Besonders an Wochenenden ist an der Schleuse Kuhsiel im Bremer Blockland zum Frühlingsanfang viel los. Ausflügler, Junggesellinnen, die ihren Abschied feiern, Segler, Kanuten - sie alle treffen sich hier gleich neben dem Landhaus Kuhsiel, um von der Wümme in den Kuhgraben zu schleusen. Das imposante Bauwerk von 1931 ist eine beliebte Touristenattraktion. Einige posieren vor den Schleusentoren – ein Gruppenfoto hier, ein Selfie dort. Die Sonne scheint, die Stimmung ist ausgelassen. Doch die Idylle trügt. Mitglieder aus Wassersportvereinen rund um die Wümme sowie Kundinnen und Kunden von Bootsverleihern, die die Schleuse nutzen wollen, um ihre Boote in den angrenzenden Kuhgraben zu verschiffen, sind enttäuscht, manche sogar verärgert. Denn wie berichtet bleibt die Schleuse Kuhsiel in dieser Saison geschlossen. Dagegen regt sich jetzt Widerstand. Vereine, Bootsverleiher und Bootsbesitzer schließen sich zusammen.

Christian Vehling (links) und Klaus-Dieter Hein treffen sich gerade zum Arbeitsdienst im Segelverein Wümme am Kuhgrabenweg.
Christian Vehling und Klaus-Dieter Hein treffen sich gerade zum Arbeitsdienst im Segelverein Wümme am Kuhgrabenweg: Rasen mähen, Stege reparieren, Vereinsheim durchlüften, Boote zu Wasser lassen und die Anlage aufhübschen stehen auf dem Programm. Über 30 Vereinsmitglieder sind dabei. "Ich habe hier eine eigene Parzelle, ein eigenes Boot und wir haben als Gemeinschaft den Wümmehopser", sagt Christian Vehling und lädt aufs Hausboot ein. Der Segelverein sei auf die Schleuse angewiesen. "Wir können unsere Boote nicht einfach umtragen, ich brauchte gerade sechs Leute, um mein Boot aus dem Wasser zu holen", erzählt Vehling. Die Schleuse gehöre für Bootsbesitzer zur "nötigen Infrastruktur". Und er habe noch Glück, sagt der Bootsbesitzer, denn er könne mit seinem Boot den Weg in die Wümme über die Kleine Wümme nehmen. Für andere Bootsbesitzer sei das nicht möglich, ergänzt Hafenwart Klaus-Dieter Hein. Die Brücken auf dem Weg dorthin seien zu niedrig. Größere Sportboote könnten nicht passieren, der Weg über Findorff in die Wümme somit versperrt. Was tun? Liegeplätze direkt an der Wümme seien alle belegt, erklärt Werner Lehmann. Der Ehrenvorsitzende des Segelvereins Wümme will die Schließung der Schleuse Kuhsiel deshalb nicht einfach hinnehmen.
Der Geschäftsführer des Bremischen Deichverbandes, Stephan Levin, der für das Bauwerk verantwortlich zeichnet, erklärte wie berichtet vor zwei Wochen, dass die Schleuse nicht wie gewohnt an Ostern öffnen werde. Die Spundwände des knapp 100 Jahre alten Bauwerkes seien so marode, dass der Betrieb nicht mehr möglich sei. Die Kosten für die Instandsetzung belaufen sich dem Vernehmen nach auf rund 900.000 Euro. Der Vorstandsvorsitzende des Segelvereins Wümme, Michael Klüser, hofft darauf, dass sich die Summe "mit vereinten Kräften" zusammentragen lasse. Man wolle eine Lobby bilden und sich für die Wiederinbetriebnahme der Schleuse einsetzen. Viele Menschen hätten daran ein Interesse. Sie alle wolle er mit ins Boot holen, um sich zu vernetzen und um Gelder zu akquirieren, sagt Klüser.
Nadine Arkenau und ihre Freundinnen haben sich gerade bei der Kanuscheune in Borgfeld am Mehlandsdeich drei Boote gemietet. "Junggesellinnen-Abschied. Der Termin stand lange fest", berichtet Arkenau. "Die Tour ist ein Revival, wir haben sie schon vor 15 Jahren zusammen gemacht", berichtet die zukünftige Braut. "Damals war die Schleuse noch offen." Das Schleppen der Boote über den Deich sei ein Problem. "Gerade wenn man Picknick dabei hat", kritisieren ihre Freundinnen. Sie seien "sauer" darüber, dass die Schleuse stillgelegt werden soll. "So eine Schleuse lohnt sich doch", meint Arkenau.

Der Ehrenvorsitzende des Segelvereins Wümme, Werner Lehmann, will die Schließung der Schleuse Kuhsiel nicht einfach hinnehmen.
Ähnlich sieht das Norbert Köhler. Der Vorsitzende der Wassersportkommission des Landessportbundes in Bremen will sich nach eigenen Angaben dafür einsetzen, dass die Schleuse Kuhsiel wieder in Betrieb genommen wird. "Wenigstens in den Sommermonaten", unterstreicht der Wassersportler. Segler, Angler, Ruderer, Motorbootfahrer und Kanuten seien von der Schließung betroffen. Die Schleuse sei ein Bauwerk mit "uralter Tradition". Köhler verstehe, dass der Deichverband die Summe für die Sanierung nicht allein aufbringen könne. Er sehe das als Gemeinschaftsprojekt. Laut Köhler ist die Stadt mit den Ressorts "Wirtschaft, Sport und Umwelt in der Pflicht", sich an den Kosten zu beteiligen. Ferner wolle er Firmen suchen, die ein Interesse am Sponsoring hätten. Der Deichverband habe bereits eine größere Summe zurückgestellt, und auch die Vereine hätten signalisiert, sich an den Kosten zu beteiligen. Eventuell gebe es noch EU-Mittel, die angezapft werden könnten.
Der Segelverein Wümme organisiert in dieser Woche ein Treffen, um sich für "die Wiederinbetriebnahme der Schleuse" einzusetzen. Laut dem Vereinsvorsitzenden Michael Klüser soll die Zusammenkunft zunächst hinter verschlossenen Türen stattfinden. Wassersportvereine und Interessierte können sich nach Angaben des Vereins-Ehrenvorsitzenden Werner Lehmann jedoch für zukünftige Treffen anmelden unter info@segelverein-wuemme.de.