„Als ich sie sah, dachte ich: Das ist mein Typ! Die angele ich mir!“, erzählt er. Aus der Jugendliebe auf den ersten Blick wurde die Liebe für's Leben. An diesem Mittwoch, 28. August, begehen Hans und Annemarie Bredehöft den Eisernen Hochzeitstag in demselben Haus an der Neukirchstraße, in dem sie vor 65 Jahren ihre Grüne Hochzeit feierten.
Ihre Kindheit und Jugend haben beide aber in Oslebshausen verbracht, in einer Zeit, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Polizistensohn Hans Bredehöft war im Jahr 1933 in einer Wohnung am Nonnenberg auf die Welt gekommen. Nach dem Krieg baute der Vater ein Haus am Fleet für seine neunköpfige Familie. Annemarie Beiker, in ihrer Familie liebevoll „Micky“ genannt, lebte als Jüngste von drei Schwestern mit ihrer Mutter am Reiherweg – damals nicht gerade eine gutbürgerliche Adresse. „Da wohnten viele Rabauken“, erzählt sie. „Wir gehörten aber nicht dazu.“
Vater starb durch deutsche Bombe
Den Vater hatte das damals zehnjährige Mädchen auf besonders tragische Weise verloren. August Beiker, der als Soldat den Ersten Weltkrieg überlebt hatte und der danach im Bremer Hafen arbeitete, wurde an einem der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs vor der eigenen Haustür getötet – getroffen von den Splittern einer Fliegerbombe, die aus einer deutschen Maschine abgeworfen worden war. „Das war ganz schlimm“, sagt die 89-Jährige. „So etwas kann man nicht vergessen.“
Verguckt hatte sich der Drechslergeselle in einen bildhübschen zierlichen Backfisch mit zu Affenschaukeln geflochtenen langen dunklen Haaren, zarten Gesichtszügen und Wespentaille – Typ Schneewittchen, wie ein Jugendfoto beweist. Zusammengebracht hatte beide die Sportgemeinschaft Oslebshausen. Annemarie war aktive Turnerin und spielte Feldhandball. Hans trainierte im Boxring. Das Boxen war eine Selbstbehauptungsstrategie. Denn man solle nicht glauben, dass unter der Jugend von früher alles schön ruhig und friedlich ablief, erzählt er. „Es war eine ganz schöne Klopperei. Es gab richtig verfeindete Clubs.“
Feiern mit Schlägerei
Da kloppten sich beispielsweise die Jungs aus der Reiher- mit denen aus der Kamerunstraße, und man bewarf sich im Park gegenseitig mit Steinen. „Die aus dem Humannviertel kamen mit langen Weidenstöcken“, erinnert er sich. Kaum ein Tanzabend, kaum eine Feier, die nicht mit einer Schlägerei endete. Der junge Hans war nicht der Größte und Stärkste von allen – dafür aber schneller und wendiger. „Ich bin nicht weggelaufen“, sagt er.
Ein Rosenkavalier sei er nicht gewesen, kein Romantiker, sagen beide. "Geangelt", um es mit seinen Worten zu sagen, hat er seine „Annemie“ mit einer anderen Strategie: Etwa, indem er einen ordentlichen Beitrag dazu leistete, dass sie sich ihr erstes Fahrrad leisten konnte, und indem er Bleikers mit Feuerholz versorgte. „So hat er bei Mama gut Kind gemacht“, sagt die Gattin augenzwinkernd.
Pistole auf die Brust gesetzt
Ein halbes Jahr lang wurden beide durch den Atlantik getrennt, als Annemarie ihre ältere Schwester besuchte, die mit ihrem Mann in die Vereinigten Staaten gezogen war. 1956 wurde dann die Verlobung gefeiert. „Danach hatte er es nicht mehr so eilig“, erzählt sie. „Irgendwann setzte ich ihm die Pistole auf die Brust: Entweder wir heiraten – oder!“ Brautmutter Justine hatte mit dem kinderlosen Witwer Johann Wellbrock aus Findorff eine neue Liebe gefunden. Die Trauung am 28. August 1959 fand daher im Gemeindesaal an der Neukirchstraße statt – es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis die Martin-Luther-Kirche gebaut wurde.
Erst drei Jahre nach der Heirat konnte das junge Ehepaar seine erste eigene Wohnung an der Augsburger Straße beziehen. 1964 kam Sohn Sven zur Welt. Irgendwann machte „Opa Johann“ der jungen Familie den Vorschlag, doch an die Neukirchstraße zu ziehen. Für drei Generationen war das eingeschossige Reihenhäuschen zu klein, also wurde aufgestockt und ausgebaut, immer, wenn Zeit und Geld da war. „Es gibt fast nichts, was ich hier nicht selbst gemacht hätte, vom Mauern, Tischlern, Malern und Tapezieren bis zur Verlegung der Wasserrohre“, erzählt Hans Bredehöft.
Jeder kannte jeden
1968 waren die oberen Etagen bezugsfertig, zwei Jahre später kam Tochter Sandra auf die Welt. Die Familie lebte sich schnell in der neuen Nachbarschaft ein, in der jeder jeden kannte, man sich gegenseitig half und auch ordentlich zu Feiern verstand. „Da war hier immer die Bude gerammelt voll“, erzählt Hans Bredehöft, der bis zum Renteneintritt jahrzehntelang als Maschinenführer im Gussmodellbau gearbeitet hat.
Auch wenn im Alter manches schwerer fällt als früher: Bis heute kümmern sich Bredehöfts selbstständig und ohne fremde Hilfe um das tipptopp gepflegte Haus und den hübschen Garten. Die beiden Werkstätten im Keller und auf dem Boden werden gut genutzt – „es gibt ja immer irgendwas zu Muddeln“, erklärt der 91-Jährige. Ein „Kümmerer“ sei er, sagt Ehefrau Annemarie, „der kann einfach alles. Da habe ich mir schon den Besten ausgesucht.“ Den Hochzeitstag werden sie zu Hause im kleinen Familienkreis mit Kindern, Enkel und deren Partnern feiern. Auf die Frage, welches die glücklichsten Jahre in ihrer gemeinsamen Zeit waren, müssen die beiden lange überlegen. „Wir hatten keine schlechten Jahre“, sagt dann Hans Bredehöft. „Wir sind immer gut über die Runden gekommen.“