Fragt man Alina Pfeifle, ob sie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) weiterempfehlen würde, dann kommt "ein ganz großes Ja – bitte mit ganz vielen Ausrufezeichen". Seit zwei Monaten ist die 19-Jährige nun in der Oberschule In den Sandwehen als FSJlerin dabei und schon jetzt davon überzeugt: "Das war die beste Entscheidung meines Lebens". Dabei war ihre Zukunft vor nicht allzu langer Zeit eher von Unsicherheit geprägt. "Ich konnte mir zwar vieles vorstellen, was ich aber genau will, das wusste ich nicht."
Alina Pfeifle, die in Vegesack aufwuchs und deren Familie vor gut zehn Jahren innerhalb Nordbremens umzog, "nach Grohn, Ecke Schönebeck", besuchte das Vegesacker Gymnasium. Was sie nach dem Abitur beruflich machen wollte, darüber hat sie nach eigenem Bekunden sehr lange nachgedacht. "Ich hatte viele Wünsche, am liebsten hätte ich alles zusammen gemacht", sagt sie und lacht. Dabei demonstrierte diese Überlegung eher die jugendliche Unsicherheit.
"Lange Zeit hatte ich den Traum, Pilotin zu werden." Auch ein Medizinstudium hatte sie in Betracht gezogen. Allerdings: "Dazu hätte mein Abi niemals gereicht. Wir hatten sehr viele bei uns mit einem 1,0-Abi, selbst davon haben nicht alle einen Studienplatz bekommen", erzählt Alina Pfeifle. "Da bleibt wohl nur noch die Sozialpädagogik", dachte sich Alina Pfeifle und sah sich schon als Erzieherin im Kindergarten. "Dass Sie mich nicht falsch verstehen, ich fand es schon immer toll, mit Menschen umzugehen oder Kindern etwas beizubringen. Schließlich habe ich ja lange Zeit auch Nachhilfe gegeben. Aber Sozialpädagogin, ist das mein Traumberuf?" Alina Pfeifle war sich unsicher, bis der Anruf ihres Cousins kam.
"Mein Cousin war ein Jahr vor mir für eine Freiwilliges Soziales Jahre in der Schule In den Sandwehen", erzählt Alina Pfeifle. Als er ihr vorschlug, genau dieses doch einmal zu probieren, überlegte sie nur kurz, schrieb eine Bewerbung, "und wurde genommen". Ihrer Stimme ist immer noch die Begeisterung über diesen Schritt anzuhören. Seit September ist sie nun "Mädchen für alles", hilft im sozialpädagogischen Bereich, betreut zusammen mit zwei Kollegen sogenannte W-, und E-Kinder mit geistigen und körperlichen Einschränkungen, hilft in der Mensa oder im Freizeitraum, bei Deutsch, Mathe, Englisch "Es ist eine unglaublich vielseitige Aufgabe, die mir ausgesprochen viel Spaß macht". Ihre Einstellung, "wenn ich kann, dann helfe ich gerne", kommt bei Kindern und Kollegen gleichermaßen gut an, was Alina Pfeifle durch positives Feedback bestätigt bekommt. Und selbst ihre Wünsche werden berücksichtigt: "Ich kann im Arbeitsalltag vieles ausprobieren."
Apropos Arbeitsalltag: der Wechsel von Schule in Beruf war für Aline Pfeifle kein so großer Schock. "Ich hatte schon vorher immer viel zu tun." Gut sechs Jahre lang gab sie Nachhilfeunterricht, "besonders während der Abizeit waren ,lange Tage' für mich nichts Unbekanntes". Die derzeitige Vollzeitstelle mit einer 40-Stunde-Woche ist für Alina Pfeifle "das Beste, was ich mir vorstellen kann". Zwar sollte man sich den jeweiligen Stundenlohn besser nicht ausrechnen, "aber darum geht es ja auch nicht", meint die 19-Jährige. Sie bekommt ein Taschengeld, das ihr völlig ausreicht. Was für sie viel wichtiger ist: "Dieses Freiwillige Soziale Jahr ist eine hervorragende Vorbereitung auf meine weitere berufliche Zukunft".
Denn in diesen zwei Monaten hat Alina Pfeifle nicht nur an Selbstsicherheit gewonnen. Sie sieht jetzt auch ganz genau ihren weiteren Weg vor sich: "Sonderpädagogik mit Deutsch als weiterem Schwerpunkt, und das als duales Studium." Vor einem möglichen Numerus Clausus hat sie keine Angst mehr, "die Vorbereitung durch das Freiwillige Soziale Jahr bietet auch hier einen Vorteil. Die so gewonnene Berufserfahrung wird sowohl bei der Stellen- als auch bei Studienvergabe anerkannt", weiß Alina Pfeifle.
Darüber hinaus hat sie schon jetzt viel gelernt, nicht nur in der Schule. "Ins Pflichtprogramm des FSJ gehören auch Seminare. Da hatten wir schon ein Treffen mit mehreren FSJlern in einer Jugendherberge. Eine Woche lang ging es beispielsweise um das Thema Inklusion, wie verhalte ich mich gegenüber den Kindern, was darf ich, was nicht, was sind meine Rechte, meine Pflichten." Auch Gebärdensprache und weitere Themen standen auf dem Seminarprogramm.
"Die letzten zwei Monate haben mir sehr geholfen, meine Interessen und Ambitionen zu entdecken. Es gab wirklich noch keinen Tag, an dem ich gesagt hätte, ich habe heute keine Lust. Ganz im Gegenteil", erzählt Alina Pfeifle. Und dann folgt noch einmal ein Appell an alle Schüler, die ebenfalls mit Unsicherheiten in Sachen berufliche Zukunft zu kämpfen haben: "Macht ein Freiwilliges Soziales Jahr, das muss ja nicht im sozialpädagogischen Bereich sein, auch kulturell, politisch oder ökologisch gibt es wunderbare Angebote."