Ständig wolkenverhangener Himmel, ergiebige Regenfälle und kräftige Winde: So hat sich der Sommer bis dato präsentiert. Fast schien es, als gehe der Frühling nahtlos in den Herbst über. Aber nun ist erstmal Besserung in Sicht. Das prognostiziert Volker Afflerbach aus Bremen-Nord. Dabei sitzt er mit Shorts und Schlappen auf einer Bank in seinem Garten in Lüssum, blickt gen Himmel und prognostiziert: "Was jetzt in den USA aktuell mit dem Hurricane Ida passiert, kriegen Irland und Island als Sturmtief und wir am Wochenende mit einer subtropischer Warmluftblase zu spüren."
Angesichts des aktuell blauen Himmels erscheint besonders apokalyptisch, was der 60-Jährige von zurückliegenden Wetterphänomenen erzählt. Dabei bezieht er sich auch auf Ereignisse in Blumenthal und Lüssum. "In diesem August sind hier bei einem Starkregen-Ereignis über 40 Liter Wasser pro Quadratmeter runtergekommen. Von meinem Dach kam ein Wasserfall und ich stand auf meinem Grundstück 15 Zentimeter tief im Wasser". Auf das 900 Quadratmeter große Grundstück seien binnen 32 Minuten 36 000 Liter Wasser gefallen. Afflerbach zeigt auf seinen Gartenpool und sagt: "Das sind etwa zwei Poolfüllungen."
Der Radar des Wetterexperten Jörg Kachelmann, der mittlerweile in der Schweiz tätig ist, habe dieses Ereignis exakt angezeigt, lobt der Nordbremer und fügt hinzu, dass diese Informationen auch Laien zugänglich seien. Ebenfalls mit Ansage habe sich ein "Hagelereignis" im Sommer 2020 in Bremen-Nord zugetragen. Der Lüssumer zeigt ein beängstigendes Foto von einer riesigen, dunklen Wolke, das er selbst mit dem Smartphone gemacht hat und erklärt: "Das war eine HP-Superzelle, die gefährlichste Gewitterwolke, die es gibt. Sie ist prädestiniert für Tornados und sah exakt so aus wie die Tornados in den USA. Die Rotation konnte man mit bloßem Auge sehen." Afflerbach spricht nun schnell und ist sichtlich in seinem Element: "Die Wolken schimmerten grün, was auf Hagel verweist. Und schon schlugen die Körner wie Golfbälle auf Boden und Dächer. Auch ich hatte Löcher im Dach."
Tatsächlich habe es derlei Wetterereignisse schon immer gegeben, aber sie seien nicht gut dokumentiert. Dass Deutschland aktuell eher selten betroffen sei, "verdanken wir den Alpen, die sind unser Lebensretter", sagt der 60-Jährige. "Würden die Berge die subtropische Luft nicht abhalten, hätten wir hier ein Klima wie im Mittleren Westen der USA mit schweren Unwettern", versichert er.
Begeistert ist er auch von Gewittern. "Ich habe keine Angst, aber Respekt davor", sagt er. Man sollte auf keinen Fall eine Radtour machen, möglichst im Haus oder Auto bleiben, oder sich hinhocken. Das Zählen zwischen Blitz und Donner, um die Entfernung abzuschätzen, sei Blödsinn, versicherte Afflerbach. "Der längste Blitz hatte 70 Kilometer. Als das Gewitter kam, hat er weit weg eingeschlagen." In Kuba habe er Tropengewitter erleben können, schwärmt der Nordbremer. "Leider aber keinen Hurricane. Allein die Wolkendimensionen hätte ich gern gesehen", sagt er und seufzt.
Dann wird er ernst und erklärt: "Starkregenereignisse haben in den letzten fünf bis sechs Jahren bei uns zugenommen. "Es wird auch in Bremen Überflutungen geben. Die Kanäle sind für 30 Liter in sechs Stunden ausgelegt, aber 100.000 Liter auf 10.000 Quadratmetern können nicht aufgefangen werden", sagt der Profi. Was in der Folge passieren könne, habe sich in Nordrhein-Westfalen gezeigt.
"Das Katastrophenmanagement in Deutschland ist sehr schlecht", kritisiert Afflerbach. Erstmals habe es bei der Schnee-Katastrophe 1978/79 komplett versagt. Deutschlandweit glaube man offenbar, dass Warnungen unnötig seien. Aber Sirenen seien durchaus eine gute Lösung. "Zertifizierte Experten wie ich geben ja umgehend und ständig entsprechende Warnungen an den Deutschen Wetterdienst, aber dann müssen die Behörden diese auch sofort weitergeben", fordert Afflerbach. Sirenen seien notwendig, um die Bevölkerung zu alarmieren. "Dann schalten alle das Radio an. "Sie müssen aber auch lernen, Warnungen erst zu nehmen, wenn danach mal nichts passiert ist. Superzellen sind beispielsweise nicht vorhersehbar. Aber sie sind langlebig, und dann kann es bis zu acht Stunden schütten wie aus Eimern."
In NRW seien Hunderte Menschen ums Leben gekommen. "Kachelmann hat gewarnt, aber die Behörden haben versagt, weil sie die Warnungen nicht für voll genommen haben. Wir müssen mehrmals im Jahr Katastrophenübungen machen. Und man darf in schmalen Tälern am Hang nicht bauen." Aber auch im Binnenland gelte es, angesichts schmelzender Gletscher und steigender Wasserpegel, umgehend Fluträume zu schaffen, fordert Afflerbach und empfiehlt abschließend, bei Starkwetter-Ereignissen datierte Fotos auch von etwaigen Schäden zu machen. "Sollte der Deutsche Wetterdienst für kleinflächigere Extremwetter mal keine Dokumentationen haben, könnten die Versicherer die Zahlungen sonst womöglich verweigern.