Wer dieser Tage die Bremer Messehallen besucht, macht das wahrscheinlich aus genau einem Grund: Er lässt sich gegen Corona impfen. Das soll sich bald ändern. So sehen es jedenfalls die Pläne von Messe Bremen vor. Der Betreiber der Messehallen will wieder Präsenzveranstaltungen in die Gebäude an der Bürgerweide bringen.
„Den Anfang wird die Hanselife im September machen“, sagt Kerstin Renken, Bereichsleiterin von Messe Bremen. Dann sollen Besucher und Aussteller wieder zusammenkommen und sich austauschen. Ganz so wie früher wird es aber nicht sein. „Wir werden die Gänge vergrößern und weniger Besucher einlassen“, sagt Renken. Das sei ein Teil des strengen Infektionsschutzes. Gleichzeitig dürften sich maximal rund 6000 Menschen auf den insgesamt 40.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche befinden.
Bei den Planungen spielten natürlich auch die Delta-Variante und die steigenden Inzidenzen eine Rolle. „Anders als im vergangenen Jahr sind aber nun viele Menschen geimpft“, sagt Renken. Zudem sei eine Messe eher wie ein großer Einzelhandel zu betrachten und nicht wie eine Diskothek. „Und der Weserpark und Dodenhof dürfen ja auch öffnen.“ Und anders als bei Shoppingcentern müssten Besucher der Bremer Messe geimpft, genesen oder getestet sein.
Bremen ist damit keine Ausnahme: Auch andere große Veranstaltungen werden nach der Zwangspause im vergangenen Jahr nun wieder stattfinden, etwa die Frankfurter Buchmesse, die erste Automesse IAA in München oder die Art Cologne. Für die Veranstalter ist das ein gutes Zeichen. Denn: Der Branchenverband Auma schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden durch abgesagte Messen auf deutlich mehr als 40 Milliarden Euro seit Beginn der Pandemie im März 2020. Im vergangenen Jahr seien rund 70 Prozent der Messen abgesagt worden, in diesem Jahr seien es auch schon mehr als 60 Prozent, sagt Auma-Geschäftsführer Jörn Holtmeier. Man sei nun aber froh, dass die Bundesländer zum Neustart verbindliche Rahmen für die Durchführung von Messen geschaffen hätten. „Die Unternehmen benötigen auch künftig Planungssicherheit.“
Der Frankfurter Messechef Wolfgang Marzin glaubt fest an die Zukunft der Präsenzmessen: „Die zwangsweise vollständige Verlagerung von Veranstaltungen in den digitalen Raum hat wie unter dem Brennglas deutlich gemacht, dass die physische geschäftliche Begegnung ihre Funktion für den Geschäftserfolg behält, vielleicht sogar ausbauen wird.“ Deutschlands umsatzstärkste Messegesellschaft hat im Corona-Jahr 2020 zwei Drittel ihres Umsatzes verloren und einen Verlust von 122 Millionen Euro verbucht, wobei 2021 eher noch schlechter läuft.
Die Nürnberger Firma Hoff-Interieur GmbH bezeichnet sich selbst als „Marktplatz der Welt“, weil sie ihre Wohn-Accessoires in weltweit mehr als 300 Handwerksbetrieben herstellen lässt und dann an Einzelhändler vertreibt. Während der Pandemie habe man viel Zeit und Geld in digitale Projekte gesteckt, Webshops verbessert und die Produkte dreidimensional visualisiert, sagt Firmenchef Lars Adler. „Das sind alles Dinge, die auch nach der Pandemie bestehen bleiben werden, aber Messen in keinster Weise ersetzen können.“ Die Sortimente könnten ihre volle Wirkung nur inszeniert in emotionalen Themenwelten entfalten, der Kunde müsse sie haptisch wahrnehmen.
Die digitalen Formate aus der Zwischenzeit haben ihre Grenzen im zwischenmenschlichen Bereich, glaubt man auch beim Verband. „Die Geschäftspartner kennenlernen und ein Vertrauensverhältnis aufbauen, das geht nur im persönlichen Kontakt“, ist Auma-Chef Holtmeier überzeugt. „Gemeinsam Geschäfte zu machen basiert auf Vertrauen, das kann man online nicht ersetzen. Es braucht einfach den Händedruck.“
Gerade bei Konsumgütern sei es für die Messe-Fachbesucher unverzichtbar, sich persönlich von der Qualität der Waren zu überzeugen, sagt auf der Einkäuferseite der Geschäftsführer des Handelsverbands Wohnen und Büro, Christian Haeser. Die Einkäufer wünschen sich aber sehr wohl digitale Zusatzangebote, die möglichst auch Kosten sparen sollen. „Es wird Sprünge geben bei der Integration sinnvoller digitaler Elemente“, sagt Frankfurts Messechef Marzin. Vieles ist schon vor Corona auf den Weg gebracht worden wie zusätzliche Informationsangebote, Termintools oder die gezielte elektronische Ansprache von Teilgruppen. Gleichzeitig achten die Teilnehmer verstärkt auf ihre Kosten beim Messeauftritt: Delegationen werden verkleinert, Übernachtungen möglichst reduziert.
In Bremen ist es laut Renken kein Problem gewesen, Aussteller für die diesjährigen Veranstaltungen zu finden. Lediglich bei der Reiselust, die im November stattfinden soll, sei es nicht so einfach gewesen. Gerade Nischenveranstalter, die etwa Safari-Touren in Afrika anböten, wüssten noch gar nicht, welche Reisen sie präsentieren könnten. „Teilweise sind Anbieter im vergangenen Jahr auch vom Markt verschwunden.“ Für die bevorstehende Hanselife rechnet Renken aber mit rund 400 Ausstellern. „Alle“, sagt Renken, „freuen sich, dass wieder etwas stattfindet.“