Das Geschichtenhaus macht seit nun mehr fünf Jahren das Leben des 19. Jahrhunderts in Vegesack lebendig. Der Hafen ist nur einen Steinwurf entfernt und spielt die zentrale Rolle. Am Freitag wurde dieser runde Geburtstag mit einem kleinen Festakt begangen. Das Ensemble gewährte den Gästen dabei einen kleinen Einblick in die Arbeit, die hinter den Mauern des alten Speichers geleistet wird. In historisch nachempfundenen Kostümen betraten die Mitarbeiter die Szenerie in der Hafenschänke des Hauses und stellten sich kurz als Walfänger, Seemanns-Witwe oder Advokat vor. Das alles sind Figuren, die bei den Führungen im denkmalgeschützten ehemaligen Lange-Speicher die maritime Geschichte des Walfangs, sowie das Wirken und Schaffen des legendären Schiffbauers Johann Lange und seiner Familie nacherzählen.
"Ich bin stolz auf das, was die Kollegen hier auf die Beine stellen", sagt Helle Rothe, pädagogische Mitarbeiterin des Geschichtenhauses. In einführenden Worten blickte sie fünf Jahre zurück: "Wir hatten sieben Darsteller und ich habe ein halbes Jahr damit verbracht, die Rollen zu entwickeln". Mittlerweile sei diese Arbeit zum Selbstläufer geworden. "Im Team gibt es hohes Engagement, die Geschichten und neue Figuren zu entwickeln", sagt sie. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn im Geschichtenhaus kommen keine professionellen Schauspieler zum Einsatz. Vielmehr wird mit Langzeitarbeitslosen gearbeitet. Auf die Bühne treibt es viele von ihnen nicht unbedingt. "Die Kostüme aus der eigenen Schneiderei helfen den Kollegen dabei, in die Rolle zu schlüpfen und ins Rampenlicht zu treten. Dort entwickeln sie neues Selbstbewusstsein."
Derzeit sind im Vegesacker Geschichtenhaus 20 Menschen in unterschiedlich geförderten Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Sie sind am Einlass oder in der Buchungsabwicklung tätig, nehmen an den Spielführungen als Darsteller teil oder übernehmen Aufgaben in den Bereichen Veranstaltungsservice und Gastronomie. Darüber hinaus wurde eine Kreativwerkstatt eingerichtet, in der Kostüme und Accessoires geschneidert werden. Das Team wird von zahlreichen Ehrenamtlichen verstärkt.
"Es ist wichtig, den Weg zurück in die Arbeitswelt zu finden. Dafür sind solche Projekte wertvoll", würdigte Staatsrat Kai Stührenberg die Arbeit im Vegesacker Geschichtenhaus. Im Namen der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, Kristina Vogt, stellte er in Aussicht, weitere Projekte dieser Art schaffen zu wollen. Denn: "Dieser Ort stiftet Identität", betonte Stührenberg.
Starthilfe leistete zu Beginn der Vegesacker Beirat, der Mittel zur Verfügung stellte. "Vom ersten Tag an gab es viel Unterstützung im Marketing durch die WFB. Eine Förderung, die bis heute besteht und dem Haus sehr hilft", bedankte sich Leiterin Silvia Claus für die Treue der Wirtschaftsförderung. Mittlerweile kann sich das Geschichtenhaus auf Mittel aus verschiedenen Fördertöpfen stützen. So kann aus dem Bundesprogramm „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ vielen Beschäftigten eine mittelfristige Perspektive aufgezeigt werden. Heute sind zehn Mitarbeiter über das Programm Vollzeit und sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Neben den Maßnahmeteilnehmern ist das eine zweite Stütze des Hauses.
Über die szenischen Führungen in von Roland Wehner liebevoll gestalteter Theaterkulisse hinaus wird im Vegesacker Geschichtenhaus ein vielfältiges Programm angeboten. In der neu gestalteten Galerie-Etage mit Café können Bühnenprogramme oder Ausstellungen stattfinden. Derzeit sind Aquarelle und Skulpturen von Hiltrud Steuble-Deigmöller zu sehen. Noch bis Ende April gewährt sie Einblick in das vielfältige Schaffen einer Steinmetzin und Künstlerin.

Staatsrat Kai Stührenberg (links) würdigte die Arbeit der Mitarbeiter des Vegesacker Geschichtenhauses.
Mittlerweile waren oder sind 61 Beschäftigte zwischen einem halben und drei Jahren in den unterschiedlichen Maßnahmen im Haus tätig. 33 Beschäftigte hatten oder haben geförderte Arbeitsverträge; zudem waren 15 Ehrenamtliche im Haus tätig oder sind es noch immer. Insgesamt 23 Ausstellungen sind bereits gezeigt worden. Zudem sind 34 Lesungen und Vorträge über die Bühne gegangen.
Das nächste große Einzelprojekt wird am 2. Juni Premiere feiern. Dann spielt das Geschichtenhausensemble unter freiem Himmel vor dem Geschichtenhaus "Moby Dick" – die Geschichte von Kapitän Ahab, der den weißen Wal töten will, der ihm ein Bein abriss – in der Fassung von Regisseur Jonathan Prösler.
Das Vegesacker Geschichtenhaus ist immer mittwochs bis sonnabends zwischen 11 und 16 Uhr (letzter Einlass um 15 Uhr) geöffnet. Für Schulklassen wird auf Anfrage auch außerhalb dieser Zeiten geöffnet.