28 Jahre ist Monika Eichmann im öffentlichen Dienst in Bremen beschäftigt, und wenn die angestellte Lehrerin aus Grohn in Rente geht, wird sie nach ihrer Berechnung gerade mal 1300 Euro zur Verfügung haben. „Ich weiß nicht, ob ich mein Auto dann noch halten kann.“ Die 60-Jährige steht an diesem frühen Morgen mit einem Dutzend Kollegen vor der Oberschule an der Egge und hat einen Becher Kaffee in der Hand. Von einem Wagen aus schallt Musik auf den Platz, zwischendurch werden lautstark neu eintreffende Kollegen begrüßt. Der Warnstreik ist auch ein Tarifkampf der finanziell schlechter gestellten Schulbeschäftigten.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat etwa 2000 Lehrer und Sozialarbeiter aus Bremer Schulen zum Streik aufgerufen. Aus Bremen-Nord wird an diesem Vormittag ein Bus zum Finanzgebäude fahren, wo später am Tag insgesamt rund 400 Kräfte an einer Kundgebung teilnehmen. Die Forderungen der Streikenden: Fünf Prozent mehr Gehalt, mindestens 150 Euro im Monat – und eine stufengleiche Höhergruppierung.
Schon lange ist Lehrer nicht mehr gleich Lehrer: Als Angestellte verdient die Blumenthaler Lehrkraft Monika Eichmann nach 21 Jahren Schuldienst an der Oberschule an der Egge derzeit monatlich rund 400 Euro weniger als ein verbeamteter Lehrer. Das hat sie sich ausgerechnet. Angestellte Lehrer, Tarif-Lehrkräfte, seien zumeist Frauen, Alte und Quereinsteiger: „Wir sind alle nicht verbeamtet“, kritisiert die Pädagogin. Was sie ärgert ist die Ungleichbehandlung: „Wenn Sie 400 Euro monatlich auf 20 Jahre hochrechnen, ist das das Einfamilienhaus, das ich nicht habe, aber meine verbeamteten Kollegen schon.“ Dabei leiste sie die gleiche Arbeit. Nur werde sie eben anders bezahlt. Dagegen wehrt sich Monika Eichmann mit ihrer Teilnahme am Streik.
Hinter der Pädagogin steht an diesem Vormittag Jörn Schaper, er ist aus Vegesack zu den Streikenden vor der Egge dazu gestoßen. Schaper ist Beschäftigter an der Fritz-Gansberg-Förderschule in Schwachhausen. „Im Förderzentrum arbeiten wir mit sozial-emotional auffälligen Kindern, die im normalen Regelschulleben nicht gehalten werden können, weil sie ein sehr aggressives Verhalten an den Tag legen“, schildert der Vegesacker sein Arbeitsfeld. „Wir bereiten sie auf die Inklusion in der Schule vor.“
Als Schulsozialarbeiter verdient der 29-Jährige nach eigenen Worten noch weniger als ein angestellter Lehrer, die Differenz beliefe sich in seinem Fall auf rund 500 Euro. „Dazu kommen fünf Prozent Abzug auf Ferienzeiten“, berichtet der Vegesacker. Dabei würde er in den Ferien gern Projekte für Schüler anbieten. Der Gehaltsunterschied sei nicht gerechtfertigt, weshalb er streike: „Wir machen gleichwertige Arbeit. Wir arbeiten Hand in Hand mit den Lehrkräften. Es geht bei uns um die Arbeit mit Kindern, die zum Teil traumatische Vorerfahrungen haben, manchmal geht es auch um Kindeswohlsicherung.“
Zum ohnehin teils schwierigen Schulalltag kämen Belastungen durch die Corona-Pandemie, sagt der Mann mit dem Megafon in der Hand. Er heißt Andreas Staets und ist geschäftsführender Landesvorstand der GEW Bremen. Insofern gehe es bei diesem Warnstreik zwar auch um die Ungerechtigkeit bei der Bezahlung. Aber nicht nur: „Das Problem sind auch die Arbeitsbedingungen. Während Corona mussten die Schulen alle zwei Wochen etwas Neues umsetzen, Hybridunterricht geben“, beginnt er aufzuzählen. Die geforderten fünf Prozent mehr Geld sieht er "als Schmerzensgeld". Doch die Arbeitgeberseite, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder, habe seit Beginn der Verhandlungen am 8. Oktober kein einziges verhandelbares Angebot gemacht.
Eine Gruppe Schüler passiert den Eingang. Neugierig schauen die Jugendlichen auf ihrem Weg ins Gebäude zu den Streikenden herüber. Die GEW hatte vor Unterrichtsfall gewarnt. An der Egge gibt es den nicht: Hier findet am Streiktag der Elternsprechtag statt, den die verbeamteten Kollegen abhalten. Einige wenige Beamte legen ihre Sprechzeiten so, dass sie den Streik der GEW unterstützen können. Im improvisierten Open-Air-Streik-Café stehen aber auch Menschen, die schlicht Solidarität zeigen wollen. Etwa Claudine Wichering aus Lesum.
„Ich bin Heilerziehungspflegerin im Martinsclub. Für mich ist das hier ein Solidaritätsstreik“, sagt sie. Die 43-Jährige betreut als persönliche Assistenz ein Kind in einer Inklusionsklasse der Schule Borchshöher Straße. Der Job ist gerade in dieser Zeit nicht einfach: „Durch den Lehrermangel halten wir den Laden am Laufen“, sagt sie. Doch ihr Gehalt ist weit weg von dem einer angestellten Lehrerin. Die Differenz liegt in ihrem Fall bei ungefähr 1400 Euro.