Eine alte Lebensweisheit lautet: Versuch macht klug. Das Sammeln von Erfahrungen befördert die persönliche Entwicklung, und die größten Fortschritte der Menschheit nahmen ihren Anfang in Experimenten, die bisweilen unvorhergesehene und überraschende Resultate lieferten. Das Kunsthaus Findorff hat fünf Künstlerinnen und Künstler unter das Dach des Hauses an der Plantage 3 gebracht, die Lust auf Experimente in ihren Sparten Malerei, Fotografie, Installation und Druckgrafik zeigen. Die neue Ausstellung wird am Freitag, 13. Mai, 19.30 Uhr, eröffnet, und dabei gibt es die Gelegenheit, die Schöpferinnen und Schöpfer der Werke persönlich zu treffen und zu ihrer Arbeit zu befragen.
Impressionen polarer Landschaften als Gemälde
Da wäre zum Beispiel Autun Purser, der in seinem Hauptberuf Einblicke erhält, die nur wenigen Menschen beschieden sind: Der Tiefseeforscher geht im Auftrag des Alfred-Wegener-Institut mit der „Polarstern“ auf Reisen, und bringt davon skizzierte Impressionen und sinnliche Erinnerungen mit, die er Zuhause zu großformatigen Gemälden in der Palette polarer Landschaften ausarbeitet. Die Angabe der exakten geografischen Koordinaten suggeriert den wissenschaftlichen Blick. Was sich durch die Farben und die abstrahierende Technik aber vor allem transportiert, ist das Staunen und der Ehrfurcht vor der spektakulären Natur.
Gleich in mehreren ungewöhnlichen Techniken probiert sich Christian Reimann aus. Für die Findorffer Ausstellung trug er eine Serie Linoldruck-Porträts von Persönlichkeiten bei, die durch ihre bahnbrechenden Forschungen und Entdeckungen legendär wurden. Ebenso versiert ist der Waller Künstler aber auch in anderen traditionellen und modernen Druckverfahren, die er auf seine eigene Weise interpretiert und revitalisiert. Zum Einsatz kommen dabei unter anderem Materialien und Geräte aus dem Papierkorb, aus Vorrats- oder Küchenschrank.
Abstrakte Stillleben aus Verschnitt großformatiger Gemälde
Auch Malerin Christa Zoch weiß Überschüssiges in überraschend Neues zu verwandeln. In ihrem Falle sind es zum Beispiel der Verschnitt, der bei eigenen großformatigen Gemälden anfällt, und über mehrere technische Transformationen ein künstlerisches Eigenleben erhält. Dabei entstehen farbenfrohe abstrakte Stillleben, die das Auge bannen und ihm Rätsel aufgeben.
Zweimal hinschauen sollten die Betrachtenden auch auf die Serie kleiner Scherenschnitte von Rudolf Kretschmann, die sich als auf Schwarz und Weiß reduzierte Versionen eigener Fotografien entpuppen. Der Hochschullehrer der Universität Bremen malt mit Kamera und digitaler Technik Bilder von einer Ästhetik, die mitunter an die Kunst des Kubismus oder Futurismus erinnert, und die er sowohl in dem Birkenwäldchen findet, das sich im See spiegelt, als auch in der kompliziert verschachtelten Architektur eines Großstadt-Komplexes.
Unter die Ausstellenden reiht sich diesmal auch Heike Seyffarth, die das Kunsthaus Findorff seit einem knappen Jahr gemeinsam mit Manfred Schlösser als Atelierraum und Begegnungsstätte für Kunst und Kultur führt. Seyffarth ließ sich für ihre aktuellen Arbeiten von den Farben und Formen der Natur inspirieren, und geht ihrer Essenz mit Fotoapparat, Computer und verschiedenen manuellen Techniken auf den Grund. Ihre Bilder und Installationen stellen eine der ältesten philosophischen Fragen: Was sehen wir eigentlich? Sind die Dinge, wie sie zu sein scheinen, oder entstehen sie erst über das interne menschliche Bildbearbeitungsprogramm? Sie sind es, die die Kunst seit jeher zu Experimenten treiben.