Borgfeld. Torben Pawlak hegt Hoffnung. Gerade ist er mit seinen Kindern an einer Baustelle vorbeigegangen. Die Arbeiter trugen gelbe Warnwesten und standen in einem beachtlich tiefen Graben am Straßenrand in der Nähe seines Hauses. Daneben schraubten Elektriker an einem Verteilerkasten, berichtet der Familienvater. „Sie hatten Kabel in der Hand.“ Die Hoffnung, die einerseits bei solchen Bildern mitschwingt, zeigt auf der anderen Seite viel Verzweiflung. Anwohner im Neubaugebiet Borgfeld-West sowie im benachbarten Timmersloh warten seit Jahren auf schnelles Internet. Bislang leben sie in der digitalen Diaspora. Sie wohnen in sogenannten weißen Flecken. Auf der Breitbandkarte der Abteilung für Innovation und Digitalisierung beim Bremer Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen gelten ihre Wohnorte als Entwicklungsgebiet. Der Bremer Digitalisierungschef Kai Stührenberg bestätigt seit einem Jahr, dass Gespräche zwischen der Wirtschaftsbehörde und Telekommunikationsunternehmen auf Hochtouren laufen und man optimistisch sei. In zwei bis drei Wochen soll es nun tatsächlich eine konkrete Aussage dazu geben, wie es mit der Breitbandversorgung vor Ort weitergehen könne, heißt es aus der Pressestelle des Bremer Wirtschaftssenators. Ist die Hoffnung Pawlaks auf schnelles Internet in Kürze also berechtigt?
Nachgefragt bei dem Bremer Energieversorger SWB erhält der Hoffnungsschimmer zunächst einen Dämpfer. Sprecher Christoph Brinkmann teilt mit, dass überall in der Stadt punktuell gebuddelt wird. Bei der Erneuerung der Netze für Strom, Gas und Wasser werde stets geprüft, ob die Telekommunikationsanbieter interessiert seien, dass die SWB die Glasfaserkabel gleich mitzieht. In fast allen Fällen verlege man zumindest Leerrohre, sagt Brinkmann. Würden Leitungen für Strom, Gas und Wasser bis ins Haus gezogen, werde ebenfalls nachgehakt, ob Glasfaser dazugelegt werden solle. „So einen Hausanschluss fasst man in der Regel alle 20 Jahren an“, so Brinkmann. Der ganze Prozess laufe jedoch noch in den nächsten Jahrzehnten weiter. „Es dauert, bis eine ganze Stadt erschlossen ist.“
3,5 Milliarden Euro für Ausbau
Ausgangspunkt für die Verhandlungen des Digitalbeauftragten Kai Stührenberg mit den Telekommunikationsunternehmen ist das Förderprogramm des Bundes zur Unterstützung des Breitbandausbaus in Deutschland. Eigentlich sollten alle Borgfelder Haushalte bis Ende 2018 davon profitieren, hieß es noch vor zwei Jahren. Doch dann kam alles anders. Der Zeitrahmen des Förderprogramms wurde vom Bund verlängert. Gut 3,5 Milliarden Euro stellt dieser für das Projekt Breitbandausbau bundesweit zur Verfügung.
Mangelnde Tiefbaukapazitäten, laufend geänderte Förderrichtlinien und neue Verfahren seien daran Schuld, dass das Geld nicht abgeholt wird, sagt Stührenberg. „Breitband ist Marktwirtschaft. Da steckt für die Unternehmen eine betriebswirtschaftliche Logik hinter“, erklärte der gelernte Elektroanlageninstallateur und Betriebswirt.
Das schnelle Netz im 2012 fertig gestellten Neubaugebiet in Borgfeld endet an einer Abbiegung der Daniel-Jacobs-Alle. Pawlak wohnt nur wenige Meter entfernt. Seit Jahren ärgern sich auch seine Nachbarn über die langsame Datenübertragung bis in ihre Häuser, in denen viele junge Familien wohnen. Viele haben schon mehrmals bei der Telekom nachgefragt, warum einige Haushalte in dem Neubaugebiet über VDSL-Anschlüsse bis zu 250 MBit pro Sekunde Datenübertragungsrate verfügen, andere hingegen nur über DSL 16.
Man arbeite intensiv daran, die Breitbandversorgung für alle Bürger zu verbessern, schreibt dazu der Sprecher des Wirtschaftssenats, Tim Cordßen. „Ein leistungsstarker Zugang zum Internet ist für Unternehmen ebenso wichtig wie für Schüler, Studenten oder Bürger, die von zu Hause aus arbeiten.“ Grundsätzlich läge die Entscheidung über den Ausbau allerdings im wirtschaftlichen Ermessen der privaten Telekommunikationsanbieter. „Für das Neubaugebiet Borgfeld-West wurde uns ein Eigenausbau seitens der Deutschen Telekom (DTAG) mitgeteilt“, so Cordßen weiter. „Auf aktuelle Nachfrage teilte uns die DTAG hierzu mit, dass sich der Ausbau im Gebiet Borgfeld-West in der Umsetzung befindet und nach derzeitiger Planung bis Ende 2019 vollständig abgeschlossen sein wird.“
Pawlak hofft also weiter. Der Vater von zwei Kindern arbeitet dreimal in der Woche von zu Hause aus. Bis vor ein paar Jahren war das kein Problem. Damals lebte er mit seiner Frau in der Bremer Innenstadt und hatte zwar von weißen Flecken auf der Landkarte in puncto Breitbandausbau gelesen. Die Arbeit im Home-Office sei oft ein Problem, beklagen auch Pawlaks Nachbarn – überwiegend junge Familien, die darauf angewiesen seien, auch mal von zu Hause aus zu arbeiten.
Sollten die Verhandlungen seitens der Wirtschaftsbehörde mit den Telekommunikationsunternehmen noch vor den Sommerferien beendet sein, könnten die Borgfelder zumindest in einige Monaten mit schnellem Internet rechnen. Was am Ende verlegt wird und wie schnell die Datenübertragung dann funktioniert, ist weiterhin fraglich – ob 30, 50, 100 oder 250 MBit pro Sekunde? Noch einen Haken hat die Sache: Nach Beendigung der Verhandlungen haben die Unternehmen 24 Monate Zeit, um Häuser und Höfe an die schnelle Datenautobahn anzuschließen. Bis zum schnellen Download könnte es also noch dauern.