In fensterlosen Räumen trotzen vier Heranwachsende, die sich selbst „Die Vergessenen“ nennen, der Apokalypse und warten gemeinsam auf „den Sturm“. So lautet die Ausgangsbasis eines Filmprojekts mit dem Titel „Zeitenwende“, welches das Nunatak im Rahmen der in Kooperation mit dem Doku angestoßenen Initiative „Ich in Sicht“ unlängst mit vier Schülern der Oberschule Eggestedter Straße realisierte.
„Das ist mein Problem: Ich vergesse. Und manchmal vergesse ich sogar, zu vergessen“, monologisiert die 18-jährige Sophie Hüttmann in die Kamera. Theaterpädagoge Silvan Stephan hat noch Einwände: „Stelle Dir die Frage: Was fühlt Dein Charakter bei diesen Worten? Und warum ist ihm wichtig, den Zuschauern genau dies zu sagen?“
Sounddesigner Janis Müller bereitet derweil die Tonangel samt Aufnahmemöglichkeit vor. Die vier Oberschüler im Alter von zwölf bis 18 Jahren hatten bei ihrem Dreh in der obersten Etage eines Hochhauses in der Bürgermeister-Kürten-Straße professionelle Unterstützung: Neben Stephan und Müller gehörten auch Theater- und Wortkünstlerin Eva Matz sowie Kostümbildnerin Elena Ortega zum Drehteam um Initiator und Organisator Christian Psioda.
Schule war schon häufiger an Bord
„Bevor ich zum Nunatak-Leiter und schließlich Geschäftsführer ernannt wurde, bestand meine Aufgabe bei der Quartier-gGmbh überwiegend in der Realisierung und Durchführung diverser Theaterprojekte mit Jugendlichen“, erklärt Psioda. In diesem Rahmen arbeitete er nicht nur schon häufig mit dem bewährten Drehteam, dessen Mitwirkende sich in ihren Sparten teilweise bereits schon bundesweit einen guten Namen erarbeiteten, sondern kooperierte auch bereits häufiger mit der Oberschule Eggestedter Straße.
„Über die Coronajahre ist diese Zusammenarbeit vorübergehend etwas eingeschlafen“, konstatiert Psioda. Dieses Projekt stellt also nicht nur einen symbolischen Dornröschenkuss sowie einen Bestandteil des Jahreskooperationsprojekts zwischen Nunatak und dem Doku dar, sondern ist Psioda auch ein spürbares Herzensanliegen – samt Neugier auf die Krisenperspektiven nachfolgender Generationen.
Projekt-Thema stand fest
„Am Anfang dieses Projekts stand die Frage, welchen Einfluss die sich häufenden globalen Krisen auf heutige Jugendliche ausüben“, erklärt Psioda. Die Form deren Bearbeitung stand indes zunächst noch nicht fest: „Wir gehen an derartige Projekte gerne partizipativ heran; so standen auch hier am Anfang zahlreiche Gesprächsrunden. Bei diesen hat sich recht schnell heraus kristallisiert, dass die Beteiligten am liebsten einen Film machen wollen. Von unserer Seite aus hätte es ebenso in Theaterstück oder eine Installation werden können“, beschreibt Psioda den Projektverlauf.
Im Rahmen dieser Gesprächsrunden stellte sich zudem heraus, dass die Relevanz aktueller Krisen für den Alltag der Jugendlichen mit anwachsendem Alter zunimmt: „Der Klimawandel beschäftigt alle, während beispielsweise Inflation oder der Krieg in der Ukraine eher volljährige Jugendliche beschäftigen“, konstatiert Psioda.
Eine mögliche Begründung dieses Phänomens erklärt die 14-jährige Elisa als eine der vier – von ursprünglich acht – übrig gebliebenen Mitwirkenden, die – mit Unterstützung durch Eva Matz – auch das Drehbuch selbst verfassten: „Was den Klimawandel angeht, fühlt es sich so an, als könnten wir selbst noch irgendetwas Sinnvolles dagegen tun, während wir Inflation und Kriegsgeschehen überhaupt nicht beeinflussen können“.
Online-Premiere am 15. Juli
Sophie Hüttmann, die gemeinsam mit Freundin Madita bereits häufiger an von Psioda initiierten Theaterprojekten in Kooperation mit dem Schulzentrum teilnahm, wählte hingegen ebenfalls einen persönlichen Ansatz für ihre Drehbuchanteile – zumal auch den heutigen Abschlussjahrgängen beispielsweise die Folgen der Coronakrise ebenfalls eher nachhängen als internationale Krisen: „Man hat während der Lockdowns durchaus gelitten, und das Homeschooling war keinesfalls ein vollwertiger Ersatz für richtigen Unterricht“, befindet die 18-Jährige.
Wie und warum genau die „vergessenen“ Jugendlichen in ihre im Film abgebildete Situation geraten sind, lässt der Kurzfilm indes ebenso offen wie die Frage, was genau es mit dem Sturm, den diese erwarten, letztlich auf sich hat; ob dieser Zerstörung oder Erlösung verheißt – oder sogar beides.
Seine schulinterne Premiere an der Oberschule Eggestedter Straße erfuhr der fertiggestellte Kurzfilm bereits am 3. Juli; der Öffentlichkeit zugänglich wird das etwa fünfzehnminütige Kurzfilmergebnis am 15. Juli über die Homepage der Quartier gGmbh sowie auf YouTube. Im November wird der Kurzfilm zudem auf dem Abschlussfest des Kooperationsprojekts „Ich in Sicht“ öffentlich gezeigt.