Sie werden beschimpft, gedemütigt, geschlagen – und es gibt auch Fälle, in denen die Opfer getötet werden: In Bremen werden seit einigen Jahren immer mehr Fälle häuslicher Gewalt in der Kriminalstatistik registriert. In über 80 Prozent sind Frauen die Opfer, die Täter sind meistens Ehepartner oder Lebensgefährten.
„Allein im vergangenen Jahr waren es rund 2000 Fälle“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Wilhelm Hinners, am Mittwoch in der Bürgerschaft. Die Christdemokraten hatten eine Große Anfrage an den Senat und einen Dringlichkeitsantrag für die Parlamentssitzung gestellt.
Die Fraktion forderte darin unter anderem eine bessere Ausstattung der Hilfsprojekte für die Opfer häuslicher Gewalt, eine zwingende Teilnahme der Täter an Anti-Aggressions-Kursen, Täter-Opfer-Ausgleichen und psychologischen Beratungsgesprächen sowie eine Studie, um die tatsächliche Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt zu ermitteln.
Hilfs- und Beratungsangebote besser ausstatten
Auch die FDP ging mit einem Dringlichkeitsantrag in die Bürgerschaftssitzung. Die Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner forderte den Senat auf, einen Zwischenbericht bis zum Ende des Jahres vorzulegen, wie bereits festgestellte Defizite bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt aufgearbeitet wurden und wie Beratungsangebote personell und finanziell ausgestattet sind.
„Besonders wichtig ist auch, dass Frauenhäuser mit Sprachproblemen bei Migrantinnen umgehen können“, betonte Steiner. Die Häuser müssten finanziell so gut ausgestattet sein, dass sie Dolmetscher hinzuziehen könnten und es einen angemessenen Betreuungsschlüssel gebe. Beide Anträge wurden abgelehnt, fraktionsübergreifend waren sich die Abgeordneten aber einig, dass Hilfs- und Beratungsangebote besser ausgestattet werden müssten.

Lencke Steiner (FDP) und Wilhelm Hinners (CDU) hatten Anträge zum Thema "Häusliche Gewalt" in der Bürgerschaft eingereicht.
Und: Dass Opfer darin gestärkt werden, sich schneller als bisher an die Polizei wenden und Anzeige erstatten. Hinners: „Warum wir so wenig über die tatsächliche Zahl der Delikte wissen, liegt unter anderem an der geringen Anzeigebereitschaft.“ Der CDU-Abgeordnete geht von einem Dunkelfeld aus, das bei etwa 30 Prozent der Fälle liege.
Oft bekommen Kinder Gewalt mit
Diesen Aspekt betonte auch der Staatsrat der Innenbehörde, Thomas Ehmke: In vielen Fällen würden Anzeigen zurückgenommen, aus Sorge um die Kinder, aus Angst oder Scham. Oft sei es auch nicht die Beziehung zwischen Täter und Opfer, die der Grund dafür sei, keine Anzeige zu erstatten. Druck komme häufig auch aus dem sozialen Umfeld. „Das heißt, die Opfer sind in diesem Moment allein. Unser Job ist es, sie stark zu machen“, sagte Ehmke.
Etwa die Hälfte der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen lebten zum Tatzeitpunkt mit dem Täter in einem Haushalt, wie aus der Antwort des Senats auf die CDU-Anfrage hervorgeht. In vielen Fällen gebe es Kinder, die die Gewalt mitbekämen oder auch Opfer würden, betonte Hinners.
„Das ist vor allem auch deshalb fatal, weil ein Rollenbild geschaffen wird, in dem Männer die Gewaltbereiten und Mädchen die Opfer sind. Das ist ein Teufelskreis, den wir dringend durchbrechen müssen, indem wir die Opfer ermutigen, früher Anzeige zu erstatten und aus der gewalttätigen Beziehung rauszugehen.“
Geringe Verurteilungsquote
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Sybille Böschen, vermutet, dass Frauen auch deshalb von einer Anzeige absähen, „weil sie das, was danach kommt, nicht aushalten wollen“. Sie fordert unter anderem verbesserte Vernehmungssituationen. „Die geringe Verurteilungsquote lässt uns alle erschrecken, da gibt es durchaus etwas zu tun“, betonte sie.
Seit 2000 gibt es eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe „Häusliche Gewalt“, die bei der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) angesiedelt ist. Regelmäßig legt sie einen Bericht über den aktuellen Stand, Projekte und neue Schwerpunkte vor. Für den nächsten Bericht im kommenden Jahr hatte der Senat die Arbeitsgruppe aufgefordert, Maßnahmen zur besseren Unterstützung von Kindern und Jugendlichen vorzulegen.