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Studie im Blockland Zu viele Schadstoffe in der Wümme

Die Wasserqualität der Wümme bleibt unbefriedigend. Das sagt eine Biologin aus dem Bremer Umweltressort. Bremen halte die Wasserrahmenrichtlinien bis 2027 nicht ein. Was sind die Gründe?
09.03.2022, 07:13 Uhr
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Zu viele Schadstoffe in der Wümme
Von Petra Scheller

Frau Völkel, bis 2027 sollen die europäischen Gewässerschutzziele erreicht werden. Sie haben die Wasserqualität der Wümme, des Maschinenfleetes und der Kleinen Wümme geprüft – mit welchem Ergebnis?

Martina Völkel: Mit Blick auf Nährstoffe, die für ein vermehrtes Wachstum von Algen sorgen, ist die Lage unproblematisch. Nitrat-, Stickstoff- und Phosphor-Konzentrationen liegen für alle drei Gewässer unter den Werten, die nach Experteneinschätzung für die Lebensgemeinschaften in Gewässern zu Belastungen führen können.

Also, alles im Lot?

Nein. Denn mit Blick auf die Schadstoffe ist das Ergebnis weniger rosig. Es kommt in der Kleinen Wümme bei drei Schadstoffen zu Überschreitungen der zulässigen Konzentration: Bei Zink, das könnte beispielsweise aus Dachrinnen kommen, bei dem in Deutschland bereits verbotenen Weichmacher PCB sowie bei einem Mittel gegen Insekten. Zwei weitere Schadstoffe, Quecksilber und das in Kleidung und Kunststoffen eingesetzte Flammschutzmittel PBDE, die einer europäischen Richtlinie unterstellt sind, kommen überall in der Umwelt vor.

Nicht nur im Blockland?

Nein, deutschlandweit werden ihre Grenzwerte in den Gewässern überschritten und der sogenannte chemische Zustand ist nicht gut – somit auch in den Blocklandgewässern und der Wümme. In der Kleinen Wümme wird zusätzlich der Grenzwert von Tributylzinn überschritten.

Eine der giftigsten Chemikalien, die Menschen in die Umwelt tragen.

Tributylzinn wurde früher als Antifouling-Farbe bei Schiffen verwendet. (Anm.d.Redaktion: Fouling ist die unerwünschte Ansiedlung von Organismen an Oberflächen.) Sie ist seit 2008 weltweit verboten. Es handelt sich quasi um eine Altlast, die sich stetig verringert.

Wie sieht es mit Tieren und Pflanzen in den Blocklander Gewässern aus?

Wir haben mit dem Maschinenfleet erfreulicherweise das erste Gewässer, das in Bremen die ökologischen Ziele erreicht. Die Kleine Wümme ist auf einem guten Weg, aber leicht beeinträchtigt durch Mischwassereinträge. In beiden Gewässern führt das Vorkommen vieler Wasserpflanzen zu einem relativ hohen Artenreichtum. In der Wümme allerdings macht der Tidenhub den Pflanzen und Tieren zu schaffen.

Bislang wurde der ökologische Zustand der Wümme als „unbefriedigend“ bezeichnet. Hat sich der Zustand verbessert?

Nein. Er ist so geblieben. Allerdings muss man sich das genau ansehen: In der Wümme werden Fische, wirbellose Tieren und größere Pflanzen zur Bewertung des ökologischen Zustands herangezogen. Am besten haben bisher die Fische abgeschnitten. Sie pendeln in der Bewertung zwischen gut und mäßig. Die Pflanzen bewegen sich hingegen an der Grenze zwischen mäßig und unbefriedigend. Am deutlichsten leiden die auf dem Gewässerboden lebenden wirbellosen Tiere unter dem unnatürlich hohen Tidenhub in der Wümme, der eine Folge der Weserausbauten ist – sie erreichen nur ein Unbefriedigend.

Bis 2027 sollen die Gewässer nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie als "gut" gekennzeichnet werden. Wie sind die Aussichten?

Es ist abzusehen, dass aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen und Hindernisse die Ziele bis 2027 in Bremen, wie auch bundesweit, nicht in allen Gewässern erreicht werden. Trotzdem sollen die Ziele nicht verringert werden, da sind sich alle Umweltminister und die Bundesregierung einig. Die Zielerreichung wird dann nach 2027 sein.

Welche Hindernisse gibt es?

Gewässer brauchen Raum, um sich zu entwickeln. Die Kleine Wümme beispielsweise hat sehr steile Ufer. Links und rechts werden Flächen bewirtschaftet, es gibt Kleingärten und private Grundstücke. Niemand will hier fünf Meter von seinem Eigentum abgeben, damit dort flachere Gewässerbereiche geschaffen werden können. Das ist aber notwendig, damit vielfältige Lebensräume für Pflanzen und wirbellose Tiere wie Libellen, Schnecken und Muschel entstehen. Das Beispiel lässt sich auf fast alle Gewässer in Bremen übertragen. Bei der Wümme gibt es zwar mehr Raum, hier liegt es aber, wie gesagt, am Tidenhub.

Welche Strategie gibt es, um die Ziele langfristig zu erreichen?

Wir wollen, dass Renaturierungsmaßnahmen an den Flussufern stattfinden. Die Gewässer müssen durchgängig fließen, Schleusen und Stauanlagen müssen von Tieren überwunden werden können. Belastetes Regenwasser muss gesammelt und geklärt werden, bevor es in die Gewässer eingeleitet wird. Für die Wümme ist die Reduzierung des Tidenhubs ein wichtiger Baustein.

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Wann können die Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinien realistischerweise erreicht werden?

Das ist unterschiedlich. Das Maschinenfleet hat das ökologische Ziel bereits erreicht. Für die Kleine Wümme rechnen ich in den kommenden 15 Jahren damit. Bei der Wümme ist die Prognose schwierig, sie hängt wesentlich davon ab, ob die Wasserstandsschwankungen reduziert werden können – ohne den Hochwasserschutz für Bremen zu verschlechtern. Auch beim chemischen Zustand ist der Zeitpunkt sehr schwer abzuschätzen, da einige der Stoffe – obwohl teilweise verboten – überall in der Umwelt vorkommen und schwer abbaubar sind.

Das Gespräch führte Petra Scheller.

Zur Person

Martina Völkel (51)

ist die Hüterin der Wasserqualität von Flüssen, Bächen und Seen. Die Diplom-Biologin prüft für die Bremer Umweltsenatorin, wie sich die Einträge aus der Landwirtschaft, aus Kläranlagen und das Regenwasser auf die Bremer Wasserqualität auswirken.

Zur Sache

Langjährige Untersuchungen

Die Gewässer Wümme, Maschinenfleet und Kleine Wümme werden als Gewässer im relevanten Gewässernetz der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) seit dem Jahr 1975 regelmäßig untersucht. Detaillierte Untersuchungsergebnisse gibt es unter https://www.bauumwelt.bremen.de/umwelt/wasser-23480 und unter  https://www.bauumwelt.bremen.de/umwelt/wasser/wasserrahmenrichtlinie-wrrl-28857

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