Borgfeld. Der Friedhof der Zukunft ist erst mal nur so eine Idee. Das sagen die Borgfelder Kirchenvorstände Klaus Nannt und Jürgen Ballhausen beim Spaziergang über die Ruhestätte der evangelischen Gemeinde in Borgfelds Ortsmitte. Idyllisch ist der vordere Teil rund um die Kirche. Alte Grabsteine aus dem 19. Jahrhundert säumen den Weg. Efeu umrankt verwitterten Sandstein, üppige Rosenbüsche zieren alte Gräber. „Früher wurden die Toten einfach um die Kirche gebettet, die Felder ganz dicht nebeneinander gelegt. Das ging klack, klack, klack“, sagt Nannt. Doch die Blütezeit der Erdbestattungen sei längst vorbei. Selbst in der Premiumlage gegenüber der gotischen Backsteinkirche – 1281 wurde sie zum ersten Mal erwähnt – gibt es viele leere Flächen, auf denen Wildkräuter wuchern. Das soll sich ändern – behutsam und über viele Jahre hinweg. Doch schon im Herbst rollen die ersten Baufahrzeuge an.
Die Bestattungskultur hat sich in den vergangen zehn Jahren deutlich gewandelt. „Es gibt inzwischen zu viel Platz für die Toten“, erklärt Nannt. Immer weniger Menschen lassen sich heute noch in einem Sarg bestatten. Große Familiengruften wie sie die alteingesessenen Borgfelder, die Tietjens, Jacobs, Noltenius, Murkens, Hilkens und Klüvers pflegen, sind längst die große Ausnahme.
Prozess über 25 Jahre
Der Borgfelder Friedhof soll deshalb umgestaltet werden. Die Idee ist, auf der 1,1 Hektar großen Fläche einen Park zu gestalten, eine grüne Oase, in der die Lebenden ihrer Vorfahren gedenken können. „Ein sensibler Ort, an dem man sich gerne erinnert“, ergänzt Landschaftsarchitekt Frank Glaßl. Der Worpsweder ist gerade dabei, einen Masterplan bis 2045 zu entwickeln.
Es sei längst Zeit für einen Wandel, unterstreicht der Friedhof-Ausschuss-Vorsitzende Jürgen Ballhausen. Die bundesweite Entwicklung mache sich auch in Borgfeld bemerkbar. Von 685 Grabstellen für Erdbestattungen seien inzwischen 430 frei. Immer mehr Tote werden eingeäschert und in Urnen bestattet. Seit elf Jahren nehme die Nachfrage deutlich zu. 114 Plätze für Urnengräber gibt es zurzeit. Zusätzlich stehen 178 Plätze als halbanonyme Grabstätten zur Verfügung. Die Namen der Verstorbenen stehen auf einer Stele. „Für eine anonyme Beisetzung sind die Flächen unbegrenzt“, erklärt Ballhausen. Der neuste Trend sind Partnergräber.
„Die Pflege der Gräber wird für die Menschen zunehmend schwieriger“, berichtet Landschaftsgestalter Glaßl. Er führt seit 30 Jahren ein Büro, das sich schwerpunktmäßig um Friedhofsgestaltungen kümmert. „Familien verkleinern sich. Die jüngere Generation zieht weg. Eine Verpflichtung über 25 Jahre, so lange müssen Angehörige die Gräber pflegen, ist nicht mehr zeitgemäß.“
Während in den 1990er-Jahren noch von vielen Gemeinden Reserveflächen als Erweiterungsmöglichkeit für Ruhestätten aufgekauft wurden, gehe der Trend seit 15 Jahren in die entgegengesetzte Richtung. „Die Flächen müssen heute neu aufgeteilt werden“, erklärt der Landschaftsarchitekt. Genau das sei oft ein Problem. Im hinteren Teil des Borgfelder Friedhofs gibt es Gräber, die noch bis 2045 erhalten bleiben müssen. Genau hier soll im Herbst mit den neuen Planungen begonnen werden. Gehwegplatten sollen weichen. Die Grablegung leichter und freier gestaltet werden. Zunächst wird um die vorhandenen Grabstätten herum geplant. Die Toten umbetten wolle man nicht.
Die große Kunst der Umgestaltung liege darin, behutsam vorzugehen. Ein Friedhof sei ein sensibles Thema. Hinzu kommen vorgeschriebene Rahmenbedingungen. Die Borgfelder Kirche steht unter Denkmalschutz. „Für den Friedhof gibt es einen Umgebungsschutz. Der Blick auf die Kirche muss stets frei bleiben“, erklärt Glaßl. Achim Tödenhöfer vom Bremischen Landesamt für Denkmalpflege begleitet die Planungen in Borgfeld.
Ziel ist es, den Friedhof zukünftig als in sich geschlossenen Raum zu gestalten. „Die Bebauung rings herum ist bis an die Friedhofsmauern gewachsen. Wir wollen die Häuser ,rauspflanzen'“, sagt der Planer. Gen Westen sollen zunächst Bäume gepflanzt werden, um die Ruhestätte einzufrieden. „Wir wollen Hügel reinbringen und geschwungene Wege anlegen“, ergänzt Friedhofschef Ballhausen.
Einen Teil der Fläche haben die Borgfelder bereits vor einigen Jahren an die Kita am Krögersweg abgegeben. Auf rund 600 Quadratmetern gibt es hier nun viel Platz zum Spielen – ein Holzpferd, Iglus aus Weiden und Kräuterkästen säumen das Grundstück. Dahinter liegen Blühflächen.
„Wir gehen oft mit den Kindern über den Friedhof“, berichtet Kita-Leiterin Elke Meiners. Rund um die Ruhestätte tobe das Leben. Der alte Friedhof sei von jeher von Höfen und der Borgfelder Grundschule umgeben gewesen. „Die Kinder finden den Friedhof interessant, sie unterhalten sich mit den Angehörigen und nehmen Anteil“, sagt die Pädagogin. Ein Friedhof als Ort der Erinnerung und Anteilnahme – das ist auch die Idee von Planer Glaßl. „Ich wünsche mir, dass die Menschen hier auch zukünftig in eine andere Welt eintauchen können.“