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Nabu-Chef im Interview "Bremens Biodiversität ist erbärmlich"

Nabu-Geschäftsführer Sönke Hofmann kritisiert den Plan, auf der Bahrsplate in Blumenthal nordamerikanische Amberbäume zu pflanzen. Im Interview sagt er warum – und was er stattdessen pflanzen würde.
10.10.2021, 16:00 Uhr
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Von Imke Molkewehrum/mol

Herr Hofmann, warum sind Sie wegen der geplanten Bepflanzung der Bahrsplate so erbost?

Ich ärgere mich über die Planung der Artenzusammensetzung. Jeder Gärtner weiß doch inzwischen, dass eine Vielfalt der Pflanzenarten für Insekten erforderlich ist. Und das müssen einheimische Pflanzen sein. Das ist eine Binsenweisheit. Man kann nicht immer nur auf die Bauern gucken. Da muss auch die Stadt ihren Beitrag leisten. Und es kann nicht alles nur der Optik wegen passieren. Die öffentliche Hand muss mit gutem Beispiel vorangehen. Und das geht nicht mit nordamerikanischen Amberbäumen.

Wie sieht der Amberbaum aus?

Das sind Ziergehölze mit fünflappigen Blättern, aus denen hohe Bäume werden. 

Welche Argumente nennt denn der Umweltbetrieb Bremen für die Anpflanzung?

Amberbäume sind robust. Tatsächlich gibt es Standorte, die für Platanen oder Amberbäume sprechen, beispielsweise Orte direkt an der Straße, wo 90 Prozent der anderen Bäume wegen der Abgase, Beschädigungen und pinkelnder Hunde nicht überleben. Aber auf der Bahrsplate sind sie wertlos für die Natur. Amberbäume und Platanen sind optisch attraktiv, für Insekten aber uninteressant. Da knabbert maximal mal ein Käfer dran, und natürlich gibt es in den USA auch speziell angepasste Schmetterlinge. Aber die Artenvielfalt hängt von heimischen Bäumen, Sträuchern und Pflanzen ab. Einige exotische Pflanzen sind seit 400 Jahren bei uns zu finden, aber die Insekten kennen die Bäume trotzdem nicht. 400 Jahre sind nix, da sind 10.000 Jahre nötig. 

Wie manifestiert sich der Mangel an heimischen Pflanzen – und was empfehlen Sie stattdessen für die Bahrsplate?

Signifikant ist der Rückgang der Masse an Insekten auf etwa 25 Prozent. Man muss der Insektenwelt eine Nahrungsgrundlage liefern anstatt Pflanzen zu pflanzen, mit denen die Tiere nichts anfangen können. Besser sind Weiden, Eichen oder Birken. Die liefern sich seit Jahrtausenden mit Insekten einen Kampf ums Überleben, was nur die Fittesten überstehen lässt. Amberbäume sind aber Windbestäuber und bieten daher herzlich wenig für Insekten. Die Pflanze hat hier in Europa nicht mal Verwandte. Die ersten Verwandten stehen in Syrien. Auf der Bahrsplate würde ich mir einheimische Arten wünschen: Eichen, Flatterulmen, Wildapfelbäume und Sträucher wie Pfaffenhütchen oder Haselnuss. Immerhin sind die geplanten Kornelkirschen und die Breitblättrigen Mehlbeeren in Deutschland heimisch, allerdings nicht in Norddeutschland. Die heimische Vogelbeere wäre daher besser für die Bahrsplate. 

Inwieweit kritisieren Sie Bremen an dieser Stelle?

Bremen ist erbärmlich hinsichtlich der Biodiversität. Trotz 14 Jahren grüner Umweltsenatoren. Aber der Umweltbetrieb weiß, dass Amberbäume trockenresistent und rauchhart, also tolerant gegenüber Immissionen sind. Außerdem kommen sie mit schwerem Boden gut klar. In der Liste dieser robusten Pflanzen sind allerdings fast nur Exoten. Und die unterliegen Modewellen. Würde ein einziger Amberbaum auf der Bahrsplate stehen, spräche natürlich nichts dagegen. Den könnte man dann austauschen, wenn er abgängig ist. 

Inwiefern gibt es Verordnungen zu Exoten?

Es gibt keine, aber der Nabu fordert ein Exotenverbot. In der EU ist eine Biodiversitätsstrategie ausgelegt, sie enthält aber nicht automatisch ein Exotenverbot. 

Was halten Sie in diesem Zusammenhang vom Vegesacker Stadtgarten, wo etliche Exoten stehen, die von Kapitänen importiert wurden?

Da bin ich nicht so vernagelt. Da gibt es kulturelle Hintergründe. Auch Rhododendren sind recht wertlos für die Natur, aber im Rhododendronpark für Artenforschung sinnvoll. Sinnvoll sind Exoten auch an Straßenränder, wo sie besser überleben als andere Pflanzen. Aber hier müssten die Bäume mehr Platz für die Wurzelräume haben, sonst kriegen sie verkrüppelte Füße wie eine Geisha.

Zur Person

Sönke Hofmann (51) engagiert sich seit 26 Jahren für den Naturschutzbund (Nabu) in Bremen und Bremerhaven. Seit 1995 ist er Geschäftsführer des Landesverbandes. Der gebürtige Bremer ist Forstingenieur, wollte aber nicht in diesem Bereich arbeiten. Stattdessen beschloss er, sich in Bremen hauptberuflich für den Naturschutz zu engagieren. Sein Arbeitsplatz befindet sich inzwischen auf einem 30.000 Quadratmeter großen Gelände am Vahrer Feldweg, das der Nabu 2013 geerbt hat und seither sukzessive naturverträglich umbaut. Ursprünglich befand sich dort eine Ziergärtnerei. 

Zur Sache

Ersatzpflanzungen

32 Kirschbäume und 16 Pappeln hat der Umweltbetrieb Bremen  unlängst auf dem Grünzug Bahrsplate an der Weser in Blumenthal gefällt. Sie seien nicht mehr zu retten gewesen, hieß es. Im Zuge der Neugestaltung will der Eigenbetrieb der Stadtgemeinde in der Grünanlage stattdessen drei andere Baumsorten pflanzen. Vorgesehen sind demnach zehn Amberbäume (Liqudambar styraciflua), zwölf Kornelkirschen als Hochstamm (Cornus mas) sowie zehn Breitblättrige Mehlbeeren (Sorbus latifolia). Außerdem will der Umweltbetrieb 16 weitere Bäume als Ersatz für 16 Pappeln pflanzen, die nicht mehr verkehrssicher seien. Geplant ist die Anpflanzung von 48 neuen Bäumen.

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