Es war sicherlich dem sonnigen Wetter und der Bundesliga geschuldet, dass sich weit weniger Neugierige vor dem Bunker an der Admiralstraße versammelten, als die Gastgeber gehofft hatten. Der Initiative „Denkorte“ war es gelungen, die beiden Väter des denkmalgeschützten Wandbildes an den Ort der Erinnerung zurückzuholen. Die Abwesenden verpassten eine spannende Stunde mit den Künstlern Jürgen Waller und Eckhard Jung, die von den Kindertagen des Kunstwerks erzählten, und die sich auch heute noch damit verbunden fühlen.
Der Luftschutzbunker an der Findorffer Admiralstraße entstand ab den Kriegsjahren 1943/44 und wurde bis Kriegsende nicht fertig. Die Verzweifelten, die dennoch im Provisorium Schutz suchten, begaben sich in Lebensgefahr: In der Bombennacht vom 18. auf den 19. August 1944 bekam der Rohbau selbst einen Treffer ab und geriet in Brand. Seit Ende 1984 trägt das Gebäude an der Straßenseite die Wandmalerei mit dem Titel „Den Gegnern und Opfern des Faschismus“. Sie entstand im Rahmen eines überregionalen Wettbewerbs anlässlich des 50. Jahrestags der nationalsozialistischen Machtergreifung, und wurde ermöglicht durch das städtische Säcklein für „Kunst im öffentlichen Raum“, das in diesen Zeiten noch gut gefüllt war. 2015 wurde der Bunker in private Hände verkauft. Die neuen Eigentümer dürfen das Kunstwerk nicht antasten: Es steht seit 2016 unter Denkmalschutz. Für die Bremer Landesdenkmalpflege ist es „das bedeutendste Bremer Wandbild überhaupt.“
Der Düsseldorfer Maler Jürgen Waller war im Jahr 1976 an die Bremer Hochschule für Künste berufen worden. „Mir fiel auf, dass es in Bremen mehr Hochbunker gab als in jeder anderen Stadt“, erzählte er. „Aber mich ärgerte, dass ich darauf Bilder sah, die überhaupt nichts mit der Geschichte zu tun hatten.“ Bereits 1978 hatte er gemeinsam mit seinen Studentinnen und Studenten die drei Wände des Bunkers am Pastorenweg mit historischen und durchaus nicht leicht verdaulichen Szenen bemalt. „Die Bevölkerung schimpfte leise“, erinnerte sich Waller. „Doch das Projekt bekam viel mediale Aufmerksamkeit. Sogar ein Filmteam der BBC London berichtete darüber. Und dann fanden es plötzlich doch alle gut.“ 1983 folgte dann die Ausschreibung für den Findorffer Bunker. „Ich machte mich schlau und erfuhr, dass am Ende derselben Straße das KZ Missler stand, und dass in der Nachbarschaft schon frühmorgens die Schreie der Gefolterten zu hören waren“, berichtete der Maler.
Das Mahnmal geht weit über seinen lokalen Bezug hinaus und ist eine düstere Bildergeschichte des Nazi-Terrors. Die Darstellungen einer konspirativen Druckerei und der Schriftzug „Nieder mit Hitler“ beruhen auf historischen Fotos aus seiner Heimatstadt Düsseldorf, erklärte Waller. Weitere Motive sind der Reichstagsbrand, die Folterkeller von Gestapo und SA, der berüchtigte Volksgerichtshof und das fließbandhafte Sterben in den Konzentrationslagern. Doch die bauliche Struktur des Bunkers gab noch mehr her, fand der Künstler, der in Bremen und Vallauris zu Hause ist. Die Vorsprünge, die Sockel und Seiten der Fassade einrahmen, schienen wie Zeilen, die nach einer Beschriftung verlangten. Mit Unterstützung des Bremer Staatsarchivs habe er daraufhin die Biografien von Bremer Verfolgten des Nationalsozialismus recherchiert. Rund 120 Namen stehen nun stellvertretend für alle Gegner und Opfer des Faschismus, die eingesperrt, misshandelt, vertrieben oder getötet wurden, weil sie Juden waren, Sinti oder Roma, homosexuell, behindert, politischen Widerstand leisteten oder sich aus religiösen Gründen nicht vereinnahmen ließen. Manche der Namen sind in der Stadt gut bekannt – aber auch die anderen sollten nicht vergessen werden. Für die Beschriftung engagierte Waller einen der versiertesten Typografen der Stadt: Eckhard Jung, Professor für visuelle Kommunikation, erinnerte sich gut an den „windigen“ Auftrag. Vor allem die Arbeit an den Großbuchstaben der Widmung in fast zwanzig Metern Höhe wurde zu einer Mutprobe: „Für meinen Geschmack war der Abstand zwischen Gerüst und Fassade ziemlich groß“, gestand der Bremer Gestalter. „Ich hatte dort oben richtig Muffe.“
In den Nachkriegsjahrzehnten hatte die Stadt Wichtigeres zu tun, als den sperrigen Koloss zu demontieren. Doch in den Zeiten des Kalten Kriegs zwischen Ost und West wappnete sie sich erneut für den Fall der Eskalation. Anfang der 1970er-Jahre wurde das Bauwerk aufgerüstet: Er hätte rund 2500 Menschen zwei Wochen lang Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Angriffen bieten sollen: Dem gruseligen „ABC“ potenzieller Katastrophenfälle. „Immer, wenn wir samstags arbeiteten, gingen Gruppen mit älteren Menschen in den Bunker“, erinnerte sich Waller. „Hinterher kamen sie ziemlich gut gelaunt wieder heraus und erzählten: Jetzt wissen wir, wie wir überleben“. Der Maler dämpfte ihren Optimismus und äußerte seine Zweifel, ob die Zeit zwischen Raketenabschuss und Aufprall reichte, um die Bevölkerung zu informieren und in Sicherheit zu bringen. Und was wäre mit all den Menschen geschehen, die man hätte abweisen müssen, weil der Platz nicht für alle gereicht hätte? Verschmitzt erzählte er: „Ich bekam mit den Führern einen solchen Krach.“.
Neben seinen Verdiensten um die Bremer Kunsthochschule, deren Rektor er in den Jahren1989 bis 2002 wurde, habe er an dem Künstlerkollegen immer dessen „raues, intensives Naturell“ bewundert, erklärte Eckhard Jung. „Er hatte nie Angst, sich mit anderen anzulegen, auch nicht mit Politik und Behörden.“ In wenigen Wochen kann Jürgen Waller seinen 80. Geburtstag feiern, doch die Lust an der Konfrontation ist ihm nicht ausgegangen. Es ärgere ihn, dass er das Wandbild in einem solch „desolaten Zustand“ vorfinde, so Waller. „Das haben das Bild und die Menschen nicht verdient.“ Die Kulturbehörde kann sich darauf gefasst machen: „Ich rufe dort an und mache Randale!“.
Die Begegnung mit Jürgen Waller und Eckhard Jung wurde von der Initiative „Denkorte Neustadt” organisiert, die die Zeit des Nationalsozialismus in Bremen erforscht und ihre Erkenntnisse unter anderem auf der Internetseite www.spurensuche-bremen.de dokumentiert. Dort sind auch Biografien vieler der Personen zu finden, die auf dem Bunker Admiralstraße namentlich genannt werden.