Die Senatorin ist da: anthrazitfarbene Limousine, mehrere Mitarbeiter im Schlepptau. Oliver Fröhlich wartet schon. Der Blumenthaler Ortsamtsleiter will Kristina Vogt an diesem Mittwochnachmittag zeigen, wo es im Stadtteil vorangeht und wo noch nicht – damit die Chefin der Wirtschaftsbehörde vielleicht dafür sorgt, dass sich endlich etwas tut. Fröhlich verteilt eine Mappe, auf denen Projekte abgebildet sind, die gerade verwirklicht oder noch geplant werden. Sie dient quasi als Navigationshilfe für den Rundgang. Und als Merkblatt für die Senatorin.
Bahnhofsplatz: Fröhlich redet, Vogt und ihr Stab hören zu. Später wird es immer wieder mal andersherum sein. Der Ortsamtschef sagt, dass der Bahnhofsplatz das Eingangstor zum Stadtteil ist. Und dass er sich darüber freut, wie sich das Gelände an den Gleisen in den vergangenen Monaten verändert hat und in den nächsten noch verändern wird. Fröhlich zeigt auf die Baustelle hinterm ihm, auf der ein mehrgeschossiges Büro- und Geschäftshaus entsteht – und auf einen DIN-A3-Ausdruck in seiner Mappe, der das Gebäude zeigt, wie es einmal aussehen soll, wenn die Handwerker weg sind.
Auch Vogt findet gut, dass der Platz irgendwann nicht nur ein Platz sein wird, an dem Busse und Bahnen halten, sondern dort die Pendler künftig auch zu Kunden neuer Geschäfte werden können. Am Ende des Rundgangs, der fast zwei Stunden dauert, wird die Linken-Politikerin noch etwas anderes sagen: Dass es immer wichtiger wird, die Quartiere zu verbinden – und dass es beim Takt der Regio-S-Bahn noch Luft nach oben gibt. Sie spricht von früher, als ein Freund noch in Vegesack gewohnt hat und auf den Zug angewiesen war. Und darüber, zu wissen, was es heißt, wenn ein Zug nicht so fährt, wie man es gerne hätte. Fröhlich nickt.
Auch Hans-Gerd Thormeier und Bianca Frömming machen das. Der Beiratssprecher und seine Stellvertreterin begleiten die Besucher auf ihrer Tour durch Blumenthal. Beide ergänzen, was Fröhlich erklärt. Er und sie berichten über die Pläne, die es für die beiden Brachflächen im Bereich der Landrat-Christians-Straße gibt, an der die Gruppe gerade unterwegs ist. Es wird über die Fassadengestaltung eines Wohn- und Geschäftshauses gesprochen und hundert Meter weiter über die Dimensionen einer neuen Wohnanlage für Senioren. Die Senatorin schaut mal auf die Bilder in der Mappe, mal auf die Grundstücke, auf denen nichts ist als wucherndes Grün.
Kämmerei-Quartier: Auf dem Weg in Richtung Weser geht es um vieles: um alte Hallen, die im nächsten Frühjahr abgerissen werden sollen, und um einen neuen Kindergarten, dessen Außengelände vor Kurzem angelegt wurde. Um Millionenprojekte von Vereinen, die mal ein Gesundheitszentrum, mal eine Schwimmhalle bauen wollen. Und um die künftige Nutzung mehrerer Industriebauten und die jetzige des Grundstücks zwischen ihnen. Die Senatorin sagt, dass die Klinkergebäude gut zu einem Schulcampus passen und dass es ihr ein großes Anliegen war, ein Teil des Geländes zum Festivalgelände zu machen.
Vogt spricht von der Veranstaltungsbranche als Wirtschaftsfaktor und als treibende Kraft, ein Quartier voranzubringen. Wo kulturell etwas los ist, argumentiert sie, werden Flächen auch für andere Nutzer interessant. Dabei ist das Kämmerei-Quartier eigentlich schon interessant genug. Zumindest nach den Zahlen, die Dirk Kühling nennt. Der Abteilungsleiter der Wirtschaftsbehörde hat an diesem Nachmittag mehrere parat. Zum Beispiel die Kennziffer der vermarkteten Hektar – 18. Die der Arbeitsplätze, die zuletzt hinzugekommen sind – 200. Und die der Firmen, die sich demnächst neu ansiedeln wollen – fünf.
Kühling sagt, dass es mal schwierig war, Unternehmen fürs Kämmerei-Quartier zu gewinnen – und dass das Interesse mittlerweile, auch in der Corona-Zeit, zugenommen hat. So weit, dass unklar ist, wie groß der Handwerkerpark, der rund um den Bildungscampus geplant ist, eigentlich werden kann. Vogt will ihn auf jeden Fall. Ihr zufolge ist nämlich auch die Zahl der Betriebe, die kleinere Flächen brauchen, groß. Die Behördenchefin verweist auf Gespräche mit Vertretern der Handwerkskammer. Und auf Hamburg, wo sogenannte Handwerkerhöfe inzwischen ein Erfolgsmodell für Quartiere sind.
Zentrum: Es geht zurück zur Landrat-Christians-Straße. Vorbei am Alten Rathaus und am alten Standort der Stadtteilbibliothek. Im Restaurant Union will Vogt eine Rast einlegen – und sehen, was aus dem Gebäude, das sie von früher kennt, geworden ist. Am Tisch geht es um leere Läden und darum, was erforderlich ist, um das Problem des Zentrums zu lösen. Fröhlich und Thormeier sagen, was sie schon häufiger gesagt haben: dass der alte Ortskern nicht zum Förder-, sondern gleich zum Sanierungsgebiet erklärt werden muss, damit die Stadt mehr Möglichkeiten bekommt, Hauseigentümer von Investitionen zu überzeugen. Oder vom Verkauf.
Wofür die Wirtschaftsbehörde ist, bleibt an diesem Nachmittag offen. Die Behördenchefin spricht von einer Analyse des Bauressorts, deren Ergebnis abzuwarten ist. Und Kühling davon, dass auch ein Fördergebiet verschiedene Instrumente bietet, die Situation in einem Quartier zu verbessern. Wie die Lage ist, sehen beide im letzten Abschnitt des Rundgangs: in der Mühlenstraße. Vogt vergleicht sie mit anderen Geschäftsstraßen in anderen Vierteln, in denen sich leere Auslagen, Wettbüros und Friseure abwechseln. Sie sagt, dass sich die Stadt der Schwierigkeiten bewusst und dabei ist gegenzusteuern.
An der Kreuzung zwischen Fresenbergstraße und Lüssumer Straße kündigt Vogt noch mehr an. Sie erklärt, sich dafür einsetzen zu wollen, dass die Entwicklung des Stadtteils, die ihrer Ansicht nach deutlich Fahrt aufgenommen hat, nicht an Tempo verliert. Und dass der Austausch mit dem Ortsamtsleiter und dem Beirat auf jeden Fall beibehalten werden soll. Die Senatorin sagt, dass beide sich melden sollen, wenn es Probleme gibt.