Blumenkohl, Brokkoli, Bananen – an diesem kalten Dezembertag ist die Auswahl an Gemüsesorten reichlich. Der Blumenthaler Thorsten Kluß verstaut alles in einer Fichtenholzkiste vor dem Doku Blumenthal an der Straße am Heidbleek. „Food-Sharing“ steht darauf und ums Teilen von Essen geht es dem 48–jährigen Wissenschaftler und dem Erbauer der Kiste, dem Betriebswirt Marcel Lux aus Blumenthal.
„Jeder kennt das: Wenn man einen ganzen Kohlkopf für eine gute norddeutsche Kohlsuppe kocht, hat man schnell zehn Liter im Topf. So viel kann niemand allein aufessen, aber es macht Sinn, den ganzen Kohl zu kochen – und zu teilen, was übrig ist“, erklärt Thorsten Kluß den Gedanken der Essens-Box. Dem Uni-Wissenschaftler und seinem Forscherteam ist gerade der Deutsche Nachhaltigkeitspreis verliehen worden, seit Jahren arbeitet er zudem ehrenamtlich als Food-Saver (zu deutsch: Lebensmittelretter) in Bremen-Nord. Kluß holt dabei Lebensmittel von kooperierenden Betrieben ab und sorgt dafür, dass das gerettete Essen verteilt wird.
Die Idee mit der Kiste entstand, als Kluß auf Marcel Lux traf. Der Blumenthaler hat als Ehrenamtlicher den Gemeinschaftsgarten des Dokus „Wilde Blume“ angelegt und gerade auf der Bahrsplate an der Weser das „Paletten-Paradies“ gebaut, ein Open-Air-Café für Jedermann. „Ich mache das als Hobby, der Abwechslung wegen, aber auch, um den Stadtteil voranzubringen“, sagt Lux. Blumenthal, meinen beide Männer, sei ein guter Ort, um zusammen zu kommen, gemeinsam zu essen und zu teilen.
Thorsten Kluß und weitere Lebensmittelretter befüllen die Kiste mehrfach die Woche. „Vor allem in der Adventszeit haben wir darauf geachtet, dass Schokolade in der Kiste liegt. Allerdings waren das dann keine Weihnachtsmänner, sondern Osterhasen.“ Diese hätten nicht einmal die Mindesthaltbarkeit überschritten. „So lange ist Ostern nicht her, aber Hasen verkaufen sich jetzt nicht besonders gut“, kommentiert Kluß.
Es gebe genug Lebensmittel für alle. „Die Menge steht in keinem Verhältnis zum Bedarf“, weiß der Blumenthaler, der in Kontakt mit verschiedenen Läden steht, die Waren an Food-Saver abgeben. „Es ist genug da, es ist unglaublich viel.“ Die Lebensmittelretter, derzeit zählt die Gruppe etwa 350 Personen, haben nach Kluß Worten in 2021 etwa 30 Tonnen Lebensmittel allein für Bremen-Nord vor der Tonne bewahrt. „Immer mehr machen mit. Es ist als richtig erkannt worden, dass wertvolle Ressourcen nicht verschwendet werden sollten.“
Für den Wissenschaftler Kluß ist das Teilen auch eine Art Sozialexperiment. „Wenn man sich in unserer marktwirtschaftlich organisierten Welt darauf einlässt, wird plötzlich sichtbar, dass man nicht viel Geld für Essen ausgeben muss und sieht, wie leicht es ist, gutes Essen geschenkt zu bekommen.“ Manchmal stellt Thorsten Kluß nicht nur abgepacktes, sondern gekochtes Essen in die Food-Sharing-Kiste beim Doku. Es sind Speisen, die in Restaurants übrig geblieben sind. Es stecke viel Arbeit und Liebe in den Lebensmitteln: „Spürbar ist, dass es den Mitarbeitern in den Restaurants in der Seele weh tut, wenn sie ihr Essen wegschmeißen müssen.“
Seit zwei Monaten steht die Kiste vor dem Doku. „Marcel Lux hatte den Wunsch an uns herangetragen, ob wir die Kiste in den Vorgarten stellen können, damit sie für jeden zugänglich ist. Als Haus unterstützen wir den Nachhaltigkeits-Gedanken natürlich“, sagt Kim Kraul, Geschäftsführerin des Dokumentations- und Kulturzentrums Blumenthal. „Die Kiste wird rege in Anspruch genommen. Wir nutzen sie als Haus auch mit, nehmen etwas raus, legen was rein.“ Die Mitarbeiter des Trägervereins schauen auch regelmäßig nach, dass nichts in der Box verdirbt: „Wir alle tragen Verantwortung dafür, dass Essen nicht weggeworfen wird.“