Ein Schreck durchfuhr Karin Pfitzner-Brauer, Vorsitzende der Geschichtswerkstatt Gröpelingen, als sie kürzlich mit einer Gruppe Interessierter durch Gröpelingen spazierte, um ihnen anhand verschiedener Kunstwerke vor Ort die Geschichte des Arbeiterstadtteils näher zu bringen. Dabei entdeckte sie nämlich am Bunker Pastorenweg etwas, was dort definitiv nichts zu suchen hat: Schmierereien auf dem fast 45 Jahre alten Wandbild des im Februar verstorbenen Künstlers und ehemaligen Rektors der Kunsthochschule Jürgen Waller.
Unbekannte haben auf einen seitlichen Teil der Arbeit an der Grasberger Straße mit pinker Farbe vier Zahlen gesprüht. Auch die Tafel mit Erklärungen zu dem berühmten Werk im Eingang des Bunkers ist mit einer dunkleren Farbe beschmiert worden.
Das Bild mit dem Titel „Geschichte des Stadtteils Gröpelingen und der AG-Weser – 1878-1978“, das als die einzige öffentliche monumentale Historienmalerei der Nachkriegszeit in Westdeutschland gilt, zeigt auf einer Gesamtfläche von 531 Quadratmetern das Leben und Arbeiten in Gröpelingen von 1878 bis 1978. Der Bildmontage waren seinerzeit langwierige Recherchen zur Stadtteil-, Industrie- und Sozialgeschichte vorausgegangen: Unter der Regie des Hochschullehrers Peter Schäfer hatten sich Studierende der Hochschule für Künste (ehemals Hochschule für gestaltende Kunst und Musik) 1975/76 mit der Aufarbeitung der Stadtteilgeschichte befasst. Ab 1978 malten dann Jürgen Waller und Studentinnen und Studenten die Geschichte der Bremer Traditionswerft „AG-Weser“ auf die Bunkerwände.
Wallers Wandgemälde steht inzwischen unter Denkmalschutz und wurde 2007 auf Initiative der Geschichtswerkstatt hin aufwendig restauriert. Auch wenn nun nur ein kleiner Teil davon durch die Schmierereien beschädigt wurde, so ist Karin Pfitzner-Brauer dennoch alarmiert. „Wehret den Anfängen“, sagt sie – ansonsten könnten womöglich weitere Schmierereien folgen, was nach Ansicht der engagierten Heimatforscherin für den Stadtteil nach Möglichkeit verhindert werden sollte: „Das ist ein international bekanntes Wandbild. Wenn es zerstört würde, wäre es schade!“
Der Kulturbehörde sind die Schmierereien bislang nicht bekannt. Der übliche Weg in solchen Fällen sei aber dieser, so Nicole Nowak, Referentin für Kunst im öffentlichen Raum: „Wir würden auf jeden Fall in Auftrag geben, dass das Wandbild gesäubert oder restauriert wird. Dafür müssen wir erst einmal den Schaden an sich eruieren. Denn wenn Graffiti auf ein bestehendes Wandbild aufgemalt werden, dann ist es nicht so einfach, das wieder zu entfernen.“