Die Einsätze mit psychisch kranken Menschen nehmen zu. Das hat der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Bremen, Nils Winter, ausgemacht. Diese Entwicklung belegt er mit Zahlen. Im Jahr 2022 habe sich die Polizei in Bremen noch mit 2484 psychisch kranken Menschen befassen müssen, 2023 seien es 2552 gewesen und 2024 sei es zu 2766 Einsätzen gekommen. „Das sind auch gefährliche Einsätze“, so Winter. Aber leider fehle es an Kapazitäten, bedauert er. Insofern müsse mehr gemacht werden. „Es braucht außerdem eine bessere Kommunikation zwischen Polizei und Gesundheitsbehörde“, wünscht sich der Landesvorsitzende.
Die Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie ist Teil des Klinikums Bremen-Ost und verfügt über 155 Plätze. In dieser Klinik werden laut Karen Matiszick, Leiterin Unternehmenskommunikation der Gesundheit Nord gGmbH, Menschen behandelt, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder im Zusammenhang mit einer Suchterkrankung im erheblichen Maße straffällig geworden sind. „Ziel der Behandlung ist, die Patientinnen und Patienten wieder in die Lage zu versetzen, straffrei zu leben.“
Drogenproblemtik und schizophrene Symptomatik
In der Klinik arbeiten Matiszick zufolge zahlreiche Berufsgruppen zusammen wie Psychiater, Pflegekräfte, Therapeuten, Erzieher und weitere. Als Veränderung sei ausgemacht worden, so Matiszick: „Anders als früher behandeln wir heute eine hohe Anzahl von Menschen, die mit Drogenproblematik und schizophrener Symptomatik aufgenommen werden.“
Auch an Verteidigern geht die Auseinandersetzung mit psychisch kranken und strafauffälligen Menschen nicht vorbei. „Wichtig ist, dem Beschuldigten zunächst unbefangen zu begegnen. Nur dann können Taten und Motive in eine Beziehung zueinander gesetzt werden. Nicht jede Handlung ist logisch nachvollziehbar, das gilt insbesondere bei kranken Menschen“, sagt Rechtsanwalt Tim Jesgarzewski. Die rechtlichen Hürden für eine verminderte Schuld seien aber hoch. „Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe gemildert werden.“ Dies könne der Fall wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung sein, so der Anwalt.
Sachverständige helfen
Auch nehmen ihm zufolge psychische Krankheiten seit Jahren zu. Das zeigten alle Erhebungen der Krankenkassen. „Folglich wachsen auch Straftaten von psychisch erkrankten Menschen an.“ Depressionen und paranoide Wahnvorstellungen kommen laut Jesgarzewski nicht selten vor. Für ihn gibt es hinsichtlich der Hilfe für psychisch kranke Straftäter noch Luft nach oben. „Das gilt ambulant genauso wie stationär“, ist die Auffassung des Anwalts. Je „einzelfallbezogener“ gearbeitet werden könne, desto besser. „Jeder Fall, jeder Mensch ist anders. Pauschalisierungen verbieten sich.“
Psychische Auffälligkeit sei noch kein Maßstab für ihn als Richter, sagt Jens Florstedt, Strafrichter und Direktor des Amtsgerichtes Blumenthal. „Auch eine psychische Erkrankung kann für die Tat, das Strafverfahren und die Strafe ohne Bedeutung sein.“ Bedeutung gewinnt laut Florstedt eine psychische Erkrankung für ihn gerade dann, wenn das Strafverfahren deshalb besonders geführt werden muss. „Oder wenn die Schuldfähigkeit des Angeklagten beeinträchtigt erscheint.“ Darauf könne man sich als Richter ein Stück weit einstellen. Vor jeder Hauptverhandlung lese man die Ermittlungsakte. „Aus ihr ergeben sich häufig wertvolle Anhaltspunkte für psychische Auffälligkeiten oder Erkrankungen.“
Wenn die Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Begehung der Tat dem Strafrichter zufolge relevant beeinträchtigt erscheint, ist in aller Regel die Hinzuziehung eines Facharztes für Psychiatrie geboten. „Ein solcher Sachverständiger kann dem Gericht dabei helfen, festzustellen, ob jemand zur Tatzeit ohne Schuld handelte.“
Einzelfall genau bewerten
Ohne Schuld handelt laut Florstedt, wer infolge bestimmter psychischer Erkrankungen „unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“. Dann sei eine Bestrafung ausgeschlossen, eine geschlossene Unterbringung in der Psychiatrie aber möglich. Denkbar sei auch, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit infolge der psychischen Erkrankung nur erheblich vermindert gewesen sei. „Ist das der Fall, kann die Strafe gemildert werden, muss es aber nicht“, so der Richter.
Grundsätzlich sagt er: „Man muss sich den Einzelfall sehr genau anschauen, ob die psychische Erkrankung die Schuld beeinträchtigt hat. Das macht die Richterschaft im Strafverfahren regelmäßig in der Hauptverhandlung.“ Die sei bei erwachsenen Angeklagten in aller Regel öffentlich.
Damit überein stimmt auch Martin Schanz, Pressedezernent der Staatsanwaltschaft Verden. „Im Fall des Falles kommt es auf den Einzelfall drauf an“, betont Schanz. Ein „wichtiger Gesichtspunkt“ sei für ihn, ob sich ein Mensch führen lasse und ob eine Krankheitseinsicht vorliege. Zudem verweist er auf die entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch. Demnach kann das Gericht bei einer rechtswidrigen Tat, die jemand im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen.