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Diskussion um Legalisierung Gibt es bald einen Cannabis-Club am Wümme-Ufer?

Gespannt verfolgen viele die Diskussion ums Cannabisgesetz: Kommt die teilweise Legalisierung zum 1. April? Das sagen Politikerinnen, Behörden, Cannabis-Konsumenten und Richter aus der Region zum neuen Gesetz.
19.03.2024, 19:30 Uhr
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Gibt es bald einen Cannabis-Club am Wümme-Ufer?
Von Petra Scheller

Borgfeld. Die Sonne glitzert auf der Wümme. Frühlingsduft liegt in der Luft. Volker Lux nimmt einen tiefen Atemzug. "Ja, hier wäre genau der richtige Ort für das Clubhaus von Werder High", sagt der Gründer des gleichnamigen Cannabis Social Clubs (CSC) aus Bremen am Borgfelder Wümme-Ufer. Gesucht würden rund 70 bis 80 Quadratmeter für den Indoor-Anbau von Cannabis. Einige Angebote für potenzielle Anbauflächen aus der Region habe der Club bereits bekommen. "Auch aus Grasberg – der Name ist natürlich Programm", sagt der Elektrotechniker schmunzelnd. Doch ob der Vizevorsitzende des Cannabis Social Clubs tatsächlich noch in diesem Jahr mit seiner Anbaugemeinschaft für den Eigenbedarf Hanf anpflanzen darf, steht in den Sternen. "Ich glaube ehrlich gesagt eher, dass der Bundesrat das Gesetz noch ausbremst", meint Lux. Es gebe einfach zu viel "Unwissen und Widerstand".

Worum geht es?

Marihuana und Haschisch sollen für Volljährige legal werden – allerdings unter vielen Bedingungen. Am kommenden Freitag, 22. März, will der Bundesrat über das geplante Cannabisgesetz der Regierung abstimmen. Zustimmungsbedürftig ist es nicht, die Länderkammer könnte aber den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfahren abbremsen. Volker Lux glaubt, dass das passieren wird. Zwar habe der Bundestag die kontrollierte Freigabe von Cannabis in Deutschland beschlossen, Besitz und Anbau der Droge sollen zum 1. April mit zahlreichen Vorgaben für Volljährige zum Eigenkonsum legal werden. Doch so richtig praxistauglich scheint das Gesetz noch nicht zu sein. Innen- und Justizminister kritisieren das Vorhaben zum Teil scharf. Auch in der Region – zwischen Wümme-Ufer und Hamme-Strand – wird die Legalisierung kontrovers diskutiert.

Was sagt der Landkreis Osterholz zur Legalisierung von Cannabis?

"Eine Legalisierung von Cannabis aus nicht-medizinischen Gründen kann aus Sicht des Landkreises Osterholz nicht befürwortet werden", betont Landkreissprecher Sven Sonström. Gesundheitliche Risiken seien zu groß. Gefährdet seien insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 25 Jahren, die durch den Konsum von Cannabis aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Hirnreifung besonders geschützt werden müssten, so Sonström. Durch die seit Monaten diskutierte Legalisierung sei zu beobachten, "dass sich der Blick auf diese Substanz in dieser Bevölkerungsgruppe bereits verändert, indem gesundheitliche Risiken zunehmend bagatellisiert und rechtliche Konsequenzen verharmlost werden." Im Landkreis gehe man davon aus, dass der Konsum nach der Legalisierung steige. "Wodurch diverse psychische Erkrankungen inklusive sozialem Abstieg und volkswirtschaftlichen Schäden durch Behandlung, Reha und Eingliederungshilfe drohen", vermutet der Landkreissprecher.

Was sagt die Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard?

Ganz anders sieht das die Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard. „Der Gesetzesentwurf ist ein erster Schritt in die richtige Richtung", räumt sie ein. "Legalität und Gesundheitsschutz" – denn das Ziel, die Verfügbarkeit und den Konsum von Cannabis durch ein Verbot mit strafrechtlicher Verfolgung zu unterbinden, sei fehlgeschlagen. Der Konsum von Cannabis konnte dadurch nicht verhindert werden. "Aus meiner Sicht steht aber vor allem der Gesundheitsschutz im Vordergrund, um gesundheitlichen Schäden durch zu frühen und zu häufigen Konsum vorzubeugen." Hier weise das Gesetz allerdings noch einige Lücken auf: Anstatt den Verkauf von Cannabis in zugelassenen Verkaufsstellen zu legalisieren, werde der Anbau nun in private und nicht gewerbliche Hände gelegt. Das schränke die Kontrollmöglichkeiten der Länder erheblich ein, kritisiert Bernhard.

Was sagt der Konsument?

Aus Sicht von Cannabis-Club-Gründer Volker Lux gibt es in der Gesellschaft einige verkehrte Bilder von Konsumenten. Vielen sei gar nicht klar, wie die Pflanze überhaupt wirke, sagt der Elektrotechniker. In ihren Reihen gebe es viele Informatiker, die nie einen Tropfen Alkohol anrühren würden, "aber zum Runterkommen ab und zu mal Gras rauchen." Viele ihrer Mitglieder würden in die Illegalität gedrängt – darunter Lehrer und Juristen. "Für uns ist Cannabis das Mittel der Wahl als Genussmittel", sagt der 45-Jährige. Die rund 100 Mitglieder von Werder High kämen aus der Mitte der Gesellschaft – "bei uns versammeln sich Zimmermänner, Lehrer, Landwirte – sämtliche Berufsgruppen", sagt Lux. Ihm sei es wichtig, über Cannabis mehr aufzuklären. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen sei als Vereinsziel festgeschrieben. Das Gesetz verschärfe den Jugendschutz bereits. Allerdings werde der Schwarzmarkt damit nicht komplett bekämpft. Dafür sei es notwendig, dass Cannabis im Handel zu kaufen sei, so wie es auch die Bremer Gesundheitsministerin fordere.

Wie groß ist die Gründungswelle von Cannabis-Clubs?

"Bislang haben wir keine Handvoll Anmeldungen von Cannabis-Club-Gründungen", sagt André Simon, Direktor des Amtsgerichtes Walsrode und oberster Hüter des Vereinsregisters in der Region. Von einer Gründungswelle könne derzeit keine Rede sein. Als Jurist hoffe er, dass das Gesetz auch noch mal überarbeitet werde, sagt Simon. Mit dem Gesetz werde für die Justiz ein riesiges Bürokratiemonster geschaffen, bereits erlassene Strafen gegen das Betäubungsmittelgesetz müssten nochmals geprüft werden. "Die Sache ist noch nicht zu Ende gedacht", meint Simon.

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Zur Sache

Sollte die Legalisierung noch einmal verschoben werden? 

"Unbedingt", sagt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer. Er sehe die Gefahr, dass der Schwarzmarkt weiterhin bestehen bleibe und dass die Legalisierung durch die Zunahme von Rauschfahrten negative Folgen für die Sicherheit im Straßenverkehr haben werde. "Nach dem bisherigen Stand der Dinge gehen wir auch nicht von einer Arbeitsentlastung für die Polizei aus, da wesentliche Kontrollaufgaben weiterhin bestehen bleiben" sagt Mäurer. Ferner werde es auf Länderebene bis zum 1. April keine den Vollzug des Gesetzes regelnden landesrechtlichen Bestimmungen geben können. Rechtlich legaler Erwerb und Konsum werde sich ausschließlich aus dem illegalen Markt speisen und diesen massiv fördern, so der Innensenator weiter. Aus Sicht der Innenminister erleichtere der vorliegende Gesetzesentwurf den illegalen Handel mit Cannabis massiv. "Die bereits sehr starken - international operierenden - kriminellen Strukturen werden aufgrund der hohen illegalen Verdienstmöglichkeiten und der erwartbar höheren Konsumentenzahlen weitere Entwicklungsmöglichkeiten erhalten und sich noch stärker in Deutschland verfestigen", warnt der Innensenator.

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