Es ist vor allem seine Stimme, die die Besucher des Freimarktes erkennen. Ein rauer, stets etwas heiserer, aber angenehm warmer Bariton, mit dem Max Kellner das kleine Glück an seiner Losbude anpreist. Es ist weniger, was er sagt, als wie er es sagt. Sein vielfach wiederholtes "ja", das "Guck mal, ist der nicht doll", wenn er auf eines der vielen Stofftiere zeigt, die als Hauptgewinn locken. "Das mit der Stimme höre ich häufiger, mir war das gar nicht so klar", sagt er selbst. Über sechs Jahrzehnte trägt ihn diese Stimme bereits durch sein Schaustellerleben und ein Ende ist für den 81-Jährigen noch nicht in Sicht. "Solange ich atmen kann, will ich das machen", sagt er. Hinter dem Mikrofon auf dem Wagen vor den Stofftieren, da sei er in einer anderen Welt. "Das wird nie zur Routine."
Gleichwohl zollen er und seine Frau Helga den fortschreitenden Jahren inzwischen Tribut. "Auf die Leiter geh' ich nicht mehr, um die Tiere aufzuhängen." Und auch die Zahl ihrer Jahrmärkte haben die beiden Schausteller inzwischen arg reduziert. Neben dem Bremer Freimarkt stehen in alter Verbundenheit nur noch Rodenkirchen und Goslar auf ihrem Terminkalender. "Früher waren wir noch direkt vor dem Freimarkt immer in Delmenhorst und zwischen März und Oktober in ganz Niedersachsen unterwegs", sagt Kellner. Offiziell ist er längst Rentner.
Schausteller ist er durch die Heirat geworden
Dass er mit über 80 noch auf Jahrmärkten aktiv ist, war Kellner allerdings nicht in die Wiege gelegt. Er ist kein geborener, sondern eingeheirateter Schausteller. "Mein Vater hatte zwei Losbuden und ist dann leider früh verstorben", sagt Ehefrau Helga. Ihr Bruder übernahm eine davon und bekniete dann den Schwager, die andere weiterzuführen. Kellner war da frisch mit der Schaustellertochter verheiratet und arbeitete noch in einer Textilreinigung in seiner Geburtsstadt Berlin. Der Ehe ging eine längere, eher zufällig entstandene Brieffreundschaft mit der Schaustellertochter voraus.
Kellner ließ sich überzeugen. Mit 22 hatte er 1965 seine Premiere als Schausteller in Goslar. "Da habe ich aber nix gesagt, das habe ich mir nicht zugetraut", erzählt er. Ein Onkel seiner Frau übernahm am ersten Wochenende die Rolle des Anpreisers, der hatte da Erfahrung. Am zweiten Wochenende stand seine Frau hinterm Mikro. Max Kellner verkaufte eher still die Lose oder gab die kleineren Gewinne raus.
Erst auf dem nächsten Jahrmarkt versuchte er sich hinterm Mikro – und hat es seitdem nicht mehr abgegeben. "Das war schon ein Sprung ins kalte Wasser", erinnert er sich. Nach einem guten halben Jahr hatte er seinen Stil gefunden. "Ich mach ja nicht den Marktschreier, mir geht es mehr um Entertainment", beschreibt er es. Dazu gehört der Gong für jeden Hauptgewinner. Oder die kurzen Gespräche mit Kindern, die er auf den Wagen holt, um das gewünschte Stofftier mit großer Geste zu überreichen.
Dass er damit bleibende Kindheitserinnerungen erzeugt, war ihm lange Zeit nicht klar. "Heute sprechen mich erwachsene Besucher darauf an und wollen ein Foto mit mir machen", sagt er sichtbar verwundert. Neulich habe ihm jemand erzählt, ohne ihn und seine Stimme, wäre das kein richtiger Freimarktsbesuch. "Das ist ein dolles Kompliment", freut er sich.
Hinter die Zukunft der Losbuden setzt er ein Fragezeichen
Zugleich sieht er keine allzu rosige Zukunft für die Zunft der Losverkäufer. Das sei eine Variante der Schaustellerexistenz auf dem Rückzug. "Früher waren wir die einzigen mit großen Stofftieren, heute gibt es überall diese Greiferautomaten." Das sei eine große Konkurrenz. Dazu kämen immer stärker zersplitterte Geschmäcker. "Früher gab es wirklich einheitliche Hits. Anfang der 70er-Jahre zum Beispiel stand die ganze Bude voller Wums und Wendelins, nichts anderes." Die Loriot-Figuren aus dem Fernsehquiz "Der Große Preis" seien damals so begehrt gewesen, dass der Lieferant gar nicht mehr hinterherkam.
Auch die Schlümpfe ein paar Jahr später oder in den 80er-Jahren die Ottifanten seien eine große Sache gewesen. "Die Ottifanten als Plüschfiguren, das war sogar unsere Idee, die haben wir extra in Italien anfertigen lassen. Die gabs vorher gar nicht als Stofftiere." Da folgte dann allerdings juristischer Ärger wegen der fehlenden Rechte an der Figur. "Am Ende mussten wir fünf Mark für jeden Ottifanten abführen."
Heute ist die Gewinnauswahl dagegen sehr viel bunter, und nicht jede Figur ist Kellner selbst geläufig. "Viele sind aus Videospielen, da kenn ich mich nicht so aus." Sein Sohn gibt darum inzwischen entscheidende Tipps für den Einkauf. Der ist seit 1999 ebenfalls auf dem Freimarkt dabei – mit einer eigenen großen Losbude.