Das Leben am Fluss hat Menschen immer gereizt. Flüsse fungieren als Landesgrenzen, Wasserwege, Nahrungsquelle, liefern Kühlwasser für Fabriken, locken Wassersportler und Erholungssuchende. Auf 42 Kilometern fließt die Weser von Hemelingen bis Rekum durch das Stadtgebiet Bremens. Vor allem der Charakter von Bremen-Nord ist geprägt durch Schiffbau, Fischerei, Kahnschifffahrt und Lotsenwesen. DIE NORDDEUTSCHE stellt Menschen vor, deren Arbeitsplatz die Weser ist.
Die Männer haben es an diesem Morgen nicht weit: Vom Bauhafen zur Baustelle sind es diesmal knapp zehn Minuten. Quasi einmal quer über die Weser, von der Bremer zur niedersächsischen Uferseite. Vorbei am Farger Kraftwerk, am Fähranleger Berne bis zum Warflether Arm, wo mehrere Sport- und Segelboote liegen – und wo die Wellen des Flusses fast allen Sand des angrenzenden Strandes fortgespült haben. Über Jahre. Sodass die Männer seit Monaten alles dafür tun, dass der neue Sand, der bald kommen soll, nicht gleich wieder weggewaschen wird.
Sie sind zu dritt auf der "Harrier Sand". Einer hält das Schiff auf Kurs, einer steuert den Bagger, einer überwacht die Maschine und die Arbeiten an Deck. Die Männer machen, was sie fast täglich machen: Sie sorgen dafür, dass die Weser in ihrem Flussbett bleibt. Es ist ihr Chef, der das so beschreibt. Sven Wennekamp heißt der, ist Ingenieur und leitet die Dienststelle, für die alle arbeiten – den Farger Außenbezirk des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes. Während die Crew arbeitet, bleibt der rote Klinkerbau der Behörde die ganze Zeit über vom Heck der "Harrier Sand" aus sichtbar.
Die "Harrier Sand" war früher eine Fähre, jetzt ist sie ein Arbeitsschiff. Wennekamp sagt Schwimmgreifer zu ihm. An diesem Vormittag hat er 80 Tonnen Steine geladen. Es sind Brocken aus einem Abbruchgebiet am Rhein. Baggerführer Heiner Schierholz stapelt sie zu einem Damm längs zur Wasserkante auf. Seit Wochen macht er das. Die Uferstrecke, die geschützt werden muss, ist anderthalb Kilometer lang. Sie beginnt bei den Hallen der Lürssen-Werft in Berne und endet beim Fähranleger. Auch sämtliche Weidebuhnen, die sich in den Fluss erstrecken, wurden in diesem Abschnitt verstärkt.
Es ist ein Großprojekt, das Millionen kosten wird. Wie viele, kann Wennekamp noch nicht sagen. Genauso wenig, wie lange die neuen Buhnen und der neue Damm halten werden. Er weiß nur, dass das, was jetzt vom Bund genehmigt wurde, in den vergangenen 15 Jahre nicht passiert ist: Dass der Strand, der inzwischen stellenweise wie ein steiler Abhang aussieht, wieder aufgefüllt wird. 80.000 Kubikmeter Sand sollen herangeschafft und auf das Ufer gepumpt werden. Der Bezirksleiter geht davon aus, dass die Arbeiter noch Wochen in diesem Weserabschnitt zu tun haben.
Wennekamp nennt sie Wasserbauer. Auch Baggermaschinist Schierholz ist einer. Anders als der Rest der Crew. Antonius Backers ist Schiffsführer und Thomas Bartes Matrose. Zusammen bilden sie ein Team, das nicht viele Worte verliert. Bachers sieht, wo Schierholz noch Steine stapeln muss – und Bartes, wo schnelle Hilfe notwendig ist. Gegen Mittag baggert der Bagger plötzlich nicht mehr. Der Matrose steht am Rand und zeigt aufs Wasser hinterm Damm: Vier Fischen ist der Weg in die Weser versperrt. Zwei Rotfedern, zwei Rappen – alle werden mit einem Kescher in den Fluss gehoben.
Der Bezirksleiter findet die Rettung ein gutes Beispiel dafür, das Uferschutz immer auch Umweltschutz bedeutet. Er sagt, dass Lebensräume für Tiere und Pflanzen bewahrt werden, die sonst weg wären. Dass nicht irgendwelche Steine für Dämme infrage kommen, sondern ausschließlich Natursteine. Und dass die Begradigung der Weser nicht überall und nicht um jeden Preis beibehalten wird. Die Halbinsel beim Elsflether Sand beispielsweise ist jetzt so etwas wie ein Testfeld. Das Amt will schauen, inwieweit das Ufer damit klarkommt, dass Buhnen und Dämme nicht mehr erneuert werden.
Vom Bauhafen aus hat Wennekamp die Halbinsel ständig im Blick. Sie liegt genau gegenüber. Seiner Ansicht nach kann man zwar sehen, dass die Weser einen Teil des Sandes weggespült hat, aber auch, dass der Landverlust schon länger stagniert. Irgendwann, meint er, ist der Neigungswinkel eines Uferbereichs auf natürliche Weise so abgeflacht, dass es keinen künstlichen Schutz mehr braucht. Auch an anderen Stellen des Elsflether Sandes wird auf ihn verzichtet – allerdings nicht versuchsweise. Dort ist die Strömung so stark, dass die Buhnen nach kurzer Zeit zerstört sind.
Drei bis fünf Jahre sollen sie halten. Sind sie früher kaputt, lohnt eine Reparatur nach Ansicht des Amtes nicht. Dann macht es etwas anderes, das nach Wennekamps Rechnung sowohl kostengünstiger ist als auch beständiger: Es beauftragt einen Wasserbauer damit, den Sand, der weggespült wurde, wieder zurückzuholen – mit einem speziellen Raupenbagger, der wochen-, manchmal monatelang jeden Tag bei Niedrigwasser das fortgeschwemmte Land aus dem Flussbett gräbt, um es an der Abbruchkante aufzuschichten, sobald das Wasser kommt.