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Farger Kraftwerksleiter im Interview „Wir werden die Emission deutlich reduzieren“

Im Farger Kraftwerk soll künftig Holz statt Kohle verbrannt werden: Im Interview sagt Anlagenleiter Jörn Neumann, was das für die Umwelt bedeutet – und was für die Anwohner.
30.04.2021, 07:03 Uhr
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„Wir werden die Emission deutlich reduzieren“
Von Christian Weth

Herr Neumann, erst hieß es, das Kraftwerk könnte vom Netz gehen, weil sich Onyx Power um eine sogenannte Abschaltprämie bemüht. Jetzt heißt, es soll umgerüstet werden. Was wird denn nun?

Jörn Neumann: Wir wollen unsere Standorte über den Kohleausstieg hinaus zukunftsfähig aufstellen. Für das Kraftwerk Farge heißt das, dass wir die Anlage auf die thermische Nutzung von Altholz umstellen wollen. Damit möchten wir einen Beitrag zur sicheren und wetterunabhängigen Energieversorgung leisten.

Dann wird Onyx Power also kein Gebot mehr beim Bund abgeben, um eine Prämie zu bekommen?

Ob wir uns an einem der kommenden Ausschreibungstermine beteiligen, dazu kann ich nichts sagen. Was ich sagen kann, ist: Wir wollen den Standort erhalten. Ein Zuschlag des Bundes bedeutet nicht, dass die Anlage vom Netz muss, sondern ausschließlich, dass wir keine Kohle mehr verstromen dürfen. Daher ist eine langfristige Umrüstung auf Altholz auch möglich. In diesem Falle würde sich allein der Brennstoff verändern.

Manche Politiker sagen, das Kraftwerk wird zur Müllverbrennungsanlage, wenn statt Kohle künftig Holz, auch behandeltes, verfeuert wird. Was sagen Sie?

Dass wir definitiv nicht zu einer Müllverbrennungsanlage werden. Wir wollen Holz der Qualitätsklassen A2 und A3 verbrennen.

Und damit auch behandeltes Holz...

Ja, aber keines, das so stark behandelt ist, dass es ausschließlich in einer Müllverbrennungsanlage verfeuert werden darf, wo alles hinkommt: Sperrmüll, Gelbe Säcke, Abfall. Bei uns soll es um Gestrüpp aus dem Garten gehen, um alte Paletten aus dem Lager und Fußbodenreste aus Wohnungen. Nichts, was wir verbrennen wollen, wird imprägniert sein. Das wäre nämlich Holz der Kategorie A4 und damit ein Fall für die Müllverbrennungsanlagen.

Was ist denn daran zukunftssicherer und damit umweltfreundlicher, Holz statt Kohle zu verbrennen?

Wir werden durch die thermische Verwertung von Altholz die Emissionen deutlich reduzieren können.

Wie viel weniger Kohlenstoffdioxid gelangt denn in die Umwelt, wenn Holz statt Kohle verbrannt wird?

Wir gehen von einer Reduzierung aus, die im sechsstelligen Bereich sein wird. Momentan liegt der CO?-Ausstoß beim Kraftwerk Farge bei 1,2 Millionen Tonnen im Jahr.

Und was ist mit der Lärmemission? Anwohner befürchten, dass so wie früher wieder Eisenbahnwaggons zum Kraftwerk rollen, nur mit anderer Ladung.

Das wird nicht so sein. Wir wollen uns auf die Brennstoffanlieferung über den Wasserweg konzentrieren. So wie bisher auch. Es ist für uns wesentlich einfacher, günstiger und auch umweltschonender, ein Schiff mit 2100 Tonnen nach Farge zu holen als einen Zug, der 700 Meter lang ist.

Dann werden auch keine Lastwagen von der Entsorgungsfirma Nehlsen vorfahren, der ihr Partner bei dem Projekt ist?

Mit der Firma Nehlsen sind wir derzeit bezüglich der Brennstoffanlieferung im Austausch. Ich kann nicht ausschließen, dass auch mal ein Lastwagen mit Holz aufs Gelände fährt. Aber klares Ziel ist es, die Brennstoffanlieferung in erster Linie per Schiff erfolgen zu lassen.

Wie viel Holz braucht es denn, damit das Kraftwerk auf die gleiche Leistung wie bei der Kohleverbrennung kommt?

Es wird bei dem Projekt eine Leistungsminderung geben. Wir planen weder eine Erweiterung der Kessel- noch der Turbinenanlage, um den geringeren Heizwert von Holz auszugleichen. Welche Mengen verbrannt werden sollen, wird momentan noch berechnet.

Und wie groß wird das Leistungsminus ausfallen?

Momentan kommt das Kraftwerk auf eine Nettokapazität von 350 Megawatt, später werden es 150 weniger sein. Mit anderen Worten: Mit der auf Altholz umgerüsteten Anlage könnten wir die Einwohner der Stadt Bremen ein Jahr lang mit gesicherter Energie versorgen.

Wird es auch weniger Personal geben?

Stand jetzt gehen wir davon aus, dass es beim Personalstand von rund 100 Mitarbeitern bleiben wird.

Die Gewerkschaft Verdi sagt etwas anderes: Sie geht davon aus, dass es nicht mehr so viele Beschäftigte braucht, wenn die Anlage umgestellt wird...

Diese Vermutung gibt unsere Planung im Moment nicht her. Eine detaillierte Personalplanung werden wir zu einem späteren Zeitpunkt erstellen.

Onyx Power will einen zweistelligen Millionenbetrag in den Umbau investieren. Was muss denn alles umgerüstet werden.

Die meisten Umbauarbeiten werden sich auf den Bereich der Brennstoffanlieferung konzentrieren. Natürlich werden wir auch die Kesselanlage und die Rauchgasreinigung optimieren. Von außen wird die Umstellung kaum erkennbar sein. Die Zahl der Gebäude soll bleiben.

Wie lange wird denn der Umbau dauern?

Wir gehen von einer Bauzeit zwischen anderthalb und zwei Jahren aus.

Wann könnte denn aus dem Kohle- quasi ein Holzkraftwerk geworden sein?

Das können wir im Moment noch nicht sagen, weil wir nicht wissen, wie lange das Genehmigungsverfahren dauern wird. Das ist die große Unbekannte in der Rechnung.

Die Holzverbrennung gilt bei manchen Politikern als Übergangslösung. Welche Umbauten am Standort könnten denn noch folgen?

Für uns ist die Holzverbrennung keine Übergangslösung. Was wir uns aber zusätzlich vorstellen können, ist eine Wasserstoffproduktion am Standort aufzubauen – wenn sich dafür eine Allianz aus lokalen Partnern findet.

Und? Gibt es die?

Ich sage es mal so: Es gibt erste Sondierungsgespräche.

Das Gespräch führte Christian Weth.

Zur Person

Zur Person

Jörn Neumann (54)

hat Anfang Februar den Chefposten im Kraftwerk Farge übernommen. Bevor er zu Onyx-Power kam, arbeitete er für die Eon AG und die Steag GmbH. Neumann leitet außerdem das Kraftwerk Wilhelmshaven. Er wohnt in Schortens, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Info

Zur Sache

Die Kohle des Kraftwerks

Im Kraftwerk Farge werden etwa 700.000 Tonnen Steinkohle pro Jahr verfeuert Das Gestein wird in vier Kohlemühlen zu Staub gemahlen und in den Kessel geblasen. Der Brennstoffverbrauch liegt im Volllastbetrieb bei rund 100 Tonnen pro Stunde. Reststoffe, die in der Rauchgasreinigung anfallen, werden für die Bauindustrie wiederverwertet. Die Kohle wurde über Jahrzehnte immer wieder per Bahn und per Schiff angeliefert. Die letzten Kohlewaggons rollten 2014. Die Züge kamen aus Wilhelmshaven.

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