Herr Garbade, ein Investor plant einen Windpark im St. Jürgensland. Vom Blockland aus würde man direkt draufgucken. Wie ist Ihre Meinung als Nachbar dazu?
Hilmer Garbade: Es ist mittlerweile gängig, dass überall Windräder stehen. Wir brauchen dezentrale Energieversorgung. Das sind nun mal auch die Windräder. Ich kann jeden verstehen, der da nicht draufgucken will. Ich würde auch keins direkt hinter meiner Stube stehen haben wollen, nichtsdestotrotz brauchen wir sie. Wir haben im vergangenen Jahr deutlich gemerkt, dass wir uns unabhängig machen müssen.
Sie haben nichts dagegen, wenn die Firma Baywa Renewable Energy 16 Anlagen mit einer Höhe von 200 Metern im benachbarten Landschaftsschutzgebiet bauen würde?
Nein, generell habe ich nichts dagegen. Wir blicken jetzt schon auf Windräder. Das stört mich nicht. Es kann sein, dass man die Anlagen in zwei Generationen wieder abbauen kann, aber unsere Generationen müssen jetzt damit leben. Es gibt Mindestabstände und Regeln beim Aufbau. Wir brauchen Windräder – und wir brauchen viele davon.
Die Höhe schreckt sie nicht?
Die Windräder werden immer höher. Das ist auch richtig, um Effektivität zu schaffen. Ob das nun 20 Meter höher ist oder nicht, das sehe ich letztendlich nicht mehr. Natürlich muss man die Bürger und die Beiräte intensiv am Entstehungsprozess beteiligen und anhören, auf Wünsche und Bedenken eingehen. Man muss die Leute mitnehmen, sie finanziell beteiligen, damit die Projekte schnell umgesetzt werden können. So ein Prozess darf nicht zehn Jahre dauern. Wichtig ist: Nicht nur die Landbesitzer sollten an einem Windpark verdienen, auch alle anderen drumherum müssen beteiligt werden.
Was ist mit denen, die ein bisschen weiter entfernt wohnen?
Auch da sollte es Beteiligungen geben – beispielsweise über Bürgerwindparks, da können Anwohner Aktien erwerben. Es gibt sichere Renditen und garantierte Vergütungen. Gerade jetzt in der Hochpreisphase gibt es dafür richtig Geld. Für unsere Flächen an der Ritterhuder Heerstraße waren auch Windräder geplant – wir hatten die Verträge schon fertig, aber da ist ein Vogelschutzgebiet. Jetzt stehen die Räder 50 Meter weiter – und ich habe nichts davon. Ich habe die Windradflächen zwar auch gepachtet, werde jedoch nicht beteiligt. Das schafft Unmut. Und den sollte man zukünftig vermeiden.
Wird das Verpachten von landwirtschaftlichen Flächen zur Erzeugung grüner Energie ein Zukunftsmodell für die Region werden?
Ja, auf jeden Fall. Allerdings mit einer Einschränkung: Die Produktion von Lebensmitteln sollte stets Vorrang haben. Und das sage ich ausdrücklich als Bremischer Landwirtschaftspräsident. Wir wollen weiter Lebensmittel produzieren. Das ist unser erstes, vorrangiges Ziel. Wie wichtig das ist, sehen wir jetzt – Stichwort Klimakrise, Ukraine-Krieg, Energiekrise. Wir müssen die Dinge zusammendenken. Wenn ich eine attraktive Rendite für die Verpächter von landwirtschaftlichen Flächen schaffe – beispielsweise für Solar-Parks oder Windparks – und dieser Verpächter nimmt den produzierenden Landwirten die Flächen weg, weil er von einem Windpark-Unternehmen mehr Geld bekommt als von einem Landwirt, dann habe ich einen Interessenskonflikt.
Wie soll der gelöst werden?
Wenn ein Hof seit vier Generationen nicht mehr in Betrieb ist und die Nachkommen wohnen irgendwo in München und verpachten die Flächen, dann sollen sie anders beteiligt werden als die aktiven Landwirte. Darauf machen wir die Politik aufmerksam: Wir sagen, macht eine Folgenabschätzung! Generell ist Flächenverpachtung zur Erzeugung von grüner Energie jedoch zu befürworten, weil sie das Einkommen aktiver Betriebe sichern kann.
Wer sollte den Prozess moderieren?
Das muss man genau abwägen. In der Vergangenheit sind bei solchen Prozessen schon Dörfer auseinandergebrochen und echte Feindschaften entstanden. Das muss man verhindern. Es sollten möglichst viele etwas von den Gewinnen abhaben. Dafür gibt es Gemeinderäte und in Bremen die Beiräte – die sollten die Gespräche auch anschieben. Akzeptanz schafft man über Geld und durch das Wissen um die Notwendigkeit.
Sollte man die Raumordnungsprogramme zugunsten der Windparks ändern?
Das ist die Frage, die wir uns gemeinsam stellen müssen. Auch im St. Jürgensland ist es ja nicht sicher, wie die Politik das steuern wird. Gibt man Naturschutzgebiete zukünftig für Windparks frei? Ich finde ganze Parks oft schwierig – besser ist es, die Windräder an einer Straße oder an Wegen zu verteilen. Dann ist das nicht so massiv. Wichtig ist es, sich mit den Details zu befassen – beispielsweise bei den Fotovoltaik-Parks: Stelle ich die Flächen einfach voll oder wähle ich Agri-PV, da gibt es eine Doppelnutzung. Das wird bislang beim Obstanbau genutzt. Die Anlagen stehen auf Ständern, darunter kann Obst wachsen oder es können Tiere darunter weiden. Auch für wiedervernässte Moorflächen wäre das möglicherweise eine gute Option.
Gibt es im Blockland geeignete Flächen für grüne Energieerzeugung?
Ja, klar. Auf Dächern von Häusern und Ställen für PV-Anlagen. Und natürlich gibt es hier auch genug Flächen für Windkraft – mein Vorschlag wäre, entlang am Maschinenfleet und an der Hemmstraße bis zur Müllverbrennungsanlage eine ganze Reihe mit Windkrafträdern entlangzuziehen. Natürlich müsste man das prüfen. Ich finde aber, wir sollten mehr darüber diskutieren. Möglichkeiten zur Förderung grüner Energie gibt es genug. Und man muss die Windräder nicht mitten ins Blockland stellen. Es gibt inzwischen so viele Möglichkeiten – PV-Hecken, Agri-PV-Anlagen. Das sollten wir prüfen und abwägen. Wir brauchen Effektivität. Das darf jetzt nicht mehr zehn Jahre dauern, bis so ein Windpark steht.