Fast anderthalb Jahre haben Ingenieure und Umwelttechniker überprüft und ausgewertet, wie groß die Gefahr für Anwohner und Gebäude rund um die Burg Blomendal bei Hochwasser und Starkregen ist. Jetzt liegt ihre Risikoanalyse vor – und ein Plan, der aus dem Forschungsgebiet der Blumenthaler Aue und der Beckedorfer Beeke ein Testterrain machen soll. Die Behörde will etwas ausprobieren, was es so in Bremen noch nicht gibt: ein Frühwarnsystem für Anlieger zum Schutz vor den Fluten.
Das Gelände der Burg und das Gebiet drum herum sind immer wieder sondiert worden: mal aus der Luft, mal am Computer. Es wurde topografisch erfasst und hydrologisch untersucht. Gewässerkundler waren ebenso im Einsatz wie Risikomanager. Sie sprachen mit Anliegern, Politikern, den Nutzern der Burg. Es gab Ortstermine und Workshops, die ersten waren im Frühjahr 2019, die letzten im Herbst. Mit am Tisch saßen Vertreter von Hansewasser, des Technischen Hilfswerks, der Feuerwehr.
Gebiet mit Problemen
Dass die Bäche zum Forschungsfeld geworden sind, kommt nicht von ungefähr. Der Beirat hat das eingefordert, weil die Probleme des Gebiets immer wieder auf seine Tagesordnung kamen. Weil Anwohner einmal mehr beklagten, dass nicht bloß das Burggelände bei Hochwasser und Starkregen vollläuft, sondern auch auf ihren Grundstücken Land unter ist. Und weil der Verein des mittelalterlichen Gebäudes erneut an die Fürsorgepflicht der Stadt erinnerte – für den historischen Bau, aber auch die Kita nebenan.
Die Umweltbehörde reagierte. Erst mit einer Ankündigung, dann mit einem Konzept: Statt dem Klimawandel ausschließlich mit höheren und breiteren Deichen zu begegnen, will sie sich auch um die Bereiche dahinter kümmern. Bereiche wie die Blumenthaler Aue und Beckedorfer Beeke. Sie und die Pauliner Marsch in der Östlichen Vorstadt sind seither Projektgebiet. „Bresilient“ heißt das Vorhaben des Ressorts, ein Wortspiel aus Bremen und Resilienz – die Fähigkeit, auf Krisen besser und schneller Einfluss nehmen zu können.
Lucia Herbeck ist die Chefkoordinatorin. Sie arbeitet in einem Referat, das für Umweltinnovationen zuständig ist. Herbeck sagt, dass der Bereich der Aue und der Beeke zwar Überschwemmungsgebiet ist – also im Grunde volllaufen soll, wenn es zu einem Hochwasser oder einem Starkregen kommt. Doch dass das künftig kontrollierter und weniger folgenschwer geschehen soll. Nicht nur zum Schutz der Burg, die bisher keine Anlagen zum Schutz hat, sondern auch des Kindergartens und der benachbarten Häuser.
Nach Herbecks Rechnung waren es zuletzt 50 Anwohner, Vereins- und Kitavertreter, die bei den Workshops dabei waren. Von einer Überschwemmung betroffen wären aber nicht nur sie. Es gibt Grafiken, die zeigen, was passiert, wenn Aue und Beeke mehr Wasser aufnehmen müssen als sie können. Wenn es zu einem Starkregen kommt und damit mehr als zehn Liter pro Quadratmeter in einer Stunde beziehungsweise mehr als 20 Liter pro Quadratmeter in sechs Stunden niedergehen.
Die Risikomanager haben mehrere Szenarien durchgespielt: ein Starkregenereignis, das es statistisch gesehen alle 20 Jahre geben kann. Dann eines, das einmal in 100 Jahren vorkommt. Und einen Extremregen, der die höchste Stufe eines Starkregens ist. Die Simulationen machen deutlich, dass aus den beiden Bächen zwei Ströme werden, wie sich das Wasser ausbreitet und wohin. Es fließt nicht nur bis zur Burg und den Wohnhäusern, sondern auch in die Burg und die Wohnhäuser hinein.
Schnelle Vorhersagen
Und es fließt schnell. Darum, sagt Herbeck, geht es vor allem um mehr Zeit – und soll Blumenthal bekommen, was es in Lübeck und anderen Küstenstädten längst gibt: ein Frühwarnsystem mit sogenannter Kürzestfristvorhersage. Herbeck spricht von Prognosen, die wesentlich genauer sind als die von konventionelle Wetter-Apps. Von Daten, die um Stunden eher abrufbar sind als sonst. Und davon, dass diese Daten den Bewohnern und Burgnutzern via Smartphone, Tablet und Computer bereitgestellt werden.
Ihr zufolge wird der Stadtteil damit zum Modellgebiet für ganz Bremen. Das System ist so angelegt, dass nicht nur Anlieger gewarnt, sondern auch Hilfskräfte alarmiert werden. Herbeck geht davon aus, dass die Anlieger ab Sommer schneller über Wetterveränderungen informiert werden als bisher. Die Meldeketten für Feuerwehr und Technisches Hilfswerk sollen im Anschluss konkretisiert werden. Die Kosten beziffert sie mit mehreren 10.000 Euro.
Es ist nicht die einzige Summe, die Herbeck nennt. Und auch nicht das einzige Projekt, das die Behörde plant. Um mehr Zeit für Anwohner zu gewinnen, will sie jetzt prüfen, wie das Wasser der Bäche langsamer fließen kann. Es soll Gutachten über versiegelte Flächen geben – und wie sie verkleinert werden können. Und über den Kanal – und wie er Regenwasser schneller in die Weser leiten kann. Bremen will das Bresilient-Projekt deshalb verlängern und dessen Budget vergrößern: aus zwei Jahren sollen vier werden und aus 2,3 Millionen 3,8 Millionen Euro.
Die Konferenz
Bis zur nächsten Gesprächsrunde der Umweltbehörde mit Anliegern, Vereinsvertretern und Kitakräften ist es zwar noch etwas hin, aber die Tagesordnung steht schon jetzt: Am Dienstag, 9. März, wollen Umwelttechniker zum einen die Ergebnisse der Risikoanalyse vorstellen, zum anderen sagen, was zum Schutz der Anwohner und Gebäude geplant ist – und wie es mit dem Projekt weitergeht. Die Konferenz wird eine Online-Konferenz sein. Das virtuelle Treffen soll um 14 Uhr beginnen und viereinhalb Stunden dauern. Eine Einladung zur Sitzung inklusive Zugangscode soll in den nächsten Wochen folgen.