Tanzbar Bremen hat in Indien Schlagzeilen gemacht. Die Aufführungen „zogen die Zuschauer in ihren Bann“, schrieb eine Zeitung. In einem handschriftlichen Brief bedankte sich ein Fan für die „magische Show“ und gab seiner Begeisterung Ausdruck in Superlativen: „Es war eine der schönsten und einzigartigen Vorstellungen, die ich je erlebt habe.“ Das Bremer Ensemble ist kürzlich von seinem bislang wohl aufregendsten Engagement zurückgekehrt. „Tanz weit weg“ lautete das Motto der künstlerischen Indien-Reise in diesem Frühjahr. Nun möchten die Tänzerinnen und Tänzer ihre Eindrücke und Erlebnisse öffentlich teilen.
Es ist, das muss man wissen, an sich schon eine außergewöhnliche Truppe: Der gemeinnützige Verein Tanzbar Bremen setzt sich seit mehr als 15 Jahren dafür ein, Kunst und Kultur möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Das heißt: Die Kurse, Workshops und Projekte – in den Räumen an der Plantage aber auch an Schulen – stehen Menschen ohne und mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen offen. Als nach eigenen Angaben deutschlandweit erste Kompanie stellte sich auch das professionelle Team inklusiv auf.

Eine Szene aus „Can you read my body“, das die erste der beiden Bremer-Gruppe erarbeitet hatte.
Davon erfuhr das Goethe-Institut im indischen Mumbai und wünschte sich die Bremer Choreografen, Tanzpädagogen, Tänzerinnen und Tänzer für ein inklusives Kooperationsprojekt. Zwei Teams machten sich im Februar und März auf die Reise, um im Norden und Süden Indiens bühnenreife Tanz-Performances mit indischen Künstlerinnen und Künstlern zu entwickeln. Zum Abschluss standen Profis und Laien, Tänzer im Rollstuhl und mit Trisomie 21, blinde und taube Tänzer, und mit mindestens sechs unterschiedlichen Muttersprachen auf den Bühnen - verbunden durch die Sprache des Tanzes.
Viel Achtsamkeit
„Es war traumhaft“, erzählt Tänzer und Workshop-Leiter Till Krumwiede und schwärmt von der Kultur und den menschlichen Begegnungen. Was den Umgang mit behinderten Menschen und Barrierefreiheit anbelange, sei Indien „in manchen Bereichen viel weiter als wir“, erklärt Lale Schreiber aus dem Tanzbar-Management. „Vor allem, was die allgemeine Achtsamkeit betrifft.“
Die Gäste hatten öffentliche Einrichtungen besucht, die „so zugänglich waren wie in Deutschland nirgendwo“, erklärt Choreograf Tim Gerhards. An Stellen, an denen es schwierig war, habe man eine solch große Hilfsbereitschaft erlebt, ergänzt Dozent und Performer Daniel Riedel, selbst Rollstuhlfahrer, und sagt: „Ich fand das absolut bereichernd!“
Zwei Teams unterwegs
Das erste Team von Tanzbar Bremen reiste Mitte Februar nach Delhi und Kolkata im Norden von Indien, um mit einer Gruppe vor Ort innerhalb von zwei Wochen die Tanz-Performance „Can you read my body“ zu erarbeiten. Die Aufführung wurde im Rahmen eines Tanzfestivals an verschiedenen Orten aufgeführt – darunter in der Kulisse eines Gefängnismuseums, erzählt Tanzbar-Teamleiterin Corinna Mindt. „Die Zuschauer waren wirklich berührt. Viele blieben noch eine Viertelstunde nach Ende der Aufführung ganz still auf ihren Plätzen sitzen.“ Auftritte folgten im Institute for Celebral Palsy, beim „Artist-Talk“ des Festivals sowie bei einer offenen Probe für das Goethe-Institut in Delhi.
Für das zweite Bremer Tanzbar-Ensemble begann Anfang März die Reise nach Bangalore und Chennai im Süden Indiens. Dort wurde gemeinsam mit indischen Tänzerinnen und Tänzern das Stück „meet/repeat“ erarbeitet, das von Begegnungen von Menschen zweier Kontinente handelt. Die Premiere fand im Rahmen des March Dance Festival in Chennai statt.
Planung dauerte drei Jahre
Der inklusiven deutsch-indischen Kooperation, für die es auch Unterstützung vom Bremer Kulturressort und von der Aktion Mensch gab, waren gut drei Jahre Planung vorausgegangen, erklärt Corinna Mindt. Die Idee sei im Rahmen eines Tanzkongresses entstanden, an dem auch Vertreter der indischen Goethe-Institute teilnahmen.
Bei den Gastgebern hat die Bremer Truppe nachweislich einen guten Eindruck hinterlassen: Dank der Kooperation habe man wertvolle Erfahrungen im Bereich inklusiver kultureller Programm-Arbeit sammeln können, „die unsere Institution nachhaltig bereichern“, bescheinigte die Programmdirektorin des Goethe Instituts in Neu Delhi den Bremer Gästen.
Zusammenarbeit kann weitergehen
„Ich glaube, das etwas bleiben wird“, ist sich auch die Bremer Teamleiterin sicher. „Die Goethe-Institute würden die Zusammenarbeit gerne weiterführen.“ Zurzeit gebe es Ideen unterschiedlichster Art, von Gegenbesuchen über Reprisen der Stücke bis zu gemeinsamen Workshops und neuen Projekten. Das Tanzbar-Ensemble wäre dafür auf jeden Fall offen, sagt sie: „Wir würden am liebsten alles machen.“