Im Alltag ist die Plantage kein Ort, an dem man sich gerne länger aufhält. Am Sonntag war das allerdings ganz anders. Da verwandelte sich die Tankstelle in einen Biergarten, der große Parkplatz in eine Spiel- und Spaßzone. Der Hof des Getränkemarkts wurde zum Beachclub und die Straße selbst zur bunten Flaniermeile. Der Verein der Findorffer Geschäftsleute hatte zum „Dorfffest“ eingeladen, und mehrere Tausend Gäste ließen sich das nicht entgehen. Es fing schon vormittags gut an, und bis nach Sonnenuntergang wurde gesungen, getanzt und gelacht.
Moderator Roland Kanwicher, bekannte Stimme von Radio Bremen, war nachzusehen, dass er nicht richtig wusste, worauf er sich da einlässt. Ein „Dorfffest“ hatte es in Findorff noch nicht gegeben. Der Name war neu, doch mit der Organisation großer Stadtteilfeste haben die Geschäftsleute langjährige Erfahrungen. Nach den Leistungsschauen, die seit den 1980er-Jahren veranstaltet wurden, aber im neuen Jahrtausend aus der Zeit gefallen waren, stellte der Verein jährliche Herbst- oder Sommerfeste an verschiedenen Orten auf die Beine. Das letzte davon fand 2019 vor dem Schlachthof statt – und auf das nächste hatte man dann drei Jahre warten müssen.
In guter Gesellschaft
Die Gästeliste „zum Zungeschnalzen“, so Kanwicher, habe ihn dann überzeugt, dass er in Findorff in guter Gesellschaft sein würde. „Er war hinterher total begeistert und fand unser Fest und das Bühnenprogramm ganz toll“, erzählte Katrin Grosch aus dem Vereinsvorstand. Auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte hatte es nicht eilig bis zu seinem nächsten Termin: Er war schon reichlich vor seinem angekündigten Auftritt gekommen, um am ökumenischen Gottesdienst teilzunehmen, nahm sich danach viel Zeit für Gespräche und Fotos und war anschließend noch eine ganze Weile plaudernd an diversen Markt- und Infoständen zu sehen. „Findorff ist ein unglaublich liebenswertes Gemeinwesen“, hatte er in seiner Begrüßungsansprache gesagt. „Hier ist die Lebensqualität hoch und geprägt durch einen großen Zusammenhalt.“
An knapp 70 Flohmarktständen wurde Aussortiertes, Ausrangiertes, Kunst und Krempel unter die Leute gebracht. „Sie waren alle sehr zufrieden“, erzählte Käsehändlerin Katrin Grosch, die nicht nur den Großteil der praktischen Organisation übernommen hatte, sondern vom Vormittag bis in den späten Abend auch an ihrem Stand Wein ausschenkte und Käsehäppchen arrangierte. Mehr als glücklich über die Resonanz seien auch die übrigen Teilnehmer gewesen, weiß Grosch. „Viele haben sich hinterher bei mir bedankt für das tolle Fest.“ Unternehmen nutzten die Chance, ihre Sortimente und Leistungen vorzustellen, Findorffer Vereine machten Lust, Schach, Skat oder Hockey zu spielen, sich für die Umwelt oder den Tierschutz zu engagieren. Ein Magnet vor allem für die jüngeren Gäste war der Stand der Polizei – der Sitz am Lenkrad eines echten Polizeiautos war begehrt.
Haus und Hof geöffnet
Die Entscheidung, diesmal die Plantage in den Fokus zu rücken, war bereits vor drei Jahren getroffen worden. „Uns ging es darum zu zeigen, was man im Alltag nicht so wahrnimmt: Dass hier viele interessante Unternehmen angesiedelt sind und sich eine lebendige Kunst- und Kreativszene etabliert hat“, erklärte die Vereinsvorsitzende Marcella Dammrat-Tiefensee. Mittendrin die Findorfferin, die die Adresse stadt- und überregional bekannt gemacht hat: Katrin Rabus hatte Ende der 1890er-Jahre die ehemalige Blusenfabrik Engels entdeckt und gemeinsam mit ihrem Ehemann zum Zentrum für Kunst und Kultur umgebaut. Bis 2004 führte sie 25 Jahre lang ihre Galerie für zeitgenössische Kunst an der Plantage 13. Zum Dorfffest öffnete die Trägerin des französischen Verdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes Haus und Hof und erzählte neugierigen Gästen von ihren Kulturprojekten.
Für große Begeisterung unter den Musikfans sorgte am frühen Abend der Auftritt der Blues Organisation mit Frontfrau Janice Harrington: Die 80-jährige Blues-, Gospel- und Jazzsängerin stand schon mit Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. auf der Bühne. Zum Abschluss wurde zu Discohits, Funk und Soul ausgelassen vor der Bühne mitgesungen und getanzt. Für die Flying Soul Toasters sind Findorffer Auftritte ein Heimspiel. Seit vielen Jahren spielt die Bremer Band zum Finale der Findorffer Feste, Sänger Anthony Carney ist im Ortsteil Regensburger Straße großgeworden. Doch dieses Konzert war für die Band etwas Besonderes, wie die Musiker über die sozialen Netzwerke posteten: „So eine Energie vor und auf der Bühne hatten wir lange nicht“, war dort zu lesen. „Gänsehaut pur.“