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Betreuung in Bremen-Nord Eltern kontra Kita

Die Gemeinde Blumenthal hat entschieden, den Kita-Vertrag mit einem Elternpaar zu kündigen. Mit der Folge, das zwei seiner Kinder den Betreuungsplatz verlieren sollen. Die Eheleute wehren sich dagegen.
18.12.2022, 06:00 Uhr
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Eltern kontra Kita
Von Christian Weth

Fabiana Wolf geht länger in die Kita auf Burg Blomendal als andere Kinder: Seitdem sie acht Monate ist, wird sie in der Tagesstätte betreut. Jetzt ist das Mädchen fast fünf Jahre alt und soll, kurz bevor es zur Schule kommt, seinen Platz verlieren. Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Blumenthal, die Träger der Kita ist, hat den Vertrag mit den Eltern gekündigt. Aus Sicht der Einrichtungsleitung ist das Vertrauensverhältnis zu Thorsten und Marlena Wolf zerstört – nachdem das Paar mehrere Vorfälle kritisiert hat.

Er ist Sozialpädagoge, sie Sozialassistentin. Zusammen waren sie in den vergangenen Monaten immer wieder zu Aussprachen in der Kita. Pastor Ulrich Klein bestätigt das. Um das letzte Treffen mit den Eheleuten hatte er gebeten. Vor wenigen Wochen war das. Die Eltern brachten eine Mutter mit, die ebenfalls ein Kind in der Tagesstätte hat, um sich, wie Thorsten Wolf erklärt, auf jemanden berufen zu können, falls das Gespräch eine ungeahnte Wendung nehmen sollte. Was es auch nahm, jedenfalls aus Sicht der Wolfs.

Sie hatten geglaubt, mit Klein noch mal über die Vorfälle sprechen zu können, die sie zuvor bei den Erzieherinnen und den Leitungskräften angemahnt hatten. Doch das Gespräch dauerte kürzer als gedacht. Im Grunde, sagt Thorsten Wolf, wurde ihnen nur erklärt, dass das Vertrauensverhältnis so gestört sei, dass die Kita den Vertrag mit ihnen lösen wird. Später bekamen sie schriftlich, was Klein ihnen mitgeteilt hat. Die Wolfs haben einen Anwalt eingeschaltet. Sie sind der Auffassung, dass die Kündigung nicht rechtsgültig ist.

Und ungerecht. So empfindet es zumindest Thorsten Wolf. Mit den Vorfällen, die er und seine Frau kritisierten, hat nämlich Fabiana nichts zu tun, sondern ausschließlich ihr Pflegebruder Luca – und trotzdem trifft sie die Kündigung genauso wie ihn. Der Vater sagt, dass sich seine Tochter immer Wohl in der Krippe und im Kindergarten der Burg Blomendal gefühlt hat. Und dass es für ihn und seine Frau bei der Betreuung von Fabiana nie etwas zu beanstanden gegeben hat. Aber eben bei der Betreuung von Pflegekind Luca.

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Der Junge ist zwei und anders als andere Jungen in seinem Alter. Ärzte vermuten, dass er FAS hat. Das Kürzel steht für fetales Alkoholsyndrom. Seine leibliche Mutter hat während der Schwangerschaft getrunken. Thorsten Wolf sagt, dass sein Pflegekind rastlos und auf Essen fixiert ist. So sehr, dass sich Luca, wenn ihn niemand daran hindert, alles in den Mund stopft, was er erreichen kann. Eine Banane auf dem Boden, die Reste von Mahlzeiten auf anderen Tellern. Oder einen Pilz, der an einem Baum wächst.

So wie das bei einem Ausflug der Krippengruppe passiert ist. Statt einen Arzt anzurufen, riefen die Erzieherinnen seine Mutter an. Marlena Wolf machte, was nach Meinung ihres Mannes die Betreuerinnen hätte machen müssen: Sie ließ das Kind untersuchen. Die Eltern finden, dass so etwas nicht geht. Genauso wie es für sie nicht angehen kann, was andere ihnen berichtet haben: Dass Luca allein das Kitagelände verlassen hat – und mal nahe einer Straße gesehen und mal von einer Joggerin zurückgebracht wurde.

Thorsten Wolf hätte es nach eigenem Bekunden verstanden, wenn die Krippenleitung zu dem Schluss gekommen wäre, Luca müsse in eine andere Einrichtung. Eine, die spezielles und mehr Personal hat. Dass jedoch der Vertrag gekündigt wird und ausgerechnet die Tagesstätte von einem zerstörten Vertrauensverhältnis spricht, will ihm nicht in den Kopf. Was, fragt er, sollen denn Eltern sonst tun, wenn aus ihrer Sicht etwas schief läuft, als das Gespräch zu suchen und Abhilfe zu fordern, um wieder Vertrauen zu bekommen?

Nach seiner Darstellung waren er und seine Frau bei den Treffen in der Einrichtung nie laut geworden. Und wissen sie auch nach dem letzten Gespräch nicht, inwiefern sie das Verhältnis so zerrüttet haben sollen, dass die Gemeinde so entscheiden musste. Pastor Klein sagt nichts zum Inhalt der Gespräche, weil sie für ihn vertraulich sind. Er sagt nur, worauf sich die Kita bei ihrer Kündigung beruft: auf Paragraf fünf, Absatz zwei ihrer Satzung, nach der ein Vertrag aufgehoben werden kann, wenn eben das Vertrauensverhältnis zerstört ist.

Nach seinen Worten ist die Entscheidung nicht leicht gefallen. Seit 30 Jahren ist Klein Pastor in Blumenthal – und in dieser Zeit hat es seines Wissens nach noch nie eine Vertragskündigung im Kindergarten gegeben. Der Anwalt der Wolfs hat gegen die erste jetzt Widerspruch eingelegt. Er begründet ihn unter anderem damit, dass Fabiana ein Jahr vor Schulbeginn nicht der Kitaplatz gestrichen werden kann. Für Luca wollen die Eltern von sich aus eine andere Einrichtung suchen. Wegen der Vorfälle, wie sie sagen. Und weil sie nicht sicher sein können, dass sich ähnliche wiederholen.

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