Bremen-Nord. Es ist ein sehr selten gewordener Anblick: Wer Glück hat, kann im Werderland die Wiesenweihe beim Jagen beobachten. Die stark gefährdete Greifvogelart ist streng geschützt. Die Population in Deutschland liegt nach Angaben der Deutschen Wildtierstiftung bei nur 500 Paaren. Im norddeutschen Raum brüten nach Angaben von Sven Milz, Jagdpächter im Gebiet Lesumbrok-Dunge im Werderland, drei Weihenarten: die Kornweihe, die Rohrweihe und die Wiesenweihe. Die Rohrweihe brütet auch im Werderland und kann ganz regelmäßig beobachtet werden. "Alle Weihen sind ausgesprochene Kulturflüchter und gelten im Bestand als äußerst bedroht", betont Milz.
Er beschreibt die typischen Merkmale der Weihe: nach vorne gerichtete Augen, ein eulenartiger Federkranz und ein weiches Gefieder. Weihen haben einen relativ schlanken Körper und hohe Beine – beim Greifvogel spricht der Falkner von Ständern. "Manche Gewohnheiten erinnern an die der Eulen. Weihen jagen überwiegend am Tage und lassen sich beim Jagdflug plötzlich wie ein Tuch über ihre Beute fallen", schildert Milz. Im niedrigen Suchflug jagen sie über offenem Gelände, aber auch entlang von Hecken- und Baumreihen. "Hierbei ist die Weihe besonders wendig und fängt Kleinvögel und größere Insekten auch im Flug." Geschlagen wird die Beute am Boden.
Wiesenweihen ernähren sich von Mäusen, Kleinsäugern, Kleinvögeln, Fröschen, Insekten und Aas. In ihrem Brutgebiet fressen sie vorwiegend Mäuse. Deshalb bestimmt häufig der Mausbestand in einem Areal, ob gebrütet wird. Unter anderem daraus resultiert dann auch der Bestand der Wiesenweihe. In Europa ist sie normalerweise nur von April bis Oktober zu beobachten. Als Zugvogel verbringt die Wiesenweihe die Winter in Afrika, wo sie hauptsächlich Heuschrecken und Kleinvögel frisst.
Ihr Flug ist gaukelnd und schwankend und wird deshalb auch Gaukelflug genannt, erläutert Milz. "Beim Gleitflug werden die langen schmalen Flügel meistens V-förmig gehalten." Das Weibchen wiegt circa 370 Gramm und hat eine Flügelspannweite von 1,05 bis 1,30 Meter. Das Männchen, Falkner nennen es Terzel, wiegt circa 260 Gramm. "Wie bei allen Greifvögeln ist das Weibchen größer und kann somit besser das Gelege abdecken und auch mehr Wärme produzieren", so Milz. Beim Terzel sind Kopf, Rücken und Brust aschgrau, die weißliche Körperunterseite hat rostbraune Längsflecken. Die Flügelspitzen sind schwarz. Der Schwanzansatz, Bürzel genannt, ist weißlich mit einer grauen Querbinde. Das Weibchen und die Jungvögel sind bräunlich gefärbt und haben einen weißen Bürzel, weshalb sie auch Weißbürzelweihen genannt werden.
Wiesenweihen brüten am Boden, früher vor allem in feuchten oder nassen Wiesen oder Sumpfgebieten, daher hat die Art auch ihren Namen. Die Zerstörung von natürlichen Lebensräumen wie Feuchtwiesen, Torfmooren und Heiden hat dazu beigetragen, dass die Wiesenweihen-Brutbestände stark abgenommen haben. Heute baut die Wiesenweihe ihre Nester mit einem Durchmesser von rund 40 Zentimeter häufig auch auf Brachflächen und in Getreidefeldern, wo die Jungvögel durch Erntemaschinen gefährdet sind.
In der zweiten Mai-Hälfte beginnen die Weibchen damit im Abstand von ein bis zwei Tagen drei bis fünf, ausnahmsweise auch sechs, Eier zu legen. Das Weibchen brütet 27 bis 30 Tage alleine. Das Männchen versorgt sie mit Futter. Anschließend beschützt und wärmt sie die Jungen, bis das Kleinste etwa zwei Wochen alt ist; danach beteiligt sie sich am Nahrungserwerb. Die Jungen verlassen das Nest nach circa 34 Tagen zu Fuß. Ab Mitte Juli fliegen die Jungen das erste Mal aus, bis zu dieser Zeit, etwa drei bis vier Wochen lang, versorgen die Eltern sie noch mit Nahrung. Das Höchstalter von Wiesenweihen in freier Natur wird laut Milz mit circa 15 bis 16 Jahren angegeben.
Der Nordbremer Jäger erläutert: "Die Wiesenweihe ist in ihrem Bestand auch durch die Intensivierungsmaßnahmen der Landwirtschaft sowie durch Vergiftung mit Chemikalien, insbesondere in den Rast- und Überwinterungsgebieten, gefährdet." Als Beispiel nennt Milz den Einsatz von Pestiziden zur Bekämpfung der Wanderheuschrecke. Die Mitglieder der EU seien deshalb verpflichtet, besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um das Überleben und die Vermehrung der Wiesenweihen in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. Für das europäische Netz „Natura 2000“ müssen die EU-Mitglieder am besten geeignete Schutzgebiete benennen.