Bremen-Nord. Sie sind Wissenschaftler, Sozialarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer, Altenpflegekraft, Koch oder Busfahrerin. Die 16 Männer und Frauen, die nun wieder die Schulbank drücken, sind fachlich bestens gerüstet und waren in ihren Heimatländern in ihren Berufen fest verankert. Dann sind sie geflohen. Wie Lawand Ibrahim, der 2015 mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschland kam. Der Maschinenbauingenieur hatte Pläne. Obenan stand: „erstmal Deutsch lernen“. Und danach: „Einen Job in meinem Beruf finden und den Meister machen“, blickt er zurück. Für die Weiterbildung habe er ein Stipendium vom Goethe-Institut gehabt, erzählt der jetzt 56-Jährige. Doch klappen sollte es mit dem Job nicht. „Drei Jahre lang habe ich eine Stelle als Ingenieur gesucht“, berichtet Ibrahim Lawand. Während der Pandemie sei die Suche noch schwieriger geworden, „und mein Alter spielt wohl auch eine Rolle“. Bekommen habe er jedenfalls nur Absagen. Das sei bitter.
Dann erzählte ihm ein Freund von der Möglichkeit, sogenannter Sprinter zu werden. Neue Aussicht auf eine ganz andere Arbeit. Zusammen mit dem Verein „bras“ und dem Jobcenter qualifiziert das Paritätische Bildungswerk Bremen Migrantinnen und Migranten als Integrations- und Sprachmittler für geflüchtete Menschen. Dafür bietet das Paritätische Bildungswerk spezielle Schulungen an, um die Teilnehmenden zu befähigen, in bestimmten Situationen dolmetschen zu können. Sie nennen sich Sprinter. „Über zwölf Wochen erweitern und festigen sie ihre Kompetenzen als interkulturell Dolmetschende“, sagt Antonia Bontscheva-Sodemann. Die Germanistin aus Bulgarien unterrichtet die 16 Frauen und Männer, die aus dem Iran und dem Irak, aus Syrien, der Türkei, aus Guinea oder dem Libanon stammen. „Im Moment sucht das Sprinter-Projekt auch dringend Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die über gute Deutsch- und Ukrainisch-Kenntnisse verfügen, um aus der Ukraine geflüchtete Menschen bei ihrer Ankunft in Bremen zu begleiten“, fügt die Lehrerin hinzu.
Sprinterkurs für Integrationshelfer: Lawand Ibrahim
Entstanden war das Projekt „Sprinter Bremen“ im Jahr 2016, „als viele Menschen nach Deutschland geflüchtet sind“, berichtet Antonia Bontscheva-Sodemann. Das Haus der Familie in Huchting habe damals zehn Migranten als Integrations- und Sprachmittler eingestellt. Ihre Aufgabe war es, „Menschen aus den Flüchtlingsunterkünften hinauszubegleiten und sie bei ihren Behördengängen und Terminen – etwa bei Ärzten, beim Jobcenter oder in Schule und Kita - sprachlich zu unterstützen“. In den vergangenen Jahren habe sich das Projekt gut weiterentwickelt. So arbeiten die Sprinterinnen und Sprinter inzwischen auch in Integrationszentren anderer Stadtteile wie in Bremen-Nord. Von dort ist auch Lawand Ibrahim aktiv. „Ich übersetze Briefe oder begleite die Kunden zu Ärzten und Anwälten oder bin bei Elterngesprächen in der Schule dabei“, berichtet der Blumenthaler von seinen Aufgaben. Seine Muttersprache sei kurdisch, erzählt der Vater von fünf Kindern. Seine Dolmetscher-Einsätze hat er immer dort, wo Arabisch gefragt ist. Die deutsche Sprache beherrscht er gut.
Das sei auch eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am Sprinter-Projekt, sagt Antonia Bontscheva-Sodemann. Gute Deutschkenntnisse müssen die Teilnehmer ebenso mitbringen wie „die Fähigkeit, schnell und flexibel zwischen der deutschen und der Muttersprache wechseln zu können“. Die Kenntnis von Fachbegriffen aus dem Bereich Medizin, Bildung und Soziales ist ebenso wichtig. Sie stehen genauso auf dem Stundenplan wie Techniken des Dolmetschens. Ein wichtiger Aspekt der Schulung sei aber vor allem, dass die Sprinter die Grenzen ihrer beruflichen Rolle kennenlernen und einhalten müssen, berichtet Lawand Ibrahim. Es gehe darum, genau hinzuhören und wortwörtlich zu übersetzen. „Ist etwas unklar, müssen wir nachfragen.“
Antonia Bontscheva-Sodemann
Die Hilfe der Sprinter sollte nicht über das Sprachliche hinausgehen, betont die Lehrerin. Was gelegentlich auch eine Herausforderung sein kann, wenn die Dolmetscher als allgemeine Problemlöser angesehen werden. „Das ist nicht Ihre Aufgabe“, gibt Antonia Bontscheva-Sodemann den Teilnehmenden mit auf den Weg und bietet dazu Rollenspiele zum Üben an. „Ihre Kunden sind nicht Ihre Familienangehörigen, Nachbarn oder Freunde. Ihre Hilfe sollte nicht über das Sprachliche hinausgehen“, lautet eine wichtige Devise für den anspruchsvollen Sprinter-Job.