Es wurde ein Empfang, wie man ihn sich nicht schöner hätte ausmalen können. Bei wolkenlos blauem Himmel und strahlender Sonne wurde am letzten Sonnabend im April die Torfkahn-Armada aus dem Teufelsmoor beim Findorffer Torfhafenfest 2023 willkommen geheißen. Das pittoreske Schauspiel erwarteten Hunderte Zuschauer aller Generationen, eng an eng an den Kaimauern, auf den Treppen und auf dem Festgelände. Solch eine enthusiastische Begrüßung hätten sich die Torfschiffer vor 100 Jahren bestimmt auch gewünscht. Nicht völlig unvorbereitet war Thomas Hastedt, der die „Ützepogg“ zum ersten Mal nach Findorff gesteuert hatte. „Die anderen hatten ja schon davon erzählt“, erklärte der Skipper aus Schmalenburg. „Aber wenn man das selbst miterlebt – das ist schon eine tolle Erfahrung.“
Dass „Ützepogg“ auf Hochdeutsch „Moorfrosch“ heißt, wusste Helmut Kück von den Adolphsdorfer Schiffern, und er erklärte auch gleich, was ein „Halb Hunt“ ist: So nennt man den klassischen Schiffstyp der Torfkähne, knappe zehn Meter lang und mit genug Stauraum für fünfzig Körbe voller Torfsoden – ein halbes Hundert, daher die traditionelle Bezeichnung. Die Körbe waren genormt, und im Hafen wurde streng kontrolliert, damit auch niemand schummelte, erklärte der Lilienthaler.
Tour in Tracht
Eine neunstündige Fahrt auf der „Jan von Adolphsdorf“ hatten auch Anneliese und Klaus Feldmann hinter sich. „So viel Begeisterung, das ist super“, schwärmte das Paar in traditioneller Tracht: Die Moorbäuerin in Schürze, Spitzenbluse und gestärktem Häubchen, der Torfbauer in blau gestreiftem Großvaterhemd, Manchesterhose und Weste. Langweilig sei die Fahrt nicht gewesen, erzählte Roland Röpnack, der als Musikant mit im Boot war. „Der Gesprächsstoff ist uns nicht ausgegangen.“

Greta machte auf dem Flohmarkt zahlreiche Kuscheltiere zu Geld.
Um 8 Uhr in der Früh hatte die Flotte von 22 Kähnen Neu-Helgoland verlassen. Was die Besatzungen und ihre Passagiere nicht mitbekamen: Schon vor der offiziellen Eröffnung des Torfhafenfests war das Gelände überaus gut bevölkert. Zahlreiche Gäste waren an den Biertischen schon dabei, sich einen Frühschoppen zu gönnen, als Moderator Roland Kanwicher um 12 Uhr zur Begrüßung ansetzte. Kanwicher stellte auch sofort klar, wem die Festgesellschaft das alles zu verdanken hatte: Dem Verein der Findorffer Geschäftsleute nämlich, der die Organisation des fünften Torfhafenfests vom Bürgerverein Findorff geerbt hatte. Sehr gerne habe man den Staffelstab für die Traditionsveranstaltung übernommen, erklärte die erste Vorsitzende, Marcella Dammrat-Tiefensee. Nach der Sanierung des Findorffer Torfhafens im Jahr 2006 konnte ihn die „Armada“ erstmals im Jahr 2008 entern. Zuletzt erlebten mehrere Tausend Gäste die Kähne aus dem Teufelsmoor beim Torfhafenfest im April 2017. Der dreijährige Rhythmus wurde 2020 aufgrund der Pandemie unterbrochen. Danach sei es der Wunsch des Bürgervereins gewesen, die Organisation in jüngere Hände zu übergeben, erklärte die Vorsitzende Birgit Busch.
Gut besuchter Flohmarkt
Neu beim Torfhafenfest – aber ein klassischer Publikumsmagnet bei den Findorffer Sommerfesten – war der private Flohmarkt. Knapp 40 Stände waren entlang der autofreien Neukirchstraße aufgebaut, und zogen vom morgens bis zum späten Nachmittag Schnäppchenjäger an. Auch Hella Hübner und Tochter Greta hatten zu Hause ordentlich aussortiert. Vor allem an ihrem kleinen Zoo an Steiff-Tieren war kaum ein Vorbeikommen. „Wir haben hier so viele schöne Geschichten gehört, vor allem von älteren Menschen , die die Tiere an ihre Kindheit erinnern“, berichtete Hella Hübner. „Die Leute hier sind wirklich angenehm, wir sind total zufrieden.“
Zufriedene Organisatoren
Total zufrieden war auch das ehrenamtliche Organisationsteam, das mit den Vorbereitungen für das Fest vier Monate lang beschäftigt war. „Wir haben auf viele Besucher gehofft. Aber wie viele Menschen dann tatsächlich gekommen sind – das hat unsere kühnsten Erwartungen übertroffen“, erklärte Katrin Grosch aus dem Vorstand des Vereins der Findorffer Geschäftsleute.

Über Mangel an Zuschauern konnte sich der Kinderzirkus nicht beklagen.
Zur guten Tradition in Findorff gehört auch, dass die „Armada“ jedes Mal einen Ehrengast mitbringt. Diesmal war die Einladung an Bürgermeister Andreas Bovenschulte gegangen, für die letzte Etappe in die „Jan von Moor“ zu steigen. Nachdem er sich durch das Spalier an Menschen bewegt hatte, das den prominenten Gast für einen Schnack oder ein Foto anhielt, fand er warme Worte für den Stadtteil. In Findorff werde „das Miteinander gepflegt“, so Bovenschulte. Der Bürgermeister erinnerte auch an den historischen Bezug des Festes: Der Torfhafen war die Keimzelle, um die sich der Stadtteil entwickelte.

Maritime Klänge wurden vom Shantychor präsentiert.
1826 wurde in der Nähe der Plantage ein Hafen ausgehoben, an dem bald 9000 Kähne im Jahr ankamen. Ab 1873 wurde der Torfhafen zwischen Eickedorfer- und Neukirchstraße der wichtigste Energielieferant Bremens. Am Kai, der sechsmal länger war als heute, wurden jährlich bis zu 30.000 Torfkähne entladen. Die Lieferanten hatten die Torfsoden mit den eigenen Händen aus dem Moor gestochen, hatten sich in ihren Kähnen tagelang mühsam bei Wind und Wetter in die Stadt gekämpft. Anständig entlohnt und respektvoll behandelt wurden sie dafür nicht. Für die Bremer waren sie einfach nur „Jan van Moor“. Die „Torfkahn-Armada“ von heute brach am Sonntagmorgen zu ihrem Rückweg auf. Wiedersehen wird man sie – wenn alles gut geht – beim Torfhafenfest 2026.