren nach Huchting.