Frau Saenger, was reizt Sie an der Pastorinnen-Stelle in Borgfeld?
Elisabeth Saenger: Die Kirche ist wunderschön, die Lage, das Viertel – das gefällt uns als Familie sehr gut. Es ist eine offene, engagierte Gemeinde, die mir gleich mit viel Neugierde und Willen begegnet ist. Die wollen wirklich was – gestalten, attraktiv sein, Ausstrahlung haben. Es gibt dort einiges, was ich aus meiner Heimatgemeinde kenne – eine starke Konfirmandenarbeit, Seniorenarbeit. Sie wünschen sich neue Ideen und Impulse. Das liegt mir.
Welchen Ruf hat Borgfeld unter Kolleginnen und Kollegen?
Die Borgfelder Gemeinde gilt als sehr selbstbewusst und willensstark – das finde ich gut. Es war der Gemeinde beispielsweise ganz, ganz wichtig, dass wir als Familie ins Pastorenhaus einziehen. Wir fanden es gleich sehr schön. Es wird sich zeigen, wenn man vor Ort ist, wie es sich tatsächlich anfühlt. Dass wir mit den Kindern vor Ort sind und dass man uns im Supermarkt trifft, das finden wir gut. Dadurch, dass es dort so ein schönes Umfeld ist, haben wir nicht lange nachgedacht.
Immer mehr Menschen wenden sich von der Kirche ab – wie sehen Sie die Zukunft der Kirche?
Wir fragen die Menschen nicht nach ihrem Aussehen, ihrem Status, ihrer Leistung. Kirche ist deshalb ein guter Ort für alle Menschen, deshalb hat sie ihre Berechtigung. Die Jesus-Bewegung wird weitergehen, egal, wie es mit der Institution und den Gebäuden weitergehen wird. Gott betrachtet die Menschen mit liebenden Augen, man kann darauf vertrauen, dass da jemand ist, der es gut mit einem meint, der einem beisteht. Das wird die Kirche auch in Zukunft tragen.
Haben Sie Verständnis für Menschen, die aus der Kirche austreten?
Ja und nein. Ich habe Verständnis dafür, wenn jemand sagt, das ist nicht mein Ding und ich trete aus. Wir haben die Freiheit, dass wir uns das aussuchen können – das ist mir wichtig. Weniger Verständnis habe ich für Leute, die sagen: Ich kann ja meinen Glauben auch allein zu Hause leben. Zum Christsein gehört Gemeinschaft dazu und auch die Unterstützung der Gemeinschaft. Ich kann mich nicht alleine halten, wenn ich in Not bin.
Es gibt ja auch andere Gemeinschaften, die den Menschen Halt geben – Fußballvereine, Freundeskreise.
Fußball kann auch eine Form religiöser Gemeinschaft sein. Fußball hat auch religiöse Züge – im Fußballstadion mit Menschen zu feiern, kann ein religiöses Erlebnis sein. Zum Christentum gehört aber auch Nächstenliebe – auch dem vermeintlichen Gegner gegenüber. Auch im Bereich Kultur, Musik und Kunst gibt es Formen religiösen Erlebens. Das sind auch Gemeinschaftserlebnisse. Mir fehlt da allerdings die Anbindung ans Göttliche. Auch die Feindesliebe gehört zur Nächstenliebe. Nicht nur meine Sippe, meine Freunde, mein Fußballverein – sondern auch alle anderen. Die Kirche liebt und hält und trägt über alle Grenzen hinweg.
Wenn das so ist, warum kehren dann immer mehr Leute der Kirche den Rücken?
Wenn ich das wüsste, wäre ich schon EKD-Ratsvorsitzende. Man müsste den Menschen vermitteln, dass Kirche sie etwas angeht. Wenn ich nicht weiß, wie ich meine Gasrechnung bezahlen soll, dann trete ich aus der Kirche aus. Aber oft fehlt vielen Menschen einfach die Verbundenheit zur Kirche. Viele Leute zahlen im Fitnessstudio ihren Beitrag, gehen aber gar nicht mehr hin. Wir sind für alle offen, bei uns gibt es nicht nur ein Probetraining und danach wird gezahlt. Wir unterstützen auch über die Kirche hinaus und sehen unsere gesellschaftliche Aufgabe umfassender, durch Diakonie-Vereine, durch den Erhalt der Gebäude, durch Wärmestuben mit Mittagessen, die wir einrichten.
Das zahlen die Leute mit der Kirchensteuer mit – viele wollen das nicht. Was halten Sie von der Kirchensteuer?
Sie ist ein Instrument zur Finanzierung der Kirchen in Deutschland. Wir haben im Moment kein besseres System. Es ist ein solidarisches System: Reiche Gemeinden zahlen in den Topf ein, und unterstützen arme Gemeinden. Das spricht für die Kirchensteuer. Dagegen spricht, dass es so ein starres System ist. Man wird gleich mitverhaftet, einmal getauft und dann muss man, wenn man seine erste Arbeitsstelle hat, gleich bezahlen. Das ist für manche junge Leute vielleicht ein Betrag, der sie schmerzt. Es ist auch schlecht, dass es Steuer heißt. Steuern sind ja nicht so beliebt. Es ist ein Beitrag. Kirchen sind Kulturdenkmäler. In Italien gibt es einen Kulturbeitrag, da gibt es mehr Mitbestimmung, wofür ich das Geld gebe. Vielleicht wäre das attraktiver.
Welche Ideen und Impulse wollen sie in die Borgfelder Kirchengemeinde mit einbringen?
An Übergangspunkten im Leben will ich den Menschen beistehen – bei Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Trauerfeiern – da geht es auch um was. Wenn ein Kind geboren wird, ist das ein großer Umbruch – der auch mit Sorgen und Ängsten verbunden sein kann. Wenn ein Paar sich findet, ist das nicht nur Verliebtsein, es ist auch harte Arbeit. Wir gehen alle zusammen in unbekannte Situationen – und halten unser Leben in unseren Händen, aber es ist nicht alles menschengemacht, da ist auch Gott im Spiel.
Gott ist ja sehr abstrakt – wer ist denn Gott?
(Lange Pause) Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Gott ist natürlich eine Kraft, die uns im Leben begleitet. Für mich auch persönliches Gegenüber – jemanden, den ich ansprechen kann, im Gebet. Für mich ist Gott eine Kraft, die in unser Leben ausstrahlt, von der ein guter Geist ausgeht, mit der wir in gute Gemeinschaft kommen, miteinander in Verbindung treten. Gott sagt mir: Du bist gut, so, wie du bist, du bist gewollt – und dein Leben ist wertvoll. Dadurch kann ich gelassen sein und anderen auch freien Raum geben, so kann ich andere respektieren – auch wenn jemand ganz anders ist als ich.