Dienstagmorgen um kurz vor neun in der SWB-Kantinenküche an der Theodor-Heuss-Allee. In riesigen Behältern köchelt Gemüse für rund 350 Personen, während nur wenige Meter entfernt an einem langen Esstisch fast 30 gut gelaunte Frauen und Männer Kaffee trinken und sich über eine kleine Pause freuen: Immer am ersten Dienstag im Monat treffen sich die Bremer Suppenengel zum gemeinsamen Mitarbeiter-Frühstück. Dann ist Zeit zum Schnacken und zum Austausch – über Privates ebenso wie über Berufliches, zum Beispiel die Suche nach neuen Räumlichkeiten. Denn ab 2025 möchte die SWB ihre wegen Corona und Homeoffice vorübergehend geschlossene Großküche wieder zur Verköstigung der eigenen Mitarbeiter nutzen. Somit wird der Suppenengel-Verein, der seit 1997 Bedürftige mit Essen versorgt, zum Jahresende wohl umziehen.
Freikarten für Maffay-Konzert
Ein Gesprächsthema an diesem Dienstag im Juli ist natürlich das Peter-Maffay-Konzert auf der Bürgerweide direkt gegenüber am Abend zuvor, die Suppenengel hatten als Dankeschön für ihr Engagement Freikarten bekommen. Auch einige organisatorische Details zum anstehenden gemeinsamen Sommerfest im Garten einer Kollegin müssen noch geklärt werden. Bevor schließlich Geschäftsführer Peter Valtink auf Bremens neue Bettel-Verordnung und die Auswirkungen der Jobcenter-Fehlkalkulation zu sprechen kommt – auch bei den Suppenengeln stehen zum 1. August mehrere Ein-Euro-Jobs auf der Kippe – steht aber erstmal ein ganz besonderes Ereignis an: Waltraut Schubert, die sich viele Jahre lang ehrenamtlich für den Verein engagiert hat, verabschiedet sich mit Hackepeter-Brötchen und Mozzarella-Spießchen von ihren Kolleginnen und Kollegen. Vor kurzem hat die agile Neustädterin ihren 90. Geburtstag gefeiert und dabei für sich entschieden, nun in den Ruhestand zu gehen.
Täglich 50 Liter Kaffee gekocht
16 Jahre – „vielleicht waren es sogar 17?!" – hat Waltraut Schubert den Verein ehrenamtlich unterstützt, acht Stunden täglich von Montag bis Freitag. Krank gewesen sei sie nie, kann sie dabei rückblickend bilanzieren. Sie hat die Wäsche gemacht, täglich 50 Liter Kaffee gekocht und das Essen für den Transport zu den aktuell sechs Ausgabestellen mit vorbereitet, an denen es immer ab 13 Uhr parallel verteilt wird: „Ich bin sehr für Sauberkeit, vom alten Stil. Wenn zum Beispiel mal jemand ein Waschbecken nicht so ordentlich hinterlassen hat, dann bin ich da hinterhergehangen.“ In dem selbstgestalteten Fotobuch, das es jetzt zum Abschied von den rund 50 Kolleginnen und Kollegen gab, wird sie sicher oft und gerne blättern. „Es hat mir Spaß gemacht, und es hat mir hier sehr, sehr gutgetan. Alle sind nett und freundlich“, schwärmt die Neustädterin strahlend von der guten Gemeinschaft im Team, zu dem eine Zeitlang auch eine Friseurin gezählt habe: „Die hat uns allen die Haare geschnitten.“
Wie Schubert überhaupt zu den Suppenengeln kam? „Ich komme aus Ostpreußen, ich bin Flüchtling“, erzählt sie: „Und es tat mir immer sehr weh, Leute zu sehen, die zum Beispiel keine Schuhe haben.“ Früher habe sie bei Gosch gearbeitet und einen großen Garten gehabt. Nach dem Tod ihres Mannes beriet Waltraut Schubert sich mit ihren Kindern. „Sie sagten: ‚Bleib nicht alleine – such dir eine Beschäftigung.‘ Und das habe ich auch getan.“ Schubert wandte sich an Zia Hüttinger, die die Suppenengel 1997 ins Leben gerufen hatte: „Ich habe ihr gesagt, dass ich ehrenamtlich arbeiten möchte. Und sie sagte: Dann gehen Sie in die Kirche und gucken Sie, ob es Ihnen gefällt.“ Also besuchte Schubert die Suppenengel, die damals Räume der St. Jakobi Gemeinde in der Bremer Neustadt nutzten, und blieb direkt da: „In der Kirche ging es ständig Treppe rauf, Treppe runter. Der Chef hat damals zu mir gesagt: Du wirst 100 Jahre alt!“
Die Arbeit bei den Suppenengeln habe sie ebenso fit gehalten wie das jahrelange Wandern im Verein, ist Waltraut Schubert überzeugt: „Ich bin froh, dass ich das gemacht habe und würde jedem empfehlen, etwas zu tun und nicht zu Hause zu bleiben.“