Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Platz zum Gedenken an Naziopfer Alle Hindernisse beseitigt

Etwa ein Jahr ist der Plan alt, den Platz vor dem Kulturzentrum Schlachthof nach der im KZ ermordeten Familie Schwarz zu benennen. Jetzt wird er umgesetzt.
03.02.2022, 11:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Anke Velten

Findorff bekommt seinen Familie-Schwarz-Platz. Im September soll er feierlich eingeweiht werden. Eine Arbeitsgruppe wird nun die Vorbereitungen aufnehmen. Bereits vor einem Jahr hatte der Findorffer Kulturausschuss beschlossen, die bisher namenlose Fläche vor dem Kulturzentrum Schlachthof nach der Findorffer Familie zu benennen, die fast komplett in Konzentrationslagern ausgelöscht wurde.

Bis der Weg dahin frei war, hatte das Projekt diverse Kurven nehmen müssen, wie die Ausschusssprecherin Beatrix Eißen (Grüne) im Rahmen der aktuellen Videokonferenz zusammenfasste. In Bremen untersagt ein Senatsbeschluss aus dem Jahr 1971, Straßen oder Plätze mit Zusätzen wie „Familie“ zu benennen – im Notfall sei die Verwechslungsgefahr zu groß, lautet die Begründung. Im speziellen Findorffer Fall könne der Platz ohnehin nicht offiziell benannt werden, teilte die Straßenverkehrsbehörde Anfang des Jahres mit: Der Platz gelte als „Sonderbaufläche“, die nicht dem Verkehr diene und daher auch auf keinem offiziellen Stadtplan verzeichnet werden könne, erläuterte Eißen. Gleichzeitig wurde der Ausschuss an die M3B GmbH verwiesen, die für das Grundstück zuständig sei.

Lesen Sie auch

Von da an lief es schneller und unkomplizierter als erwartet: Vertreter der Messegesellschaft sagten sofort ihre Unterstützung zu, das Kulturzentrum Schlachthof steuerte einen Teil des eigenen Geländes bei. Der neue Platz soll nun das Areal vor dem Eingangsbereich des Kulturzentrums umfassen, das von Findorffstraße und Theodor-Heuss-Allee begrenzt wird. Die Tatsache, dass es sich um keine offizielle Platzbenennung handele, sei auch als Vorteil zu betrachten, so Eißen: Die Schilder, die auf den Namen des Platzes verweisen und den Hintergrund erklären, können frei von amtlichen Vorgaben gestaltet werden.

Eingebrannt im kollektiven Gedächtnis

Es ist ein Ort, der sich im kollektiven Gedächtnis der Nachkommen eingebrannt hat. Eine Bronzetafel vor dem Kulturzentrum erinnert seit 1995 daran: In den Tagen vom 8.  bis 10. März 1943 wurden in einer konzertierten Aktion rund 300 Sinti und Roma aus Bremen und dem Weser-Ems-Gebiet aus ihren Wohnungen verschleppt und in einer leeren Halle auf dem Schlachthof-Gelände zusammengepfercht. Die Zahl ist nur eine Annäherung, und noch immer sind längst nicht alle Namen bekannt. In einer zweitägigen Bahnfahrt wurden die Sinti und Roma ins „Zigeunerfamilienlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. Schätzungen gehen davon aus, dass eine halbe Million europäischer Sinti und Roma Opfer des Nationalsozialismus wurden. Sie starben an Hunger und Auszehrung, wurden willkürlich erschossen oder in den Gaskammern umgebracht.

Auch an diesem 8. März, 17 Uhr, wird der Arbeitskreis „Erinnern an den März 1943“ wieder zu einer Gedenkveranstaltung einladen. Die Findorffer Familie Schwarz gehört zu denjenigen, deren Namen dabei verlesen werden. Das Geschichtskontor des Kulturhauses Walle hat mit Unterstützung des Historikers Hans Hesse ihre Spuren nachverfolgt und in Fotos, Texten und Originalaufnahmen veröffentlicht (zu sehen auf www.digitales-heimatmuseum.de.)

Die zwölfköpfige Familie war ab 1939 unter der Adresse Findorffstraße 99 gemeldet – ungefähr dort, wo sich heute die Messehalle 6 befindet. Vater Wilhelm Schwarz war Musiker und arbeitete als Kraftfahrer für eine Drogerie. Eine der Töchter war bei Karstadt angestellt. Mindestens drei der jüngeren Kinder besuchten zur Zeit der Deportation die Schule an der Gothaer Straße in Findorff. Tochter Anni überlebte als einziges Familienmitglied die Zeit des Nationalsozialismus. Sie starb im Jahr 2007 in Wolfsburg.

Einweihung findet zeitgleich Ausstellung im Rathaus statt

Der Termin für die feierliche Platzeinweihung geht auf den Wunsch des Arbeitskreises zurück. Im September sei die Eröffnung einer großen Ausstellung in der Unteren Rathaushalle geplant, die an das Schicksal der Sinti und Roma erinnert und von einem Begleitprogramm flankiert wird, erklärte Journalist und Autor Ralf Lorenzen, der sich seit Jahren für die Aufarbeitung der Ereignisse und gegen das Vergessen engagiert – unter anderem mit dem Theaterstück „Drei Tage im März“, das vor drei Jahren im Kulturzentrum Schlachthof gezeigt wurde. Auch
daran sollte erinnert werden, so Lorenzen: Anni Schwarz hatte im September vor 80 Jahren ihren letzten Geburtstag in Findorff
gefeiert.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)