Herr Nolte, Ihre Vorgängerin sagte zum Abschied, dass die Situation des Klinikums Nord immer angespannt war. Und was sagen Sie nach 100 Tagen als neuer Krankenhausdirektor?
Florian David Nolte: Dass sich daran nicht viel geändert hat. Die wirtschaftliche Lage ist durch die Pandemie genauso angespannt wie die Versorgungslage, die wir aber durch großen Einsatz immer aufrechterhalten konnten. Was die Teams auf den Stationen leisten, ist enorm. Dennoch würde ich sagen, dass die Stimmung unter den Beschäftigten nicht angespannt ist. So habe ich die Mitarbeiter jedenfalls bisher erlebt. Sie sind konzentriert und mit viel Engagement bei der Sache. Hut ab.
Fachkräftemangel, Corona, Stellenabbau: Wie leicht kann es einem da fallen, einen Chefposten in einer Klinik anzunehmen?
Das hängt von der Perspektive ab. Ich bin jemand, der Herausforderungen mag. Und Herausforderungen gibt es im Krankenhaus-Management immer.
Sie hatten bereits geschäftsführende Positionen in anderen Krankenhäusern: Was, würden Sie sagen, läuft im Nordbremer Klinikum besser als anderswo?
Was ich am Klinikum Nord richtig gut finde, dass ist die Verbundenheit der unterschiedlichen Berufsgruppen. Mir war es von Anfang an wichtig, in meinem Alltag ein Gespür dafür zu bekommen, wie alle miteinander umgehen.
Wie gehen denn alle miteinander um?
Was ich bei meinen einzelnen Praktika mitbekommen habe, wird die Kooperation zwischen Ärzten, Pflegekräften und anderem Personal sehr gut gelebt. Das habe ich in dieser Form noch in keinem anderen Haus erlebt.
Und was läuft in Nord schlechter als in anderen Kliniken?
Das kann ich auf Anhieb gar nicht so genau sagen. Was ich aber sagen kann, ist: Es wird eine Herausforderung sein, die Balance zwischen der Versorgung von Covid-19-Patienten und der Behandlung von anderen Patienten wieder umzusteuern. Die Ressourcen haben sich in den vergangenen Monaten zwangsläufig sehr verschoben.
Neue Geschäftsführer entwickeln in den ersten Monaten meistens eine Liste mit Ideen, die sie umsetzen wollen. Wie lang ist Ihre?
Auf der steht in der Tat inzwischen eine Menge. Fast jeden Tag kommt etwas Neues hinzu.
Und was steht bisher auf der Liste?
Zum Beispiel, dass wir unsere medizinischen Leuchttürme wie das Trauma- und das Gefäßzentrum noch prominenter in der öffentlichen Wahrnehmung platzieren sollten. Dass der Bereich Pflege durch Marketingmaßnahmen weiter voranzubringen ist, genauso wie die Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten. Und – ganz wichtig – dass der Versorgungsauftrag so schnell wie möglich wieder so erfüllt werden kann, wie er vor der Corona-Pandemie erfüllt wurde.
Bei Ihrem Amtsantritt sagten Sie, dass das Nordbremer Klinikum eine gute Größe hat. Und was sagen Sie den Stadtteilpolitikern, denen das Krankenhaus nicht groß genug ist?
Ich bin mir durchaus bewusst, dass manche mehr wollen. Dennoch halte ich das Krankenhaus zum jetzigen Zeitpunkt für gut aufgestellt. Was später ist, wird sich zeigen. Wir sind dabei, Prozesse zu analysieren. Deshalb wissen wir, dass es noch Potenziale gibt.
Mehrere Parteien fordern einen Ausbau der Kardiologie. Welche Chancen sehen Sie dafür?
Intern sind wir jetzt schon dabei, Abläufe bei der Notfallversorgung weiter zu optimieren. Sollen es die Bedarfszahlen hergeben, die jetzt von der Behörde ermittelt werden, gehe ich fest davon aus, dass wir mit der Geschäftsführung des Klinikverbundes zu einer guten Lösung kommen werden.
Und wie sind Ihrer Meinung nach die Aussichten, dass die Frühchenstation nicht verkleinert wird?
Meine Einschätzung ist, dass die Frühchenversorgung gut zu uns passt und die Nordbremer Geburtshilfe allgemein sehr stark von werdenden Müttern nachgefragt wird. Das Team ist hoch motiviert.
Was nützt ein hoch motiviertes Team, wenn der Klinikverbund auf Sparkurs ist?
Ich denke, dass man das differenzieren muss. Natürlich hat der Verbund wirtschaftliche Zwänge. Das heißt aber nicht automatisch, dass eine Station einfach verkleinert oder geschlossen wird. Schon gar nicht eine, die so wichtig ist wie die Pädiatrie-Abteilung.
Vor Monaten hieß es, dass allein am Nordbremer Krankenhaus bis 2025 rund 50 Stellen abgebaut werden sollen, auch medizinische. Was macht Sie so optimistisch, dass Stationen trotzdem bleiben, wie sie sind?
Nach meiner Ansicht geht es nicht darum, Leistungspotenziale herunterzufahren, um so und so viel Personal einzusparen. Sondern um Abläufe zu verbessern und wirtschaftlicher zu machen. Gelingt das, kann das durchaus bedeuten, dass Leistungsangebote ausgebaut werden – und mit ihnen der Mitarbeiterstamm.
Zuletzt wurde von einem Defizit des Klinikverbundes von mehr als 40 Millionen Euro gesprochen. Wie groß ist mittlerweile das Minus des Nordbremer Krankenhauses?
Ich sage es mal diplomatisch so: Auch das Nordbremer Krankenhaus hat einen Teil zum Defizit beigetragen. Es gibt jedoch Potenziale, das Minus nach und nach auszugleichen.
Dass Einnahmen ausgeblieben sind, hat der Verbund nicht zuletzt mit der Pandemie erklärt: Immer wieder mussten Operationen, die Geld bringen, verschoben werden. Wie weit ist der Betrieb wieder hochgefahren?
Die Lage hat sich mittlerweile deutlich verbessert. Das hat zum einen mit weniger Corona-Fällen zu tun, zum anderen mit der hohen Impfbereitschaft der Beschäftigten. Als ich kam, gab es zwei Covid-19-Stationen, jetzt gibt noch eine Station. Das heißt, dass immer mehr Pflegekräfte wieder für andere Abteilungen zur Verfügung stehen.
Und was ist mit der Zahl der Operationen?
Die erhöht sich immer mehr. Nach meinem Kenntnisstand gibt es kaum noch Einschränkungen in diesem Bereich.