Bundestagswahl ist zwar erst am Sonntag, aber an der Oberschule Lesum hatte das Wahlbüro schon ein paar Tage vorher geöffnet, und in der Wahlurne landeten jede Menge Stimmzettel. Hier hatten die Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen die Wahl. Genauer, die Juniorwahl. „Ein deutschlandweites Projekt, das vom Bundestag und der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt wird“, erklärt Julia Brockmann, die zusammen mit ihrem Kollegen Tim Unglaube an der Oberschule Lesum den Fachbereich „Gesellschaft und Politik“ leitet.
Die Juniorwahl bot den Zehnt- und Neuntklässlern eine beste Gelegenheit, Politikunterricht auf sehr praktische und zudem lehrreiche Weise zu erleben. „Es ist für die Jugendlichen einer gute Möglichkeit, sich erstmals mit realer Politik zu befassen“, sagt Julia Brockmann. Bei der Bundestagswahl dürfen die Schülerinnen und Schüler ihre Stimme zwar noch nicht abgeben, aber hier konnten sie schon mal ausprobieren, wie eine Wahl abläuft. Sehr viele haben das genutzt. Manche haben aber auch verzichtet, weil sie sich „nicht informiert genug“ fühlten oder „kein Fan von Politik“ sind.
Schlange an der Wahlurne
„Wir haben jetzt schon eine Wahlbeteiligung von etwa 70 Prozent“, berichtet das Wahlhelfer-Team aus Julia Brockmanns Klasse, der 10c, am Donnerstagvormittag. Zu dem Zeitpunkt waren noch nicht alle der wahlberechtigten rund 250 Schüler vorbeigekommen. Etliche standen noch in der Schlange, um sich den Original-Stimmzettel für die Bundestagswahl aushändigen zu lassen, um in einer der beiden Kabinen die Kreuze für die Erst- und Zweitstimme zu setzen. „Wählen ist ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft“, sagen Sherin El-Turk und Aischap Ammoura übereinstimmend, nachdem sie ihre Stimmzettel durch den Schlitz der Wahlurne geschoben haben. „Es gibt ja immer Leute, die sich entziehen“, kritisieren die beiden Schülerinnen. Aber das bringe dann nur Parteien nach vorne, „die es nicht gut mit dem Land meinen“, finden sie.
Die 24 Schülerinnen und Schüler der Klasse 10c hatten sich für die Juniorwahl schon im Vorfeld sehr engagiert, um die Wahl anzubieten. An zwei Projekttagen haben sie sich zunächst inhaltlich zum Thema Bundestagswahl vorbereitet. Wer ist wahlberechtigt? Was hat es mit der ersten und zweiten Stimme auf sich? Wer kandidiert überhaupt im Wahlkreis? Mit diesen Fragen haben sich die Jugendlichen ebenso befasst wie mit der Wirkung von Wahlplakaten. Sie haben Referate gehalten und per "Wahl-O-Mat" herausgefunden, mit welcher Partei ihre Meinung übereinstimmt. Parallel dazu sollten auch die Lehrerinnen und Lehrer der neunten und zehnten Klassen das Thema Bundestagswahl im Unterricht beleuchten, sagt Julia Brockmann. Damit die Schüler informiert sind und auch motiviert, an der Wahl teilzunehmen. Dafür hat die Klasse 10c auch organisatorisch alles vorgearbeitet. „Wir haben Klassenlisten erstellt und danach Wahlbenachrichtigungen verschickt, die die Wählerinnen und Wähler zur Wahl mitbringen mussten“, erzählen die Schüler. Sie ziehen für sich eine positive Bilanz: „Es hat Spaß gemacht, Erfahrungen zu sammeln und zusammenzuarbeiten“, sagt die 15-Jährige Meryem Önder. Ihr Mitschüler Mohammed Ali Aydogdu (16) fand das Juniorwahl-Projekt interessant, „weil es zeigt, wie der Rechtsstaat funktioniert“. Er würde gern, „bei einer richtigen Wahl Wahlhelfer sein“. „Ich habe durch das Projekt einen besseren Überblick über die Parteien bekommen und weiß jetzt, was ich wählen würde“, erzählt Linus Mahlo (15) und der 16-jährige Anil Acar, der Klassensprecher ist, freut sich, dass durch das Projekt „die Klassengemeinschaft gestärkt wurde“.
Sie alle haben wesentlich mehr gearbeitet als der übliche Stundenplan vorsieht und das Projekt eigenverantwortlich organisiert. „Ich habe gemerkt, wie sehr sie in ihrer Arbeit aufgegangen sind“, freut sich die Klassenlehrerin. Für den Nachmittag des zweiten Wahltages steht noch der Endspurt auf dem Plan. Dann geht es ans Auszählen der Stimmen. Die Ergebnisse der Juniorwahl werden in der Aula präsentiert.