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Blumenthaler Beiratssprecher im Interview "Der Frust ist auch bei uns groß"

Die meisten Sitzungen des Blumenthaler Parlaments sind für dieses Jahr abgehakt. Im Interview sagen die beiden Beiratssprecher, wie es für den Stadtteil bisher gelaufen ist – und was besser werden muss.
19.08.2021, 19:00 Uhr
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Von Christian Weth

Frau Frömming, Herr Thormeier, gut drei Viertel der Sitzung des Stadtteilparlaments sind für dieses Jahr abgehakt. Wie fällt Ihr Fazit für den Beirat aus?

Hans-Gerd Thormeier: Grundsätzlich fällt mein Fazit positiv aus, auch wenn Onlinesitzungen die Arbeit der Fraktionen nicht gerade einfacher machen. Dennoch ist es gelungen, viele Themen sachlich zu diskutieren, sogar sachlicher als in den Jahren zuvor. Bedauerlicherweise nehmen an digitalen Veranstaltungen weniger Anwohner teil als an Präsenzsitzungen. Die Bürgerbeteiligung leidet bei den Onlineformaten.

Bianca Frömming: Mit den Onlinesitzungen des Beirats bin ich zufrieden, allerdings nicht mit den digitalen Treffen der Arbeitsgruppen. Der Austausch beispielsweise über Klimaschutzprojekte hat nicht geklappt. Diskussionen kamen kaum zustande. Auch die Resonanz bei der Ausschusssitzung zum Tanklager und den Problemen mit dem kontaminierten Boden war geringer als erhofft.

Und wie sieht Ihre Bilanz für Blumenthal aus?

Frömming: Momentan passiert definitiv eine Menge im Stadtteil. Sei es im Kämmerei-Quartier mit dem Bildungscampus. Sei es im Blumenthaler Zentrum mit möglichen Investoren. Es gibt viele neue Ideen und neue Impulse. Und das ist gut für den Stadtteil.

Thormeier: Das sehe ich genauso. Vieles ist im Werden: die Entwicklung des Bahnhofbereichs, der Bau neuer Seniorenwohnungen an der Landrat-Christians-Straße, die Pläne für eine Schwimmhalle und ein Gesundheitszentrum im Kämmerei-Quartier. Und manches ist jetzt fertig geworden: zum Beispiel die Feuerwehrwache in Farge. Das bringt den Stadtteil voran, obgleich ich mir gewünscht hätte, dass wir bei anderen Themen weiter wären, als wir sind.

Zum Beispiel?

Thormeier: Zum Beispiel bei der Debatte darüber, wie der Leerstand des Alten Rathauses gefüllt wird. Zum Beispiel bei der Frage, wo die Stadtteilbibliothek einen neuen Standort bekommen soll.

Und trotzdem ging es bei den vergangenen Beiratssitzungen ausschließlich um Fraktions- und Bürgeranträge. Warum gab es denn keine Diskussionen über die ungelösten Probleme des Stadtteils?

Thormeier: Das hat damit zu tun, dass wir über vieles schon im Vorfeld gesprochen haben – und jetzt den Themen mehr Raum geben wollten, die Anwohner beschäftigen.

Frömming: Das Problem ist auch, dass es bei vielen Großprojekten noch keine Antworten auf Fragen gibt, die wir den Behörden gestellt haben. Weil Entscheidungen zu Vorhaben auf sich warten lassen, fehlen folglich auch neue Sachstände, über die die Fraktionen diskutieren können.

Manche Blumenthaler fragen sich, wie es beispielsweise mit den Campus-Plänen fürs Kämmerei-Quartier weitergeht. Was antworten Sie Ihnen?

Frömming: Das wir uns das auch fragen. Wir wollen genau wissen, was wann geplant ist – aber bisher kommt nichts von den Ressorts. Der Frust ist auch bei uns groß.

Thormeier: Das ist genau das, was ich schon lange kritisiere: Die senatorischen Dienststellen brauchen unheimlich lange. Und sie werden ungern konkret. Sie kündigen zwar an, dass sie den Bildungscampus wollen, sagen aber nicht, wann jede der vier Berufsschulen ins Kämmerei-Quartier umziehen wird. Einen Termin gibt es bisher nur für die erste Schule – und der ist inzwischen verschoben worden. Erst sollten die Klassen 2023/2024 da sein, jetzt ist von 2024/2025 die Rede.

Und wie ist der Stand der Dinge beim Millionenprojekt gleich nebenan: der Entwicklung des Blumenthaler Zentrums?

Thormeier: Bei diesem Projekt wissen wir nur, dass es nach der Sommerpause mit der Bürgerbefragung in die letzte Phase geht...

Frömming: Und dass es Ende des Jahres eine Entscheidung geben soll, wie es mit dem alten Ortskern denn nun weitergeht.

Der Beirat will, dass das Gebiet zum Sanierungsgebiet wird. Wie stehen denn Ihrer Meinung nach die Chancen?

Thormeier: Ich hoffe, dass der Beirat der Behörde klar genug gemacht hat, dass wir kein Förder-, sondern ein Sanierungsgebiet brauchen, damit die Stadt eine bessere Grundlage hat, mit den Eigentümern der Gebäude zu verhandeln. Nur wenn das Zentrum zum Sanierungsgebiet wird, hat Bremen das Vorkaufsrecht und kann öffentliche Fördergelder und Steueranreize für die Sanierung der Gebäude ausloben.

Und was ist, wenn die Behörde sich doch gegen ein Sanierungsgebiet entscheidet?

Thormeier: Das wäre extrem schlecht, weil dann eine weitere Chance vertan wird, den Ortskern wirklich voranzubringen.

Frömming: Das wäre für viele auch kaum nachvollziehbar – und der Unmut darüber entsprechend groß.

Haben Sie eigentlich mal geprüft, was der Beirat machen könnte, um gegen eine solche Entscheidung vorzugehen?

Thormeier: Bisher sind wir an unsere Bürgerschaftsabgeordneten herangetreten, die sich dafür einsetzen sollen, dass es gar nicht so weit kommt.

Frömming: Wir haben inzwischen so häufig bei Ihnen nachgehakt, dass unser Standpunkt allen klar sein muss.

Haben Sie mittlerweile auch beim Farger Kraftwerk nachgehakt und erfahren, was Sie von Umweltsenatorin Maike Schaefer wissen wollen, Frau Frömming?

Frömming: Ich habe eine Antwort bekommen, die aber nicht wirklich zufriedenstellend ist.

Inwiefern?

Frömming: Bei den Antworten wurde größtenteils darauf verwiesen, was der Kraftwerksbetreiber in seinen Mitteilungen verlauten ließ. Unterm Strich wissen wir über seine Pläne, künftig Holz statt Kohle zu verbrennen, genauso wenig wie vorher.

Das klingt danach, als wären Sie mit der Arbeit Ihrer Parteikollegin unzufrieden.

Frömming: Ich sage es mal so: Wir werden mit ihr noch Gespräche darüber führen.

Und nun?

Frömming: Nun haben wir uns als Fraktion Hilfe von der Naturschutzorganisation Robin Wood geholt. Sie plant mehrere Aktionen, um Bürger darüber aufzuklären, warum Holzverbrennung nicht die Lösung sein kann und woher das Holz eigentlich stammt, das verfeuert werden soll.

CDU und andere haben erklärt, dass es Ihnen beim Kraftwerk um den Erhalt von Arbeitsplätzen geht. Ihre Fraktion, Frau Frömming, spricht dagegen von einer Müllverbrennungsanlage und einem Abschalten. Wie weit werden Sie in diesem Konflikt gehen?

Frömming: Wir werden einer Umrüstung auf keinen Fall zustimmen und alles dafür tun, dass auch die anderen Fraktionen von dem Projekt Abstand nehmen. Holz ist wie Kohle ein so wichtiger Rohstoff, dass man ihn nicht einfach verbrennen darf.

Und wie weit werden Sie als CDU-Politiker gehen, Herr Thormeier?

Thormeier: Die CDU ist nicht grundsätzlich gegen Holzverbrennung – immer vorausgesetzt, dass das Holz nicht behandelt ist und es sich um Rest- oder Totholz handelt. Uns geht es darum, eine Übergangslösung zu schaffen, bis am Standort Farge grüner Wasserstoff produziert werden kann.

Der Betreiber spricht aber nicht von einer Übergangslösung...

Thormeier: Wie gesagt, wir werden dem Projekt nur zustimmen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Also ein Jein gegen ein Nein. Wie gehen Sie mit Ihrer unterschiedlichen Haltung als Sprecher-Team des Beirats um?

Frömming: So wie bei jedem Thema, bei dem wir anderer Meinung sind. Wir trennen Sprecher- und Fraktionsarbeit voneinander.

Thormeier: Das zeichnet eine gute Zusammenarbeit aus, dass wir Argumente sachlich austauschen und nach dem besten Kompromiss suchen. Und wenn wir keinen Kompromiss finden können, setzt sich der durch, der die meisten Stimmen für seinen Standpunkt erhält. Das macht Politik am Ende auch so spannend.

Das Interview führte Christian Weth.

Zur Person

Bianca Frömming (43)

ist seit 2019 stellvertretende Sprecherin des Blumenthaler Beirats. Früher fuhr sie zur See, jetzt ist sie selbstständige Unternehmerin im Bereich Marine. Frömming gehört den Grünen an, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Hans-Gerd Thormeier (57)

ist seit drei Jahren Sprecher des Blumenthaler Stadtteilparlaments. Er arbeitet für die Deutsche Flugsicherung als Immobilienverwalter. Thormeier ist seit 18 Jahren Mitglied der CDU, verheiratet und hat drei Kinder.

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