Frau Schaefer, Herr Kotte, geht es um Bauprojekte im Bremer Norden, werden zwei Stadtteile besonders häufig genannt. Wo, würden Sie sagen, gibt es momentan die meisten Millionenvorhaben – in Vegesack oder Blumenthal?
Maike Schaefer: Ich würde sagen, dass es die meisten Großprojekte in Vegesack gibt. Zusammen mit den Vorhaben in Blumenthal kann man sagen, dass im Bremer Norden bautechnisch mehr passiert als im Westen, Osten und Süden.
Und wer liegt bei Ihnen vorn, Herr Kotte?
René Kotte: Ich würde ad hoc von derselben Reihenfolge ausgehen.
Wie erklären Sie es sich, dass Burglesum zurzeit seltener als Standort für Großprojekte genannt wird als die beiden anderen Stadtteile?
Schaefer: Das liegt daran, dass in Vegesack und Blumenthal gerade eine Menge Gebiete entwickelt werden, die mal Gewerbegebiete waren – und diese Grundstücke in Burglesum im Moment kein Thema sind. Und weil wir nicht wollen, dass Grünflächen bebaut werden, sind die Projekte dort eben vergleichsweise kleiner.
Win-Gebiete, Fördergebiete und jetzt auch ein Sanierungsgebiet: In Blumenthal gibt es viele Projekte, weil es auch viele Probleme gibt. Ein Versäumnis der Stadt?
Schaefer: Ich würde nicht von einem Versäumnis sprechen, sondern davon, dass inzwischen dringender Handlungsbedarf erkannt wurde. Zum Beispiel im Blumenthaler Stadtteilzentrum, das durch die vielen großen Geschäfte, die im Müllerloch entstanden sind, zunehmend Konkurrenz bekommen hat.
In diesem Sommer ist das Blumenthaler Zentrum zum Sanierungsgebiet erklärt worden – warum erst jetzt, schließlich ist die Lage nach Ansicht der Ortspolitik seit Jahren desolat?
Schaefer: Wir waren uns in dieser Legislaturperiode sofort einig, dass gehandelt werden muss. Ich bin seit dreieinhalb Jahren Senatorin. Was davor war, haben andere zu verantworten.
Wie viel hat eigentlich die Analyse des Ortskerns gekostet, bei der herauskam, was viele schon wussten und jeder sehen kann: dass der Zustand der Gebäude schlecht ist, die Leerstandsquote hoch und die Geschäftsstraße ohne Geschäfte?
Kotte: Eine Zahl kann ich auf Anhieb nicht nennen. Was ich aber sagen kann, ist: Die Analyse ist vorgeschrieben. Sie ist quasi Pflichtprogramm, um ein Sanierungsgebiet ausweisen zu können.
Schaefer: Es geht auch um Fördergeld des Bundes – und das gibt es nur auf Basis solider Daten.
Was macht Sie so optimistisch, dass die Situation im Zentrum diesmal wirklich besser wird, nachdem das schon einmal ohne Erfolg probiert worden ist?
Schaefer: Die Tatsache, dass es schon mehrere Sanierungsgebiete in der Stadt gegeben hat und die Projekte in diesen Gebieten erfolgreich waren – nicht sofort auf Knopfdruck, aber im Lauf der Sanierungszeit. Es geht ja nicht einfach nur darum, Fassaden schön zu machen, sondern vor allem darum, an die Immobilieneigentümer heranzugehen und das gesamte Umfeld zu verbessern.
Auch beim ersten Anlauf sollten Gespräche mit Eigentümern geführt werden.
Schaefer: Sie sprechen die sogenannten Kümmerer an. Aber deren Team damals war kleiner und hatte keine finanziellen Mittel. Der Unterschied jetzt ist, dass wir Millionen in die Hand genommen haben, die investiert werden sollen – und dass es einen Generalunternehmer geben wird, der die Ziele umsetzt, die in einem Entwicklungskonzept zusammengetragen werden.
Die Sanierung des Ortskerns ist ein 21-Millionen-Euro-Projekt. Um wie viel Geld wird es eigentlich beim Bildungscampus im Kämmerei-Quartier gehen, von dem Impulse fürs Stadtteilzentrum erwartet werden?
Kotte: Der Campus-Plan ist noch nicht fertig. Darum kann auch noch keine Endsumme genannt werden.
Auch der Plan für die Zentrumssanierung ist noch nicht fertig. Und trotzdem wird eine Summe genannt.
Schaefer: Der Campus-Plan ist nicht unser Plan. Er wird von der Bildungsbehörde entworfen. Und die hat bisher noch keine Zahl genannt, wie viel das Projekt kosten wird.
Speicher-Quartier, Steingut-Quartier, Strandlust-Quartier: Anders als in Blumenthal geht es in Vegesack vor allem um mehr Wohnungen. Wie groß wird das Plus in den nächsten Jahren sein?
Kotte: Wir gehen davon aus, dass es bei diesen Projekten zusammengerechnet um 1100 Wohnungen gehen wird.
Und wie groß ist das Plus in dieser Wahlperiode im Bremer Norden?
Kotte: Seit 2019 beträgt das Plus etwa 750 Wohneinheiten, die allein in unserem Zuständigkeitsbereich geplant, genehmigt und teilweise auch schon gebaut worden sind. Daneben gibt es natürlich auch viel Bautätigkeit in den Bestandsquartieren, die in dieser Zahl aber nicht enthalten ist.
Zuletzt hieß es, dass der Bund sein Ziel, 400.000 Wohnungen im Jahr zu schaffen, klar verfehlt. Und wie fällt die Bilanz in Bremen aus?
Schaefer: Unsere Bilanz fällt gut aus. Wir haben die geplanten 10.000 Wohnungen, die es zusätzlich in der Stadt in dieser Legislaturperiode geben sollte, fast erreicht. Sie sind noch nicht gebaut, aber wir haben sie – so wie es unser Auftrag war – geplant oder genehmigt. Zum Beispiel im Speicher- und bald auch im Steingut-Quartier.
Wie steht es eigentlich um die Frist beim Steingut-Projekt, bis zum nächsten Frühjahr das Baurecht geschaffen zu haben? Kann sie eingehalten werden oder geht es in die Verlängerung?
Kotte: Wir sind im Augenblick in der öffentlichen Auslegung. Das ist der letzte Verfahrensschritt bei der Aufstellung eines Bebauungsplans. Im Januar ist die Auswertung der Bürgereingaben geplant. Danach werden wir wissen, ob dieser Plan ohne Überarbeitung in die Beschlussfassung geht oder nicht.
Und wann könnte der Baustart für das Projekt sein, das so groß ist, dass die Stadt zur Partnerin wurde?
Kotte: Theoretisch könnte es im nächsten Jahr so weit sein, dass die ersten Erschließungsarbeiten beginnen.
Es gibt immer wieder Bürger, die sagen, dass es nicht die Behörde ist, die Stadtentwicklung vorantreibt, sondern eine Handvoll Privatinvestoren – und dass das Ressort quasi Partnerschaften eingehen muss, um noch eine Rolle zu spielen. Was sagen Sie?
Schaefer: Das teile ich so nicht. Es ist nicht Aufgabe der Behörde zu bauen, sondern Bauprojekte zu begleiten. Das Ressort schafft Bau- und Planungsrecht – und die Bauträger schaffen Quartiere und Wohnungen. Und zwar nach unseren Vorgaben. So gesehen spielen wir eine entscheidende Rolle.
Wie schwer ist es eigentlich für die Behörde, Projektentwickler davon zu überzeugen, dass Quartiere nachhaltiger werden müssen – so wie es zu Beginn der Legislaturperiode beschlossen wurde?
Schaefer: Ich finde, dass es gar nicht schwer ist, Projektentwickler davon zu überzeugen. Sie haben längst verstanden, dass man klimaschonend bauen muss. Schließlich erwarten Käufer und Mieter mittlerweile einen hohen energetischen Standard, um so geringe Nebenkosten wie möglich zu haben.
Und warum ist dann jetzt noch der Bremer Standard neu dazugekommen, wenn Projektentwickler sowieso schon nachhaltig bauen?
Schaefer: Weil der Bremer Standard noch einen Schritt weitergeht. Jetzt geht es beispielsweise nicht mehr um 50 Prozent der Dachflächen von Neubauten, die mit Fotovoltaik ausgestattet werden sollten, sondern um 70 Prozent.
Und wann bekommt ein städtisches Gebäude wie das Vegesacker Stadthaus eine Fotovoltaikanlage und Rasen aufs Dach, so wie Sie es Projektentwicklern vorgeben?
Schaefer: Bei Bestandsbauten ist es ungleich komplizierter, sie mit nachhaltiger Technik und einem grünen Dach auszustatten. Das hat mit der Statik zu tun. Deshalb gibt es die Pflicht für ein begrüntes Dach auch nur für Neubauten. Und auch nur für solche, die eine bestimmte Größe haben. So ist es vom Senat entschieden worden.
Jetzt soll wieder etwas entschieden werden: Wie steht es denn inzwischen um die Verhandlungen über den Kauf der Grohner Düne?
Schaefer: Ich bitte um Verständnis, dass ich dazu im Moment noch nichts sagen möchte, weil die Verhandlungsgespräche noch laufen.
Und wann werden sie abgeschlossen sein?
Ich denke, dass sie bis ins Frühjahr andauern werden.