Herr Kartscher, das Jugendforum Borgfeld gibt es seit einem knappen halben Jahr. Wie läuft's?
Jannik Kartscher: Überraschend gut. Natürlich sind wir immer noch in der Findungsphase und wir brauchen auch weiter neue Mitglieder. Aber jetzt schaffen wir es langsam, auch inhaltlich zu arbeiten. Wir führen sinnvolle Gespräche über Inhalte, die uns, den Ortsteil Borgfeld und auch den Beirat betreffen. Wir wachsen langsam in die Strukturen Borgfelds hinein. Ein bisschen mehr Unterstützung wäre ganz schön.
Wie ist die Stimmung unter den Kindern und Jugendlichen?
Situationsabhängig. Verläuft eine Sitzung konstruktiv, macht das allen richtig Spaß. Wenn die Tagesordnung spontan entsteht, kann es auch mal sein, dass es eher langweilig ist, weil wir nicht wirklich etwas zu besprechen haben. Wir arbeiten dran, dass es regelmäßig konstruktiv abläuft.
Fühlt sich das Jugendforum in die Ortspolitik aufgenommen?
Wir werden auf jeden Fall akzeptiert, aber die Einbindung könnte überall besser sein. Wir werden zu allen Sitzungen eingeladen, nehmen auch alle Termine wahr und versuchen, Flagge zu zeigen. Nur ist es schwierig, wenn man nicht die Möglichkeiten hat, sich wirklich einbringen zu können. In den Ausschüssen zum Beispiel haben wir als Jugendforum kein Stimmrecht und im Beirat kein Mitspracherecht. Wenn wir immer das Gleiche besprechen, immer wieder das Gleiche anmerken und sich trotzdem nichts tut, ist es schade, wenn man es nicht selber in die Hand nehmen kann.
Fühlen Sie sich ernst genommen?
In Teilen. Vom Ortsamt bekommen wir wunderbare Unterstützung und werden als richtiges Gremium aufgefasst. Unter den Beiräten ist es unterschiedlich. Es gibt welche, die sich sehr für uns interessieren und uns versuchen einzubinden. Bei manchen fühlt es sich so an, als würden wir friedlich koexistieren aber nicht wirklich mitreden dürfen. Es ärgert mich, wenn wir Jugendlichen eine klare Meinung haben sollen, aber nicht wirklich etwas konstruktiv beitragen oder wichtige Entscheidungen beeinflussen dürfen.
Haben Sie denn das Gefühl, Sie können als Jugendforum etwas bewegen?
Ja, auf jeden Fall. Wir merken jetzt schon: Wenn wir uns zusammensetzen und eine Gesprächsebene aufbauen für Jugendliche und die Probleme im Stadtteil oder Ideen für Verbesserungen zusammentragen, bewirken wir ordentlich etwas – allein dadurch, dass Kinder und Jugendliche eine Bühne haben. Im Moment haben wir aber noch nicht die Möglichkeit, das Gesammelte umzusetzen oder irgendwo in Anklang zu bringen.
Was fehlt dem Jugendforum?
Uns fehlt die Größe. Die Kerngruppe ist wunderbar. Aber mit acht Personen erreichen wir nicht die Welt. Dann bräuchten wir noch mehr Unterstützung vom Beirat, damit wir unsere Beschlüsse und Forderungen umsetzen können und es nicht nur heißt: Ja, wir könnten mal gucken, ob man das so oder so macht. Wir wünschen uns ein "Okay, wenn ihr das so wollt, dann gehen wir das jetzt auch an." Wunderbar wäre, wenn man uns bei jedem Thema fragen würde, was wir darüber denken. Mitreden und mit abstimmen zu dürfen, wenn im Beirat über Themen diskutiert wird, wäre auch nicht schlecht. Zurzeit dürfen wir uns erst wie alle anderen Zuschauer melden, nachdem der Beirat diskutiert hat. Wir sind ein an den Beirat angegliedertes Gremium. Es kann nicht sein, dass wir wie Gäste aus dem Publikum behandelt werden, obwohl wir dafür da sind, unseren Beitrag zu leisten.
Wie haben Sie die Diskussion über die Nachbesetzung im städtischen Controllingausschuss, in dem es um die offene Kinder- und Jugendarbeit geht, erlebt?
Es war nicht einfach, sich zu positionieren, ohne jemandem vor den Kopf zu stoßen. Auch da war das Problem, dass wir uns erst in die Diskussion einbringen durften, nachdem sie gelaufen war. Glücklicherweise konnte ich das Ruder noch herumreißen. Das Gespräch hätte anders verlaufen können, wenn wir gleich hätten mitreden dürfen.
Was meinen Sie damit?
Vielleicht wäre die Stimmung nicht so aufgekocht. Das Gespräch hat die sachliche Ebene verlassen. Es gab teils persönliche Angriffe vom Beiratssprecher. So etwas hat in einem vernünftig tagenden Gremium nichts zu suchen. Es ist schade, dass es dazu kam. Generell hat man gemerkt, dass es gegenüber dem Jugendforum im Beirat ein leichtes Misstrauen oder eine leicht abwehrende Haltung gibt. Sonst würde man nicht in Zweifel ziehen, ob die Infos, die ich selber aus dem Rathaus bekommen habe, wirklich stimmen. Da fühlt man sich schon angegriffen.
Was glauben Sie, ist der Grund für dieses Misstrauen, wie Sie sagen?
Zwei Sachen: Einmal ist Borgfeld konservativer geprägt als andere Stadtteile. Es ist grundsätzlich so, dass vieles so, wie es ist, gerne gesehen ist. Wir sind alle auf einem guten Weg hier. Dementsprechend möchte man nicht die große Veränderung. Indem man uns einbindet, könnte man aber auch das Gute noch mal verbessern. Wenn sich Leute damit unwohl fühlen und Angst vor der Veränderung haben, muss man halt dagegen ankämpfen. Davon darf man sich nicht unterkriegen lassen.
Ein ziemlich ungleicher Kampf: Erfahrene Beiräte stehen Jugendlichen gegenüber, die in der politischen Arbeit gerade ihre ersten Schritte gehen.
Ja. Die zweite Sache: In Borgfeld geht es sehr viel Partei gegen Partei. Ich persönlich finde das lächerlich. Wir sind hier in der Ortsteilpolitik, auf der untersten Ebene im politischen Prozess. Es ist relativ unwichtig, welche Partei den guten Vorschlag macht. Ich verstehe nicht, dass man sich so aufspielen muss, nur weil eine Partei etwas beantragt und man selbst aber aus der anderen Partei kommt – oder weil man auf diese Weise etwas verhindern kann. Das ist ein grundsätzliches Problem. Das läuft in anderen Beiräten definitiv anders.
Die CDU kritisiert, dass Sie gar nicht mehr aktiv sein werden, wenn der Bremer Controllingausschuss, in dem Sie Borgfeld vertreten, wieder tagt. Wie sind Ihre Pläne?
Das habe ich so nie gesagt. Es stimmt auch nicht. Ich werde garantiert noch ein Jahr im Controllingausschuss mitarbeiten können. Außerdem geht es nicht um meine Person. Es geht grundsätzlich darum, dass sich implementiert, dass ein Jugendvertreter für Borgfeld mit abstimmt.
Ab Januar wollen Sie sich zur Vorbereitung auf Ihr Abitur aus der aktiven Arbeit zurückziehen. Wie geht es mit dem Jugendforum weiter?
Erst einmal werde ich mich nicht zurückziehen, bevor nicht gesichert ist, dass es weiter läuft. Daran arbeiten wir. Bis Januar muss das Jugendforum eine externe Begleitperson haben. Wir sind dafür im Gespräch mit der Hans-Wendt-Stiftung.
Steht jemand als Nachfolger für Sie bereit?
Auf jeden Fall. Wir haben zwei stellvertretende Sprecherinnen und unsere Geschäftsführung. Ich bin mir sicher, dass Finn Herzig und Jost Schemionek interessiert sind, mein Amt als Sprecher des Jugendforums zu übernehmen.