Ziemlich weit draußen, weit weg von allen Szenekneipen, liegt die "Pusta-Stube" direkt am Blocklander Wümme-Deich. Das gelb geklinkerte Häuschen ist seit den 1970er-Jahren Kult. Regelmäßig kommen Reporter, Blogger und Fernsehteams vorbei, um sich von hier aus auf die Spuren von Therese und Janos Hergott zu begeben – den Großeltern von Sophie und Rosa Staffeldt. Die Schwestern laden für Sonnabend 16. September, ab 14 Uhr zu einer großen Geburtstagsfeier ein – die Pusta-Stube wird 50 Jahre alt. Eine Reminiszenz an unsere Großeltern", kündigt Sophie Staffeldt an.
Als "Seven Hungarias" traten die Großeltern, Therese und Janos Hergott, einst mit dem ungarischen Staatszirkus weltweit auf. Das Glamour-Paar traf Sänger wie Frank Sinatra in New York, Revolutionär H? Chí Minh in Vietnam und Revolutionsheld Che Guevara auf Kuba, bevor es in den Westen floh. Direkt am Wümme-Ufer, im Oberblockland 5, eröffneten die Hergotts 1973 eine Kneipe für Bauern, Künstler und Polit-Prominenz.
Party am Wümme-Ufer
Die Enkelinnen der Kneipengründer organisieren für den runden Geburtstag Bands, Fingerfood und Getränke – für ein rauschendes Fest. Ganz ungezwungen zwischen Kühen und Reetdachhäusern soll die Party draußen am Wümme-Ufer stattfinden. Wer per Boot kommt, kann den hauseigenen Anleger nutzen.
Der politische Aktivist Rudi Dutschke traf hier in den 70er-Jahren auf Außenminister Genscher. Die deutsch-amerikanischen Zauberkünstler und Dompteure Siegfried und Roy gehörten zu den illustren Gästen, genauso wie Peter Frankenfeld und Trotzkist Ernest Mandel. Auch Schauspieler Moritz Bleibtreu kehrt bei den Staffeldts ein.
"Das liegt wohl an seinen ungarischen Wurzeln", vermutet Kornelia Staffeldt, Inhaberin der Pusta-Stube, Tochter der Gründer und Mutter der Geburtstagsparty-Organisatorinnen. Die studierte Architektin hatte sich Anfang der 2000er-Jahre, nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters, bewusst für ein Leben am Tresen der Pusta-Stube entschieden und veranstaltet hier seit über 20 Jahren Konzerte und Lesungen. "Hier haben sich schon immer Bauern in Gummistiefeln und Wirtschaftsbosse in Nadelstreifen getroffen", sagt sie. Die gebürtige Engländerin hat ihre Kindheit im Wohnwagen verbracht.
Viele Erinnerungsfotos
An den Wänden der Pusta-Stube hängen Erinnerungsfotos – dicht nebeneinander. Dazwischen Zirkusplakate aus den 1950-er Jahren. Zu jedem Plakat gibt es eine Anekdote. "Billy Smart's Christmas Circus" steht in Großbuchstaben auf einem Plakat an der Kneipenwand. Über der Ankündigung für die Queens Hall ist ein Trapez zu sehen. Das Erinnerungsstück dazu steht im Garten – eine Installation mit bunten Gießkannen.
Ein tannengrüner Bollerofen heizt die gemütliche Kult-Kneipe im Winter. Für die Geburtstagsparty hoffen Sophie und Rosa Staffeldt jedoch auf schönes Wetter. "Die Party soll auf jeden Fall draußen stattfinden", sagen die Staffeldt-Töchter. Die 32-jährige Sophie Staffeldt arbeitet hauptberuflich als Bio- und Geografielehrerin an einem Vegesacker Gymnasium. Die 29-jährige Rosa Staffeldt ist Projektmanagerin und Studentin. Beide können sich noch gut an ihre Großeltern erinnern. "Aber so richtige Zirkusatmosphäre kennen wir nur von anderen Verwandten aus der Familie. Da haben wir uns mal die Vorstellungen angesehen und durften mit im Wohnwagen übernachten", erinnert sich Rosa Staffeldt.
Als Kind habe sie das Zirkusleben noch sehr romantisiert, berichtet Sophie Staffeldt. "Aber mit dem älter werden hat sich der Blick darauf auch ganz schön geändert", räumt die Lehrerin ein. Sie frage sich oft, "wie sind unsere Großeltern hier so angekommen? 1973? Sie waren hier bestimmt völlig exotisch", vermutet die 32-Jährige.
Von morgens bis abends Gäste
Ihre Mutter Kornelia Staffeldt bestätigt das: "Sie waren exotisch, doch das passte in die Zeit. Die Gäste kamen von morgens bis abends in die Pusta-Stube und machten Party", erinnert sich die Kneipen-Inhaberin. Wer sich neben dem Ofen am Süßigkeiten-Tresen vorbeidrängelt, an Gläsern mit Mäusespeck, Zucker-Muscheln und Brause-Lollies vorbei, landet automatisch in der klitzekleinen Küche. Auf zwei mal vier Metern wurde hier täglich gekocht. In Einbauschränken verstecken sich unzählige Küchenutensilien hinter Gelsenkirchener Barock-Furnier. Staffeldt hat seit Jahrzehnten nichts verändert. Die Pusta-Stube steht unter Bestandsschutz.
Zeitgleich mit der Kneipengründung wurde die Bremer Uni gebaut. Generationen von Studentinnen und Studenten hätten in der Pusta-Stube zu Mittag gegessen. „In den 70er-Jahren standen oft 200 Fahrräder vor der Kneipe, und meine Mutter hat Tag und Nacht Gulaschsuppe gekocht. Es gab ja noch keine Mensa", erinnert sich Kornelia Staffeldt. Schauspieler Moritz Bleibtreu habe die Suppe auch schon probiert, sie sei das Lieblingsgericht des Wirtschaftsexperten Rudolf Hickel und unzähliger „3 nach 9“-Promis. Viele von ihnen werden zum runden Kneipengeburtstag vorbeischauen, sagen die Staffeldts.