Eine Anwohnerin reagiert entsetzt, als sie das Ergebnis der Arbeiten im Naturschutzgebiet Eispohl, Sandwehen und Heideweiher sieht. „Hier wird ja alles kaputtgemacht“, klagt sie. Bagger haben anscheinend Zerstörungsarbeit geleistet: Baggerschaufeln haben große Flächen Oberboden abgetragen. Mit einem Traktor samt Anhänger wurde der Boden wegtransportiert. Zurückgeblieben ist offener Sandboden, durchsetzt mit schwarzer und brauner Erde.
„Solche Maßnahmen sind notwendig, um die letzte Heidefläche in Bremen zu erhalten“, sagt Andreas Nagler von der Naturschutzbehörde, „ohne solche Eingriffe würde das Gebiet in kurzer Zeit verbuschen und sich wieder bewalden“. Was die Bagger tun, imitiert im Prinzip eine traditionelle Form der Nutzung von Heideflächen, die über Jahrhunderte gang und gäbe war: „Die Heidebauern haben früher in mühsamer Arbeit mit dem Spaten Heideboden abgetragen und zunächst als Streu in den Stall eingebracht“, erläutert Andreas Nagler. „Dort wurde der Boden durch die Exkremente der Nutztiere nährstoffreicher gemacht und anschließend in die Äcker eingearbeitet – das war eine Form der Düngung, als es noch keinen mineralischen Dünger gab.“
Infolge dieses lange währenden und kontinuierlichen Abtragens der Heideböden entwickelten sich auf dem extrem nährstoffarmen Grund sandige Flächen, die das Niederschlagswasser schlecht halten. Auf diese Verhältnisse haben sich zahlreiche Pflanzenarten spezialisiert, wie zum Beispiel das hellblau blühende Berg-Sandglöckchen oder das blaugrau schillernde Silbergras. Auch eine äußerst artenreiche und heute hochgradig bedrohte Fauna braucht offene Sandböden: Im Gebiet wärmen sich noch Zauneidechsen auf dem lockeren, hellen Sand auf, besonders aber Insekten legen im Sand Löcher, Tunnel oder Trichter an, wie Sandlaufkäfer, Grabwespen und zahlreiche Wildbienenarten. Wenn sich solche Offenflächen wieder mit Gräsern und Kräutern bedecken, sind sie für diese Tiere kein geeigneter Lebensraum mehr.
Das Abtragen von Oberboden wird im Naturschutzgebiet Eispohl, Sandwehen und Heideweiher regelmäßig durchgeführt, zuletzt im Jahre 2014, als zwei Flächen abgeschoben wurden. „Doch bevor wir das machen können, muss jedes Mal eine Kampfmittelprüfung durchgeführt werden“, sagt Florian Melles von der Hanseatischen Naturentwicklung GmbH (Haneg). „Mit Metalldetektoren wird geprüft, ob sich noch Bomben, Granaten oder Munition aus dem letzten Krieg im Boden befinden. Diese Untersuchung ist teurer als das Baggern selbst.“ Bei der aktuellen Überprüfung piepte es überall, denn nach dem Krieg haben die Leute in den Senken des jetzigen Naturschutzgebiets alles Mögliche verfüllt, von eisenhaltiger Schlacke bis zu Brettern mit verrosteten Nägeln – und bei jedem Stück Metall im Boden schlägt der Detektor aus. Alles in allem kosten die Arbeiten einschließlich der Kampfmittelprüfung etwa 10 000 Euro.
Abbrennen keine Alternative
„Zum Baggern gibt es keine richtige Alternative“, sagt Andreas Nagler, „wir haben zwar auch eine Beweidung mit Schafen erprobt, doch in dem viel besuchten Gebiet laufen einfach zu viele Hunde.“ Und auch das großflächige Abbrennen von Flächen, wie es in der Lüneburger Heide heute noch geschieht, habe nicht gut funktioniert. „Weil das Gebiet Eispohl, Sandwehen und Heideweiher zugleich Natura-2000-Gebiet ist, besteht auch seitens der EU die Verpflichtung, die Heidelandschaft intakt zu halten“, sagt Nagler, „und damit sind solche Eingriffe in die Landschaft immer wieder notwendig.“
Über die Baggerarbeiten hinaus werden Teilflächen im Gebiet regelmäßig gemäht und aufkommender Baumwuchs entfernt. Diese Arbeiten werden entkusseln genannt. Im Abstand von mindestens 20 Jahren seien die Abschiebearbeiten notwendig. Sie hinterlassen zunächst einen wenig ansprechenden Anblick: rohe, nackte Böden, auf denen aber schon bald das Insektenleben tobt.
„Die Heide muss verjüngt werden“, sagt Andreas Nagler und kündigt an: „Im Jahr 2019 werden wir eine weitere Fläche abschieben.“ Die Baggerarbeiten, die Mahd und das Entkusseln halten die Heide jung und schaffen zugleich Vielfalt im Gebiet. Denn von den offenen Sandböden über niedrigwüchsige Heidekrautbestände bis zu Ginstergebüschen entsteht ein Mosaik aus Kleinlebensräumen, das durch den Wechsel von nassen und trockenen Flächen noch vielfältiger wird: In den feuchten Senken wächst Sonnentau, in den Übergangsbereichen der vom Aussterben bedrohte Lungenenzian.
Auf den inzwischen vier Jahre alten abgeschobenen Flächen blinkte es schon nach kurzer Zeit von den schillernden Sandlaufkäfern, und Sandwespen trugen Raupen als Beute ein, die ihren Larven im Sand als Nahrung dienen. Ginster, Silbergras, Flechten und Moose haben schon nach wenigen Jahren den Sand überzogen, vor allem aber ist das Heidekraut neu ausgetrieben. Wer auf schmalen Wegen durch das Naturschutzgebiet Eispohl, Sandwehen und Heideweiher wandert, entdeckt Vielfalt auf kleinstem Raum – eine der Folgen des Naturschutzes mit dem Bagger.
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