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Polnisches Leben in Bremen Wo Kinder polnisch lernen: Ein Spielkreis für Zweisprachigkeit

Zu Besuch beim polnischen Spielkreis in Bremen: Hier lernen Kinder spielerisch Polnisch und tauchen in die Kultur ein.
20.05.2025, 05:00 Uhr
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Von Karolina Benedyk

"Czesc Charly, halo Theo", ruft Nadine Singh. Jedes Kind, das zum Spielkreis kommt, wird lautstark begrüßt. Von Anfang an ist klar: Hier wird Polnisch gesprochen. Nach und nach betreten Mütter und Väter mit ihren Kindern den Raum mit dem grünen Boden und den sonnengelben Wänden. Um 16 Uhr toben elf Mädchen und Jungen in dem Zimmer. Zwei Kleinkinder liegen auf dem Boden und beobachten das Geschehen. Das jüngste Kind ist erst sechs Monate alt.

Der deutsch-polnische Spielkreis findet immer mittwochs in der Kita an der Theodor-Heuss-Allee statt. Organisiert wird das Treffen von der deutsch-polnischen Gesellschaft (DPG), die 1975 gegründet wurde und sich den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Polen zum Ziel gesetzt hat. Immerhin leben 20.000 Menschen polnischer Herkunft in der Stadt. Beim Spielkreis spielen Kinder mit und ohne polnische Wurzeln gemeinsam – auf Polnisch.

Auch die Eltern frischen ihre Polnischkenntnisse auf

Im Saal sitzen die Kinder mit der Erzieherin und einigen Müttern in einem Kreis zusammen. Nach und nach reichen sie ein Stofftier herum. Wer den Fuchs hält, muss ein paar Verse auf Polnisch singen. Die Erzieherin hilft bereitwillig, wenn den Kindern einige Worte nicht einfallen. Danach wandert das Plüschtier weiter zur nächsten Person.

Julians Vater verspätet sich mit seinem Sohn. In der Umkleideecke zieht der Kleine hektisch seine Jacke aus, streift die Schuhe ab und läuft zu den anderen. In der Zwischenzeit zieht der Vater in Ruhe Jacke und Schuhe aus. „Im Alltag geht die Sprache oft unter“, sagt er. Seine Frau ist Deutsche und lernt nebenbei Polnisch, aber zu Hause spreche die Familie fast ausschließlich Deutsch. Im Spielkreis ist er „gezwungen“, wieder mehr Polnisch zu sprechen – und das gefällt ihm. Auch seine Frau kommt gerne mit.

Nachdem das Plüschtier seine Runde gemacht hat, stellt Singh den Kindern das heutige Thema vor: „Den Frühling erwecken“. Die Kinder bekommen Papierblumen, die sie mit Klebestreifen an ihre Kameradin Aurelia heften dürfen. Singh erzählt Frühlingsgeschichten und wiederholt typische Begriffe auf Polnisch.

In der Vorwoche stand alles unter dem Motto „Winterwunderland“. „Da habe ich selbst das polnische Wort für Schneeglöckchen gelernt“, erzählt Nicole Schulz, Mutter des kleinen Leo. Noch spricht der Einjährige nur einzelne Silben, doch sie möchte früh mit der Förderung beginnen. „Ich will, dass sich die Sprache für ihn ganz natürlich anfühlt.“ Besonders schätzt sie, dass ihr Sohn Polnisch im Kreis anderer Kinder erlebt. Sie selbst ist in Deutschland geboren, ihre Eltern sprachen zu Hause immer Polnisch und pflegten ihre Traditionen. „Ich blühe in der Kultur auf“, sagt sie. Dieses Gefühl möchte sie auch ihrem Sohn vermitteln.

Zweisprachigkeit als Chance

Die Erzieherin kniet in der Ecke. Vor ihr sitzen Mädchen und Jungen im Schneidersitz oder im Schoß ihrer Mütter. Während ihre Blicke gebannt an Singh haften, liest sie ein Märchen über den Wawel-Drachen vor. Der Drache entspringt einer polnischen Volkssage. „In dem Wagen fährt der König“, sagt sie und zeigt auf das Buch. "Wer sitzt wohl neben ihm?“ Die Königin, ruft ein Kind auf Deutsch. „Und auf Polnisch?“

Katarzyna Weichert, Vorsitzende der DPG, gründete die Spielgruppe 2017, nachdem ihr ältester Sohn geboren wurde. Bis dahin gab es in Bremen keine gezielte Sprachförderung für polnische Kinder. Dabei haben über 50 Prozent der Einschulungskinder im Land Bremen einen Migrationshintergrund, viele wachsen mit mehr als einer Sprache auf. Lange wollten Schulen ihre Kinder nur einsprachig, sagt die 46-Jährige. Die Muttersprache wurde kaum gefördert, teilweise sogar vom Schulhof verbannt.

„In meiner Kindheit war es unter polnischen Migranten fast verpönt, Polnisch zu sprechen“, erinnert sich Weichert, die mit elf Jahren nach Deutschland kam. „Man wollte unsichtbar sein.“ Viele Kinder, die in dieser Zeit aufwuchsen, lernten kein Polnisch. Bei Weichert war es anders: Ihre Mutter bestand auf Zweisprachigkeit. Heute weiß man, dass das ein großer Vorteil ist. Und so kommen inzwischen auch immer mehr Familien mit nur einem polnischen Elternteil in den Spielkreis – auch wenn zu Hause Deutsch gesprochen wird. Das polnische Generalkonsulat in Hamburg unterstützt das Angebot finanziell.

Die Stunde neigt sich dem Ende zu, als plötzlich Emilia Prot hereinkommt. „Tante Emilka!“, rufen die Kinder begeistert. Prot war in Polen Psychologin und arbeitet heute als Erzieherin in Deutschland. Seit 2017 leitet sie den Spielkreis. Ihr Ziel: den Kindern die Sprache spielerisch näherzubringen. „Das erhöht die Wertigkeit der Sprache“, sagt sie. „Deutsch ist überall, in der Schule, beim Spielen, im Alltag. Polnisch verbinden die Kinder hier mit etwas Schönem.“

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Info

Polnisches Leben in Bremen

Zum 50-jährigen Bestehen veranstaltet die deutsch-polnische Gesellschaft (DPG) ein Kulturfest am Sonnabend, 21. Juni. Die erste Vorsitzende, Katarzyna Weichert, will das polnische Leben in Bremen präsenter machen. Dafür organisiert die DPG Kulturveranstaltungen, politische Diskussionen, Sprachkurse und Reisen.

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