Seit fast einem Jahr steht das Bauschild, nur gebaut wurde nicht. Bis jetzt. Arbeiter sind neuerdings dabei, Platz zu machen für das, wofür der Investor großformatig wirbt: eine Bäckerei samt Café, eine Arztpraxis, Büros und eine Bankfiliale – unterm Strich für einen neuen Blumenthaler Bahnhofsplatz. So sehen das jedenfalls Politiker. Vor Kurzem stimmten sie ein letzten Mal über das Millionenprojekt ab, gleich danach kam der Abrissbagger.
Seit Dienstag ist er da. Das tonnenschwere Fahrzeug soll alles in seine Bestandteile zerlegen, was nicht auf dem Bauschild zu sehen ist: den alten Schuppen an den Gleisen und später auch ein leer stehendes Wohnhaus gleich daneben. Der Wassertank auf dem Gelände kam als erstes weg, jetzt ist das Gütergebäude an der Reihe. Rund 30 Meter ist es lang. Bauunternehmer Jan-Gerd Kröger geht davon aus, dass der Klinkerbau noch in diesem Monat verschwunden sein wird – und das Wohnhaus im nächsten.
Ursprünglich hatte der Investor mal anders geplant. Statt sich allein auf die Gebäude direkt an der Bahn zu konzentrieren, wollte er den benachbarten Busbahnhof gleich mitgestalten. 2014 war das. Sein Vorstoß, sich als Privatinvestor an einem Großprojekt der öffentlichen Hand zu beteiligen, scheiterte jedoch. Genauso wie der Plan, in den Altbauten mehrere Appartements für Wohngruppen einzurichten. Seit fast elf Jahren stehen die meisten leer. So lange gehört Kröger das Grundstück an den Gleisen.
Dass er jetzt Tempo macht und gleich nach dem Okay der Baupolitiker den Abrissbagger geordert hat, kommt nicht von ungefähr. Der Investor aus Rönnebeck will versuchen, Zeit aufzuholen, die er nach seinen Worten verloren hat. Kröger wollte eigentlich schon weiter sein als er es jetzt ist. Dass sich das Bauprojekt am Blumenthaler Bahnhof verzögert hat, erklärt er zum einen mit der Corona-Pandemie und zum anderen mit dem städtebaulichen Vertrag, den er unterschreiben sollte, aber nicht wollte.
Die Baubehörde hatte Bedenken, dass einer der Mieter, die Kröger für das Vorhaben gefunden hatte, schlecht für den Standort sein könnte. Der Investor sollte sich für die geplante Arztpraxis einen anderen Mediziner suchen als Eberhard Kraft. Weil unter dessen Patienten auch Suchtpatienten sind, sprach das Ressort von Nachteilen für den öffentlichen Raum. Der Fall beschäftigte Ärzteverbände und Politiker. Am Ende wurde die Passage über Kraft aus dem städtebaulichen Vertrag gestrichen.
Der Mediziner ist nicht der einzige, mit dem Kröger seit Längerem handelseinig ist. Auch mit der Bäckerei Rolf aus Ritterhude ist er es. Nach Angaben des Bauunternehmers wird sie am Blumenthaler Bahnhof ein Café plus separaten Verkaufsraum betreiben. Das Café ist im denkmalgeschützen Hauptgebäude des Bahnhofs geplant, das der Investor sanieren will – der Verkaufsraum in einem gläsernen Anbau. Laut Kröger kommt die Bäckerei auf eine Fläche von 200 Quadratmeter.
Der Ankermieter bei diesem Projekt ist jedoch ein anderer: die Sparkasse. Sie wird im Bahnhofskomplex, der aus dem sanierten Altbau und einem Neubau besteht, doppelt so viel Platz bekommen wie die Bäckerei – 400 Quadratmeter. Dass die Blumenthaler Geschäftsstelle der Bank umziehen soll, ist seit Längerem bekannt. Vor anderthalb Jahren stellte Unternehmenssprecherin Nicola Oppermann zum ersten Mal einen Standortwechsel in Aussicht. Nur wohin die Filiale kommen sollte, sagte sie damals nicht.
Nach Krögers Plänen wird sie in den Neubauteil des Komplexes umziehen, für das der Abrissbagger gerade Platz schafft. Auf den Grafiken der Architekten sieht das zweigeschossige Klinkergebäude aus wie ein L. Im Parterre ist die Sparkasse eingezeichnet und ein Trakt, der bisher noch nicht verpachtet ist. Im Obergeschoss ist Platz für die Praxis und Büros. Der Investor sagt, dass er inzwischen mehr als die halbe Immobilie verpachtet hat. Drei Flächen zwischen 225 und 250 Quadratmeter sind noch frei.
Alles in allem kommt Kröger auf 1600 Quadratmeter für Gewerbe und auf 5500 Quadratmeter Außengelände, die er gestalten wird. Streng nach vertraglichen Vorlagen: Der Bauunternehmer soll nicht bloß für eine Freifläche für Cafébesucher sorgen, sondern auch für Auto- und Fahrradstellplätze. Und er soll Wegeverbindungen zu den umliegenden Quartieren schaffen – vor allem zum Woll-Kämmerei-Gelände, auf dem die Behörden einen Bildungscampus für mehrere Tausend Berufsschüler planen.
Kröger rechnet fest damit, dass auf den Abriss gleich der Aufbau folgt. Zum Ende nächsten Jahres muss er die Arbeiten abgeschlossen haben. So schreiben es die Verträge mit den Mietern vor. Damit der Termin gehalten werden kann, will der Unternehmer mittlerweile anders bauen als ursprünglich geplant: Statt Stein für Stein soll der Neubau gleich Wand für Wand errichtet werden. Das Investitionsvolumen für das Blumenthaler Bahnhofsprojekt beziffert Kröger auf 4,5 Millionen Euro.
Es ist nicht das größte Vorhaben des Investors, aber trotzdem eine Ausnahme: Der Unternehmer baut nicht allein, sondern mit seinem Sohn. Zusammen haben sie die Bahnhof Blumenthal GmbH gegründet – und die soll es auch dann noch geben, wenn die Handwerker längst von der Baustelle abgezogen sind. Das Bahnhofsprojekt, sagt Kröger, soll ein Projekt der Familie bleiben.