Blumenthal. Sarah Matschulla kennt das schon: Vereine wollen ihr Angebot ausbauen, können es aber nicht, weil Hallen und damit freie Hallenzeiten fehlen. Die Frau weiß das, weil sie immer wieder bei der Behörde nachgefragt hat – und weil andere Sportfunktionäre ihr das erzählen. Die Chefin des Blumenthaler Vereins für Turn und Tanz verfolgt deshalb inzwischen einen anderen Plan. Statt nach freien Hallen zu suchen, will sie Hallen bauen. Es ist nicht die erste Eigeninitiative eines Vereins, um dem Mangel zu begegnen.
Matschulla sagt, dass ihr Verein im Grunde keine andere Wahl hat als zum Bauherren zu werden. Momentan kommen die 200 Vereinsmitglieder in drei Sporthallen unter: in Farge, Rekum und Rönnebeck. Alle Hallen sind Schulturnhallen. Und das, meint Matschulla, könnte zum Problem werden, wenn mehrere Schulen wie angekündigt zusammengelegt werden – und mit den Altbauten auch alte Turnhallen verschwinden. Die Vereinschefin weiß nicht, ob es tatsächlich so kommt. Sie will aber auch nicht einfach darauf warten, bis es zu spät und das Problem für den Sport größer geworden ist.
Seit zwei Jahren führt sie Gespräche: mit Vereinsmitgliedern, dem Ortsamtsleiter, der Wirtschaftsförderung, dem Sportamt, der Bildungsbehörde, dem Sportbund, Bauunternehmern. Die Schreiben und Antwortschreiben füllen mehrere Aktenordner. Matschulla sagt, dass sie bisher noch kein einziges Nein von ihren Ansprechpartnern bekommen hat. Und dass jetzt die letzte Planungsphase beginnt – nicht für eine einzelne Turnhalle, sondern für zwei Turnhallen. Und nicht für eine herkömmliche Sportstätte, sondern für ein Sport- und Gesundheitszentrum mit Tanzraum, Reha-Kursen und Physiopraxis.
Der Verein plant groß. Im Prinzip plant er für alle. Matschulla spricht von einem Projekt, das den Stadtteil voranbringen soll – genauso wie es der künftige Bildungscampus auf dem Woll-Kämmerei-Gelände tun soll, in dessen Nachbarschaft das Sportzentrum geplant wird. Und das nach den Worten der Vereinschefin von jedem Verein, jeder Gruppe, jeder Schule und auch von jedem Kindergarten genutzt werden soll. Sport von klein auf sozusagen, aber nicht im kleinen Stil: 4000 Quadratmeter misst das Grundstück, das die Wirtschaftsförderung für den Verein auf dem früheren Industriegelände reserviert hat.
Das Grundstück grenzt an die Straße Marschgehren und liegt damit am Rand des Kämmerei-Areals. Genauso wie die sogenannte Fliegerhalle weiter westlich auf dem Gelände. Auch für sie gibt es Pläne, auch sie soll – wenn die Pläne aufgehen – von Vereinen und Schulen genutzt werden: als Schwimmbad. Christian Gerken hat sich gedacht, was auch Sarah Matschulla denkt. Wenn die Stadt nicht baut, müssen eben die Vereine bauen. Gerken ist Spartenchef bei der Sportgemeinschaft Aumund-Vegesack und hat so wie die Blumenthaler Vereinsvorsitzende vieles versucht, um mehr Hallenzeiten zu bekommen.
Er sprach mit dem Privateigentümer des Grohner Bades, mit den Bremer Bädern, mit anderen Vereinen und anderen Betreibern. Doch niemand, sagt Gerken, kann helfen, weil alle dieselben Probleme haben: mit Gebäuden und Becken, die kaputt sind, mit Betriebskosten, die von Jahr zu Jahr steigen, mit zusätzlichen Hallenzeiten, die es immer seltener gibt. Und mit immer mehr Kindern, die deshalb nicht sicher schwimmen können. Der Spartenleiter sagt, dass das inzwischen auf fast 60 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen zutrifft. Und dass Kinder mittlerweile ein halbes Jahr auf einen Platz im Kursus warten müssen
Knapp zehn Seiten hat Gerkens Schwimmbad-Konzept. Es zeigt die Fliegerhalle, wie sie jetzt von außen aussieht. Und es zeigt einen groben Grundrissplan, wie sie später einmal von drinnen ausschauen könnte: hier das 50-Meter-Becken mit acht Bahnen, dort das Lehrschwimmbecken, davor die Duschen, Sanitäranlagen und Umkleidekabinen, darüber das Materiallager, daneben die Fitness- und Gymnastikräume. Der einzige Anbau, den es geben soll, ist ein Glasvorbau, der zugleich der Eingang ist. Gerken will mit Myrtha Pools zusammenarbeiten, ihm zufolge Europas größtem Schwimmbadbauer.
Seit einem Jahr verfolgt er die Schwimmbad-Idee und seit einem halben den Fliegerhallen-Plan. Anfang des Jahres hat Gerken gemacht, was Vereinschefin Matschulla noch machen will. Er stellte das Vorhaben den Blumenthaler Beiratsmitgliedern vor. Sagte ihnen, dass der Umbau der Fliegerhalle rund neun Millionen Euro kosten wird und die Finanzierung des Projekts noch in diesem Jahr abgeschlossen sein könnte. Das hofft auch Matschulla für das Sport- und Gesundheitszentrum. Konkrete Zusagen gibt es nach ihren Worten zwar noch nicht, aber Gespräche über weitere Planungsschritte.
Die nächsten sind ihr zufolge die entscheidenden. Architekten sollen zumindest schon mal auf Papier anschaulich machen, was sich die Vereinsmitglieder später auf dem Grundstück vorstellen. Einen ersten Kostenvoranschlag eines Bauunternehmens gibt es schon. Matschulla sagt, dass der sich zwischen drei und vier Millionen Euro bewegt – je nachdem, welche Ausstattungsvarianten gewählt werden. Die Tanzsportlerin weiß, dass das viel Geld für einen Verein ist. Sie weiß aber auch, wie er den Kredit bei der Bank gegebenenfalls abbezahlen könnte. Was an Miete reinkommt, soll für die Tilgung ausgegeben werden.
Das Finanzkonzept sieht eine strikte Zweiteilung vor. Vormittags sollen die Hallen und Räume an Schulen, Kindergärten und Reha-Gruppen vermietet werden, nachmittags an Vereine. Matschulla glaubt kaum, dass ihre Rechnung am Ende nicht aufgehen könnte – nicht bei so vielen Sportlern, die es gibt, und so wenigen Hallenzeiten, die angeboten werden. Ihren Business- und Sportzentren-Plan will sie demnächst den Beiratsmitgliedern vorstellen. Und mit ihnen auch darüber sprechen, wie es möglich werden könnte, dass der Verein in der letzten Planungsphase finanzielle Hilfe bekommt.
Gibt es die und auch weiterhin kein Nein der Behörden, geht sie von einem Baustart spätestens im nächsten Jahr aus.